Das GANZE Werk - Presseschau

Berliner Morgenpost, 11. März 2005

Jürgen Doetz vom Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) zur Gebührenerhöhung:

Im Kern muß sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Bildung, Information, Kultur konzentrieren

Fehlt nur noch der Telefonsex zur totalen öffentlich-rechtlichen Grundversorgung

Die Erhöhung der Rundfunkgebühren zum 1. April um 88 Cent auf 17,03 Euro rückt näher, nachdem der sächsische Landtag gestern zustimmte. Nun steht nur noch das Votum der Parlamentarier Baden-Württembergs kommende Woche aus. Christian Seel sprach mit Jürgen Doetz, dem Vorsitzenden des Verbands Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT).

VPRT-Präsident
Jürgen Doetz
Foto: dpa

Berliner Morgenpost: Der Versuch, die Gebührenerhöhung in Dresden zu stoppen, ist gescheitert. Was sind Ihre Lehren daraus?

Jürgen Doetz: Das ist ein klarer Bruch der sächsischen Medienpolitik, die bei der letzten Gebührendiskussion einen sehr hilfreichen Forderungskatalog aufgestellt hat. Es zeigt, daß unsere Beschwerde bei der EU-Wettbewerbskommission der richtige Schritt war.

Die eigentlichen Versager sind also die Länderpolitiker?

Genau, sie versagen sich der notwendigen Reform. Es geht darum, daß Druck gemacht werden muß, damit sich etwas hier im Lande bewegt. Für die nächste Erhöhung muß klar formuliert werden, für was die Gebühren benötigt werden.

Wie lauten Ihre Antworten?

Im Online-Bereich ist es leichter zu sagen, was nicht Grundversorgung sein kann. Zum Bespiel E-Commerce. Der ist zwar verboten, findet aber trotzdem statt.

Die gern zitierte Biolek-Bratpfanne gibt es längst nicht mehr.

Sie wurde ausgetauscht gegen TipKick-Spiele, Taschenlampen und Olivenöl. Wir haben mehr als 4000 Artikel in den Online-Angeboten von ARD und ZDF gefunden. Fehlt nur noch der Telefonsex zur totalen öffentlich-rechtlichen Grundversorgung. Verhindern muß man außerdem die Links zu Unternehmen wie Reiseveranstaltern, zu Gewinnspielen oder Gaststättentips.

Und die TV-Unterhaltung?

Es muß natürlich auch Unterhaltungsangebote bei ARD und ZDF geben, aber die Programme dürfen davon nicht wie derzeit dominiert werden. Die Öffentlich-Rechtlichen müssen sich qualitativ und quantitativ beschränken. Sie brauchen nicht 61 Hörfunkprogramme und 23 Fernsehkanäle. Im Kern muß sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Bildung, Information, Kultur konzentrieren. Natürlich kann man keine scharfe Demarkationslinie ziehen, aber man kann Prozentanteile festlegen.

ARD und ZDF scheinen den blauen Brief, der mehr Transparenz bei ihrem Gebühreneinsatz anmahnt, nicht so tragisch zu nehmen.

Mich erstaunt, wie ARD und ZDF versuchen, dieses Schreiben herunterzustufen. Die transparente Buchführung wird die Möglichkeit schaffen, den Mißbrauch von Gebührengeldern auszuschließen. Ein weiteres Problem sind die begrenzten Kontrollmöglichkeit. Vorgänge werden in Tochterfirmen verlagert - die Sportrechte kauft die Werbetochter, den Vertrag von Harald Schmidt schließt die Degeto. Das sind Tricksereien.

Ein Evergreen Ihrer Forderungen ist es, die Werbung bei ARD und ZDF abzuschaffen. Wären Sie dann doch für eine Anhebung der Gebühren?

Nicht zwangsläufig. Es gibt noch genug Sparpotential im Programm, bei Pensionen, bei der Verwaltung. Wir hatten ja gehofft, daß man wenigstens das Sponsoring verbietet. Selbst das ist gescheitert. Dabei sollten sich ARD und ZDF im eigenen Interesse von Werbung verabschieden. Sonst fragen sich die Zuschauer und Hörer doch, wofür sie eigentlich Gebühren zahlen.

Brisant: Originaltext EU-Kommission (Pdf-Format, 105 kb)
Die "Schlussfolgerungen" der "Generaldirektion Wettbewerb"
Sie ist "zur vorläufigen Auffassung gelangt, dass es sich bei der Finanzierung durch Rundfunkgebühren um eine Staatliche Beihilfe handelt."
EU-Kommission, 3. März 2005

Öffentlich-rechtlich oder öffentlich bestechlich
Gedanken über das duale System unseres Rundfunks von Klaus Bernbacher
neue musikzeitung (nmz) 2004/12-2005/01

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