Das GANZE Werk - Presseschau
VERZERRTER WETTBEWERB
EU fordert Aufpasser für ARD und ZDF
Von Jörn Sucher
Der Umgang mit Rundfunkgebühren in Deutschland verstößt nach Auffassung der EU-Wettbewerbsbehörde zum Teil gegen europäisches Recht. Eine neue Aufsichtsbehörde soll künftig für mehr Transparenz sorgen. Die Sender fürchten um ihre Pfründe und zeigen sich kompromissbereit.
TV-Gucker: Wissen, wofür man Gebühren zahlt |
Brüssel/Hamburg - In einem 65-seitigen EU-Bericht an das Bundesfinanzministerium, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, erklärt die EU-Wettbewerbskommission, dass es sich bei der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender über Rundfunkgebühren nach vorläufiger Auffassung um Beihilfen handele. Dieses System sei "nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar". An Irland und die Niederlande ergingen ähnliche Schreiben.
Die Kommission forderte die Bundesregierung auf, mit Hilfe einer neuen Aufsichtsbehörde für eine klare Unterscheidung öffentlich-rechtlicher und kommerzieller Aufgaben von ARD und ZDF zu sorgen. Die Finanzierung beider Aufgaben müsse getrennt werden, um eine Quersubvention von Bereichen zu verhindern, die nicht der Grundversorgung der Bevölkerung dienten. So soll verhindert werden, dass kommerzielle Anbieter gegenüber den gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten in Nachteil geraten.
Beteiligungsstrukturen sollen nun transparenter werden, um wettbewerbswidrige Mittelzuflüsse an Sendertöchter wie TV-Produktionsfirmen zu vermeiden. Auch sollen öffentlich finanzierte Online-Angebote der Anstalten begrenzt werden. Dies dürfe nicht den Sendern selbst überlassen bleiben. Zudem fordert die EU mehr Wettbewerb beim Handel der Rundfunkanstalten mit Sportrechten. Es könne sinnvoll sein, hier bestimmte Grundsätze und Vorgaben einzuführen.
Die Kommission betonte, sie stelle nicht die grundsätzliche Möglichkeit zur Gebührenfinanzierung öffentlich-rechtlicher Sender in Frage. Diese müsse aber auf den Grundversorgungsauftrag beschränkt sein. Zugleich machte die Behörde deutlich, dass sie auf eine gütliche Beilegung des Streits setze. Sobald Rolle und Finanzierung der öffentlichen Anstalten geklärt seien, werde die Kommission den Fall zu den Akten legen und verwies auf Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Diese Länder hätten ihre Rundfunkfinanzierung bereits entsprechend geändert.
ZDF und ARD zu mehr Transparenz bereit
Das ZDF reagierte auf das EU-Schreiben und kündigte Zugeständnisse bei kommerziellen Aktivitäten an. ZDF-Intendant Markus Schächter sagte: "Wir sind bereit, in Sachen Transparenz weitere Regelungen im Hinblick auf kommerzielle Aktivitäten zu verabreden." Er nannte aber einige Passagen in der Einschätzung der EU-Behörde "irritierend", etwa wenn der Erwerb exklusiver Sportrechte durch ARD und ZDF in Frage gestellt werde. Dies wäre ein direkter Eingriff in die Programmautonomie.
Schächter verwies darauf, dass es sich ausdrücklich um eine vorläufige Brüsseler Auffassung handle. Die Grundlagen des Systems blieben unangetastet.
Auch die ARD signalisierte Bereitschaft zu mehr Transparenz bei ihren kommerziellen Tochtergesellschaften. Der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber vom Bayerischen Rundfunk äußerte sich jedoch besorgt über mögliche Einschränkungen im Online-Bereich: "Damit wäre die Entwicklungsgarantie von ARD und ZDF in der digitalen Welt in Frage gestellt."
Weiter sagt Gruber: "Der seit vielen Jahren existierende Dissens zwischen Deutschland und der Kommission darüber, ob die Rundfunkgebühr überhaupt eine Beihilfe darstellt, wird solange fortbestehen, bis es dazu ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt. Positiv ist, dass die Kommission unsere Gebührenfinanzierung nicht in Frage stellt."
Jubel bei den Privatsendern
Die EU folgt mit ihrer Kritik einer Beschwerde des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) aus dem Jahr 2003. Der Verband hatte gegen den wettbewerbswidrigen Einsatz der Rundfunkgebühren protestiert.
ZDF-Homepage: Entwicklungsgarantie in Frage gestellt |
Entsprechend erfreut zeigten sich die Privaten. "Wir haben ins Ziel getroffen", sagte VPRT-Präsident Jürgen Doetz in einer Telefonkonferenz gegenüber Journalisten. Die Kommission habe das strukturelle Ungleichgewicht in der dualen deutschen Rundfunkordnung zu Lasten der privaten Medienunternehmen erkannt.
Mit einer zügigen Umsetzung der Vorgaben rechnet der Verband nicht. "Die Diskussion über die Rundfunkordnung hat begonnen", sagte Doetz. Am Ende aber könnte ein klareres Profil von ARD und ZDF stehen. "Dann wissen die Gebührenzahler genauer, wofür sie eigentlich zahlen", sagte der VPRT-Präsident.
Die EU-Kritik wird in den kommenden Wochen die zuständigen Gremien beschäftigen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck kündigte an, dass sich die von ihm geleitete Rundfunkkommission der Länder am 17. März in Berlin mit dem Thema befassen wird. Für den 10. März sei ein Gespräch mit Philip Lowe, dem Generaldirektor Wettbewerb der EU-Kommission, vorgesehen.
Brisant: Originaltext EU-Kommission (Pdf-Format, 105 kb)
Die "Schlussfolgerungen" der "Generaldirektion Wettbewerb"
Sie ist "zur vorläufigen Auffassung gelangt, dass es sich bei der Finanzierung durch
Rundfunkgebühren um eine Staatliche Beihilfe handelt."
EU-Kommission, 3. März 2005
Öffentlich-rechtlich oder öffentlich bestechlich
Gedanken über das duale System unseres Rundfunks von Klaus Bernbacher
neue musikzeitung (nmz) 2004/12-2005/01
Lesen Sie auch:
Im Kern muß sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Bildung, Information, Kultur konzentrieren
Jürgen Doetz vom Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) zur Gebührenerhöhung
Berliner Morgenpost, 11. März 2005
Kommentar: Gebühren
Eine Diskussion könnte dazu führen, daß es bei den Öffentlichen zu einer Rückbesinnung auf Qualität kommt, statt auf die Quote zu schielen
DIE WELT, 4. März 2005
Verzerrter Wettbewerb
EU fordert Aufpasser für ARD und ZDF
Die Sender fürchten um ihre Pfründe und zeigen sich kompromissbereit.
SPIEGEL ONLINE, 3. März 2005
EU will weniger Webangebot von ZDF und ARD
Ein ARD-Rundfunkrechtler: «Wenn die EU-Kommission uns von diesem Markt verdrängen will, müssen die Bundesländer in Brüssel kämpfen»
Netzeitung.de, 2. März 2005
Warten auf den Blauen Brief
Vertreter der Länder wollten in Brüssel wissen, was die EU-Kommission von ARD und ZDF verlangt
Frankfurter Rundschau, 18. Februar 2005
Drei Fragen warten auf Klärung
Verdacht versteckter Subventionen – Länder kämpfen um Rundfunkhoheit
Berliner Zeitung, 28. Januar 2005
Länder wehren sich gegen EU-Entscheidung
Die Bundesländer wollen nicht hinnehmen, dass die EU-Kommission die Rundfunkgebühren als staatliche Beihilfe einstufen will.
Netzeitung.de, 27. Januar 2005
EU wittert Beihilfen für ARD und ZDF
„Das dicke Ende naht“ - Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Gefahr?
Handelsblatt, 24. Januar 2005