Beschlüsse des Sprecherrates (Nord)

Das GANZE Werk (Nord), 2. Februar 2009

Das GANZE Werk

Sprecherrat der Bürgerinitiative
für mehr Radiokultur
Das GANZE Werk (Nord)

Seit 5 Jahren tagsüber auf NDR Kultur:
Musik und Wort nur noch stückweise

„Formatologen haben Minderheiteninteressen verbannt“ (HAZ)

Das GANZE Werk (Nord) reicht Eingabe und Beschwerde
beim NDR-Rundfunkrat ein

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Seit fünf Jahren bietet das Tagesprogramm von NDR Kultur zwischen 6 und 19 Uhr (am Wochenende ein wenig kürzer) eine Abfolge von Beiträgen, die den Namen Programm eigentlich nicht verdient. Es ist als „Tagesbegleitung“ eher eine Mixtur aus - auf maximal 3 Minuten gestauchten - Wortbeiträgen, die überwiegend von aktuellen und beworbenen Kultur-Waren oder -Dienstleistungen handeln, und zahlenmäßig begrenzten Einzelmusiksätzen aus dem Rotationsvorrat, die im Durchschnitt eine Dauer von 5 Minuten haben, zum allergrößten Teil regelmäßig wiederkehren („gefühlte“ 80 %: Bizet, Albinoni, J.S. Bach usw.) oder der „aktuellen“ Bewerbung dienen („gefühlte“ 10 %: A. Netrebko „Souvenirs“ usw.).

Wenn die Hannoversche Allgemeine Zeitung, eine wichtige Zeitung in unserem Sendegebiet, vor kurzem auch für NDR Kultur feststellt, dass „die ‚Formatologen‘ vermeintliche Minderheiteninteressen“ aus dem Programm „verbannten“ (Norddeutscher Rundfink - Die Radiowoche von Günter Fink, 20. Januar 2009), dann kommen Zweifel an dem Beschluss des Programmausschusses von Ende 2004 auf, die Programmreform von NDR Kultur sei „richtig“.

Wenn viele Kultur- und Musikliebhaber nach fünf Jahren des durchformatierten Tagesbegleitprogramms sagen: „NDR Kultur höre ich nicht mehr, das halte ich nicht aus. Ich höre den Deutschlandfunk“ (bzw. im Süden Niedersachsens den WDR3 oder hr2), dann kann die Programmreform von NDR Kultur nicht einfach als „richtig“ bezeichnet werden.

Wenn alle kulturellen Entscheidungsträger außerhalb des NDR, mit denen wir sprechen, auch das Gleiche sagen und wenn wir feststellen, dass im Westen und Süden Deutschlands täglich tagsüber ein reichhaltiges Musik-, Kultur- und Bildungsprogramm auf beachtlichem Niveau gesendet wird, dann sollte man bei dem kompromisslosen Beschluss von Ende 2004 eher von einer Fehlentscheidung sprechen.

Das Programm sollte nach fünf Jahren gründlich evaluiert werden

Wenn man außerdem bedenkt, dass das Tagesprogramm von NDR Kultur von Werbung durchsetzt ist (siehe CD-Tipps zugunsten der „Major Labels“ bzw. von ständigen „werblichen Elementen“ (Ex-Intendant Prof. Jobst Plog, Brief vom 4. Oktober 2005) geprägt wird, dann sollte das Programm nach fünf Jahren gründlich evaluiert werden.

Denn die Gebührenzahler, die tagsüber Musik- und Kultursendungen mit einem täglichen gesellschaftlichen Mehrwert hören wollen und die laut Staatsverträgen und Bundesverfassungsgericht einen Anspruch auf ein qualitatives Informations-, Bildungs-, Unterhaltungs- und insbesondere Kulturprogramm haben, dürfen nicht einfach als kleine Minderheit für Höchstkultur abgestempelt werden, wie es Intendant Lutz Marmor am 9. Dezember 2008 ausgesprochen hat: „Manchmal gibt es da von Anhängern der Höchstkultur auch Kritik.“ (Braunschweiger Zeitung vom 9. Dezember 2008) Denn der Abschlussbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ spricht genau diese Problematik an, indem er eindeutige Handlungsempfehlungen aufzeigt (siehe Eingabe vom 20. März 2008 und die dazugehörige Broschüre).

Abwanderungsbewegung

Der Beschluss des Programmausschusses von Ende 2004 war von dem Wunsch von Ex-Hörfunkdirektor Gernot Romann geprägt, dass die Stammhörer sich im Laufe der Zeit an den neuen Format-Stil gewöhnen würden („NDR Kultur verfolgt mit dem neuen Programmangebot einzig und allein die Integration der vielschichtigen Klientel der Klassik- und Kulturinteressierten.“ (NDR Kultur - Klassikclub Magazin, September 2004).

Die Abwanderungsbewegung zeigt, dass eine größere Hörerzahl dieser Auffassung nicht gefolgt ist. Und die Kritik der verbliebenen Hörer wurde auch in der Diskussionssendung auf NDR-Info mit Intendant Lutz Marmor und Hörfunkdirektor Joachim Knuth am 17. September 2008 deutlich, als die Moderatorin sagte: „(ganze Werke,) ein Thema, das immer wieder in Mails angesprochen wird“.

Wir verstehen uns als das Sprachrohr derer, die nicht hinnehmen wollen, dass der öffentlich-rechtliche Sender im Norden Deutschlands ihnen - trotz der Gebühren - Kultur nur eingeschränkt vermittelt und Kultur- und Bildungsreichtum tagsüber vorenthält, der andernorts selbstverständlich ist.

Qualitativ höherwertige Kultursender im Westen und Süden Deutschlands

Als Lösung schlagen wir schon seit fünf Jahren vor, dass es für die „verbannte“ Hörergruppe täglich und tagsüber mindestens vier Stunden lang zusammenhängende Musiksendungen gibt. Eine Kombination von tagesaktuellen Sendestrecken und gebundenen Musik- und Wortsendungen ist inzwischen das Prinzip der qualitativ höherwertigen Kultursender im Westen und Süden Deutschlands, sie würde NDR Kultur im Endergebnis auch mehr Hörer bringen.

Die im Jahr 2008 nach dem Einreichen unserer Eingabe gemachten Gespräche mit dem NDR haben schließlich gezeigt, dass unterhalb der Ebene der Intendanz keine Gesprächsbereitschaft bestand. Die einzige relevante Änderung, die Einführung des Sonntagskonzertes von 11 bis 13 Uhr, haben wir als „Lichtblick“ begrüßt, sie ist insgesamt aber nicht mehr als ein Trostpflaster.

Deshalb reichen wir die Eingabe vom 20. März 2008 „Das Tagesprogramm von NDR Kultur soll das Zuhören fördern“ jetzt definitiv ein und ergänzen sie um die neue „Beschwerde wegen der Werbung bei NDR Kultur“.

Beschlossen am 2. Februar 2009

Lesen Sie zu den Beschlüssen des DGW-Sprecherrates (Nord) vom 2. Februar 2009:

Seit 5 Jahren tagsüber auf NDR Kultur: Musik und Wort nur noch stückweise
„Formatologen haben Minderheiteninteressen verbannt“ (HAZ)
Das GANZE Werk (Nord) reicht Eingabe und Beschwerde beim NDR-Rundfunkrat ein
• Das Programm sollte nach fünf Jahren gründlich evaluiert werden
• Abwanderungsbewegung
• Qualitativ höherwertige Kultursender im Westen und Süden Deutschlands

Eingabe an den Rundfunkrat des NDR gemäß § 13 NDR-Rundfunkstaatsvertrag
Das Tagesprogramm von NDR Kultur soll das Zuhören fördern
„In der Hauptsendezeit, d.h. vor- und nachmittags, richtet NDR Kultur in größerem Umfang gestaltete Wortsendungen (mit längeren Beiträgen zur Kultur) und Musiksendungen (mit zusammenhängenden musikalischen Werken) ein.“
Mit sieben Thesen zur Begründung:
1. Rundfunkstaatsvertrag und NDR-Staatsvertrag
2. Niedersachsenurteil des Bundesverfassungsgerichtes
3. Die Qualität eines Kulturprogramms
4. Öffentlich-rechtliche Aufgabe und Chance: mit qualitätvollen Sendungen das Zuhören als Kulturgut fördern
5. Neues von der ARD-Medienforschung
6. Die einzelnen Musiksätze und kurzen Wortbeiträge von NDR Kultur erfüllen den Kulturauftrag nicht
7. NDR Kultur liegt in der Schlussreihe der deutschen Kultursender

An den Rundfunkrat des NDR
Beschwerde wegen der Werbung bei NDR Kultur
Beweis Nr. 1: Der Roman „Ruhm“ von Daniel Kehlmann (Januar 2009)
Beweis Nr. 2: Adventskalender (Dezember 2008)
Beweis Nr. 3: Bevorzugung der drei „Major Labels“, insbesondere der DGG bei den neuen CDs
• NDR-Staatsvertrag, Midem 2009 und hr2-CD-Tipps
• Die Praxis von NDR Kultur ist dazu umgekehrt proportional (CD-Tipps am Thementag „CD-Neuheiten XXL“, CD-Tipps an einem normalen Wochentag und CD-Neuvorstellungen in einer normalen Woche)
• CDs weiterempfehlen, auch wenn die Besprechung negativ ausfiel? Warum?
• Fazit: Bevorzugung der drei „Major Labels“

Zehn Thesen zum Tagesprogramm von NDR Kultur
Die Musik von den Fesseln der „aktuellen“ Wortbeiträge befreien
u.a.: 1. Viele hören tagsüber NDR Kultur nicht mehr
5. Die Musik wird als Füllmaterial zu den Wortbeiträgen missbraucht
6. Die Musik wird unnötigerweise ständig von „aktuellen“ Wortbeiträgen eingeschlossen
7. Das Ergebnis: für ein Musikstück bleiben im Durchschnitt nur noch fünf Minuten übrig
9. Die Hörer werden durch lautstarke NDR-Eigenwerbung gegängelt
10. Die tatsächlichen Aufgaben für den NDR Kultur als Kultursender

Was spricht dagegen?
Anregungen für Alternativen im Tagesprogramm von NDR Kultur
1. „Aktuelle“ Wortbeiträge
2. Thematische Wortsendungen
3. Sender-Eigenwerbung
4. Musiksendungen
5. Moderation, Sprache und „Verpackung“