Neues von NDR Kultur

Korrespondenz zwischen einer Hörerin und NDR Kultur, 23. April bis 5. Oktober 2008

Ein Briefwechsel und seine Folgen

NDR Kultur öffnet Sendeplatz für regelmäßige Sonntagskonzerte

Wenn im Programm das Fenster geöffnet wird, dringt Licht herein. Dann werden Denken und Handeln durch Erleuchtung motiviert.

Zusammengestellt von Ludolf Baucke

Artikel speichern/drucken (Pdf)

Eine Hörerin schreibt am 23. April 2008 an NDR Kultur:

Schon als Kind durfte ich sonntags vom Familien-Frühstückstisch aufstehen, um nach nebenan zu gehen. Dort stand das Radio, in dem um 9 Uhr das Sonntagmorgen-Konzert begann. Auf diese Weise lernte ich viele Konzerte genauer kennen und lieben. Mein Leben lang freute ich mich auf den Musikgenuss am Sonntagmorgen.

Das änderte sich schlagartig zu Beginn des Jahres 2004!

Wie auch in anderen Sendungen werden die Kompositionen nun zerrissen und sätzchenweise aufgelegt. Wenn man z. B. dem ersten Satz eines schönen Klavierkonzertes lauscht und weiß, es folgt ein wunderbares Adagio, dann ertönt plötzlich ein Walzer von Strauss oder ein temperamentvoller Ungarischer Tanz! Das mag in anderen Sendungen gehen, aber nicht am Sonntagmorgen!! Und warum das Ganze? Um pünktlich um 10 oder 11 Uhr die Nachrichten zu senden...

Es reicht doch völlig, die Nachrichten am Sonntag um 9 und um 12 Uhr zu senden. Dann wäre eine sinnvolle Programmgestaltung wieder mit vollständigen Kompositionen möglich, zur Freude sehr vieler Zuhörer.

NDR Kultur antwortet ihr am 26. Mai 2008:

Das von Ihnen kritisierte Musikprogramm von NDR Kultur entsteht in enger Abstimmung sowohl mit dem Nutzungsverhalten als auch mit dem Musikgeschmack unserer Hörer. Wir wissen von der Mehrheit des für uns relevanten Publikums, dass der Konsum ganzer - und damit in der Regel sehr langer - Werke in Tagessendungen nur sehr eingeschränkt möglich bzw. nicht gewünscht ist. Vielmehr besteht der ausdrückliche Wunsch nach populärer klassischer Musik. Die Fachredaktion von NDR Kultur berücksichtigt bei der Programmgestaltung stets das Hörverhalten, die Erwartungshaltung und den Geschmack der an Kultur und klassischer Musik interessierten Hörerinnen und Hörer.

Die zur vollen Stunde angebotenen Nachrichten müssen Bestandteil eines modernen Kulturprogramms sein. Außerdem erwarten Hörerinnen und Hörer eine zuverlässige, seriöse und regelmäßige Information in Form klassischer Nachrichten ... Es geht ... darum, dem Nutzungsverhalten der Mehrheit der NDR Kultur-Hörer Rechnung zu tragen. Deshalb möchten wir auch in Zukunft auf dieses Konzept setzen.

Die Hörerin antwortet NDR Kultur am 14. Juli 2008:

Sie scheinen meinen Hörerbrief vom 23. 04. 08 nur recht flüchtig gelesen zu haben, sonst hätten Sie bemerkt, dass ich nicht generell Ihr Programm kritisiere, sondern dass ich „lediglich“ für eine nachrichtenfreie Matinee am Sonntag plädiere, d.h. dass von geschätzten 84 (oder mehr) Nachrichtensendungen pro Woche zwei Nachrichtensendungen ausgesetzt werden. Und ich bin ganz sicher, dass ich damit den Wünschen der allermeisten Hörer entgegen komme. Ich betone noch einmal: Es handelt sich nur um die Sonntags-Matinee!

Sie sprechen von dem für Sie relevanten Publikum. Sind die zahlreichen Hörer, die sich endlich wieder ein nicht unterbrochenes Sonntagskonzert wünschen, nicht relevant??

(Anmerkung: Aus allen Briefen wurde auszugsweise zitiert.)

Die „relevante“ Antwort kommt per Antenne oder Kabel

Eine Antwort des NDR erfolgte bis zum 31. August nicht. Seit Ende August gibt es jedoch erstaunliche Veränderungen. Das Programm NDR Kultur kann tagsüber auch ohne Jingles und Nachrichten zum „Hören und genießen“ verleiten:

1) Die Liveübertragung des im mecklenburgischen Ulrichshusen veranstalteten Konzertes zum Abschied des legendären Beaux Arts Trios am 31. August 2008 zwischen 16.05 und 18.25 Uhr (vgl. „Sternstunden des Hörfunks“ vom 31. August 2008 auf dieser Homepage)

2) Das ab 7. September 2008 von 11.05 bis 13 Uhr in das Programm gerückte „Sonntagskonzert“. In den bisher bis einschließlich 5. Oktober 2008 veröffentlichten Folgen werden folgende Konzerte gesendet:

• 7. September 2008
Aufzeichnung der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Juni 2008 mit dem von Christoph Eschenbach geleiteten Schleswig-Holstein Festival Orchester
Programm:
- Antonín Dvoráks Violoncellokonzert h-Moll op. 104 (Solist: Daniel Müller-Schott)
- Sinfonie Nr. 5 e-Moll op.64 von Peter Tschaikowsky
• 14. September 2008
Liveübertragung aus der Laeiszhalle Hamburg mit dem NDR Sinfonieorchester (Dirigent: Christoph von Dohnányi)
Programm:
- Alfred Schnittke: Violoncellokonzert Nr. 1 (Solist: David Geringas)
- „große“ C-Dur Sinfonie D 944 von Franz Schubert
• 21. September 2008
Aufzeichnung des Schleswig-Holstein Musik Festivals vom 22. Juli 2008 mit den „Solistes Européens Luxembourg“ (Leitung: Jack Martin Händler).
Programm:
- Igor Strawinsky: Pulcinella-Suite
- Peter Tschaikowsky: Variationen über ein Rokokothema op. 33 in der Fassung für Flügelhorn und Orchester (Arrangement und Solist: M. Nakarjakov)
- Tschaikowsky: Streichsextett d-Moll op. 70 „Souvenirs de Florence“.
• 28. September 2008
Aufzeichnung der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern vom 24. 8. 2008 mit der Polnischen Kammerphilharmonie (Leitung: Wojcech Rajski).
Programm:
- Othmar Schoeck, Hornkonzert op.65 (Solistin: Marie Luise Neunecker)
- Johann Nepomuk Hummel, Trompetenkonzert Es-Dur (Solist: Reinhold Friedrich)
- G.Aldema / S.Abir, In Chassidic Mood für Klarinette und Streicherorchester (Solist: Giora Feidman)
- W.A.Mozart, Konzert C-Dur für Flöte, Harfe und Orchester KV 299 (Solisten: Michael Martin Kofler / Flöte; Regine Kofler / Harfe)
• 5. Oktober 2008
Aufzeichnung des Schleswig-Holstein Musik Festivals vom 24. 8. 2008 mit Christian Zacharias (Klavier), Frank Peter Zimmermann (Violine) und Heinrich Schiff (Violoncello).
Programm: Franz Schuberts Klaviertrios B-Dur D 898 und Es-Dur D 929.

3) Hingewiesen sei außerdem darauf, dass NDR Kultur am Sonntag, 21. September 2008 von 16.05 bis 18 Uhr live das von Ingo Metzmacher dirigierte Abschlusskonzert der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern mit Michaela Kaune (Sopran), Jane Irwin (Alt), dem Rundfunkchor Berlin und dem Deutschen Symphonieorchester Berlin sendet.
Programm:
- György Ligeti, Lux aeterna für Chor a cappella
- Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 2 c-Moll (Auferstehung).

Lux

Die vom letzten Konzertprogramm ausgelösten Assoziationen und Gedanken sind vielfältig:

- Am Nachmittag ein Chorwerk, noch dazu ein geistliches und avantgardistisches - hat es das je schon bei NDR Kultur tagsüber gegeben?
- Von dem als „Lichtblick“ gewürdigten Thementag mit dem Beaux Arts Trio schlägt sich ein Bogen zum ewigen Licht (Lux aeterna).
- Wenn im Programm das Fenster geöffnet wird, dringt Licht herein. Dann werden Denken und Handeln durch Erleuchtung motiviert.

Verfasst am 2. September 2008