Praxis von NDR Kultur - Werbung im Programm
NDR Media GmbH: Die Möglichkeit der Promotion im Programm bietet den Kooperationspartnern interessante Plattformen...
Mediakonzepte schaden der wirklichen Kulturinformation
und zerstören die Musikkultur
Konkreter Nachweis über den Ablauf eines Mediakonzeptes
Produkt: "Sucht mein Angesicht" von John Updike (Hörbuch)
Kooperation: NDR und Hoffmann & Campe
In dem Heft Nr. 44 berichtet epd medien vom Justitiar des NDR, Werner Hahn:
Von den Verantwortlichen der NDR-Tochter Studio Hamburg habe er sich jetzt nochmals versichern lassen, so Hahn weiter, dass es dort "solche Vorgänge" wie bei der Bavaria nicht gegeben habe. Um diese im gesamten Sender- und Produktionsverbund in Zukunft zu verhindern, müsse auch am "Klima" in den ARD-Anstalten gearbeitet werden. Ein Klima, das solche Zusatzeinnahmen ("den schnellen Euro") zulasse, müsse geändert werden. Er habe nie verstanden, dass man öffentlich-rechtliche Sender "zu Unternehmen umfunktionieren" wollte. Hahn forderte einen "Mentalitätswechsel". |
Wir wollen im folgenden auf einen Sachverhalt subtiler redaktioneller Produkt-Werbung eingehen, der uns im Programm von NDR Kultur aufgefallen ist.
Seit dem 9. Mai und noch bis zum kommenden Mittwoch läuft in der Sendung "Am Morgen vorgelesen" die Lesung des Romans "Sucht mein Angesicht" von John Updike. Dazu steht unter anderem auf einer Internet-Seite von NDR Kultur:
Sucht mein Angesicht
Roman von John Updike
Gelesen von Nina Petri
Einführungen von Hanjo Kesting
(Sendetermin: 9. Mai bis 15. Juni 2005, 8.30 bis 9.00 Uhr)
In seinem neuen Roman "Sucht mein Angesicht" hat John Updike eine Malerin zur Hauptfigur gemacht. Hope Chafetz heißt die Protagonistin der Geschichte, hinter der man Lee Krasner erkennt, die Ehefrau des genialen Malers Jackson Pollock. Eines Tages erhält sie den Besuch einer jungen Kunsthistorikerin, der sie ein vielstündiges Interview gewährt. Hopes Erinnerungen bilden den Text von Updikes Roman, dem Lebensbericht einer Künstlerin zwischen Anpassung und Emanzipation. Das Buch ist dreierlei zugleich: eine romanhafte Geschichte der neueren amerikanischen Kunst, ein ebenso tiefgründiges wie leichtes Spiel mit den zentralen Fragen des Lebens, nicht zuletzt der Bericht vom Kampf zweier Frauen, einer alten und einer jungen. Auch im neuesten Roman erweist sich Updike als unbestechlicher, amüsanter und ironischer Erzähler.
Die Aufnahme für NDR Kultur entstand Ende 2004/Anfang 2005 im Funkhaus Hannover in der Regie von Ingo Colbow.
Unübersehbar, dass Nina Petri die Leserin ist und dass NDR Kultur die Lesungen produziert hat. Das Buch selbst ist beim Rowohlt-Verlag in Reinbek erschienen, wurde von NDR Kultur in eine andere Kunstgattung übertragen und wird von NDR Kultur den Kulturliebhabern knapp sechs Wochen lang in der beliebten Sendung "Am Morgen vorgelesen" geboten. Für unsere Gebühren. So weit ist nichts daran auszusetzen.
Der Fall hätte uns nicht weiter beschäftigt, wenn wir nicht durch die aufdringliche NDR-Kultur-Eigenwerbung darauf gestoßen wären, die uns vom - eingeschränkten - Musikgenuss abhält. - Werbung macht aufmerksam...
Chronologischer Ablauf - von Anfang an durchgeplant
• Ende 2004/Anfang 2005: Die Aufnahme für NDR Kultur entsteht im Funkhaus Hannover, also schon bevor das Buch auf dem Markt ist
• Januar 2005: Das Buch kommt im Rowohlt-Verlag zum Preis von 19,90 Euro heraus
• 23. Januar 2005: Um 17.30 Uhr wird das Buch auf NDR Kultur als Buch der Woche vorgestellt
• 29. Januar 2005: Im Hamburger Abendblatt erscheint eine Rezension, "Ansonsten ist der Roman grandios."
• 17. Februar 2005: Die Werbung für das Hörbuch beginnt. Der NDR veröffentlicht eine Meldung, bei der man sich fragt, was das eine - "HörKules" - mit dem anderen - "Sucht mein Angesicht" - zu tun hat. Wie dem auch sei: Nina Petri liest mit reichlich Übung aus dem Buch "Sucht mein Angesicht" im Sendegebiet vor, NDR Kultur kann in seiner aktuellen Kulturberichterstattung leibhaftig darüber berichten und das Hörbuch kann erscheinen. Die gleiche Meldung erscheint auch bei www.rostock.infocity.de.
Presse aktuell „HörKules“: Nina Petri liest John Updike in Rostock Termin: Dienstag, 1. März 2005, 20.00 Uhr - Thalia Universitätsbuchhandlung Der "HörKules" ist der Hörbuchpreis des Buchhandels. Er wird am 18. März 2005 während der Leipziger Buchmesse und der ARD-Radionacht der Hörbücher in Leipzig verliehen. Das Publikum wählt und drei Hörbücher stehen in diesem Jahr zur Auswahl: "Loriots Klassiker" mit Evelyn Hamann und Loriot, das Hörspiel "Die Päpstin" von Donna W. Cross mit Angelica Domröse und Hilmar Thate und das Hörspiel "Der Schwarm" nach dem gleichnamigen Roman von Frank Schätzing. Vor der Entscheidung in Leipzig sind diese Hörbücher unterwegs und u.a. in Rostock in Auszügen zu hören. In der Thalia Universitätsbuchhandlung werden sie vorgestellt. Die Schauspielerin Nina Petri wird aus John Updikes Kunst-Roman "Sucht mein Angesicht" lesen, und Vertreter von Hörbuchverlagen und des Buchhandels werden sich zur Rolle und zur stetig wachsenden Bedeutung der Hörbücher befragen lassen. Die Veranstaltung am Dienstag, 1. März 2005 moderiert Ernst-Jürgen Walberg, Kulturchef von NDR 1 Radio MV. Beginn ist 20.00 Uhr. Auszüge werden am 13. März 2005 ab 19.05 Uhr im "Kunstkaten" auf NDR 1 Radio MV zu hören sein - für uns in Mecklenburg-Vorpommern. 17. Februar 2005 | SK |
Einen Hinweis auf die Produktion beim NDR gibt es auf der Seite von Hoffmann und Campe jedoch nicht.
• 5. April 2005: Das Hörbuch "Sucht mein Angesicht" wird um 15.30 Uhr auf NDR Kultur als "Hörprobe" vorgestellt. Oder umgekehrt: Die Hörprobe ist ein Baustein des Mediakonzeptes zur Werbung für das Hörbuch - inmitten einer (eigentlichen) Musiksendung. Der Zufall will es, dass die Initiative Das GANZE Werk gerade an diesem Tag diese Stunde von 15 bis 16 Uhr als Stundenprotokoll veröffentlicht. So ist uns diese Moderation erhalten geblieben.
NDR Kultur, 5. April 2005, 15.30 Hörprobe: "Sucht mein Angesicht" 15.19 Uhr Vorankündigung der Hörprobe Was ist das Schöne an Hörbüchern? Dass man sie im Auto, zu Hause oder auch ganz problemlos in der Bahn hören kann - und gleichzeitig ein Zeitvertreib, der bildet. Neuer Tipp für Ihre Sammlung: "Sucht mein Angesicht" von John Updike. Darin unterhalten sich zwei Frauen über die Kunst der Zwanzigerjahre bis zur Popart. Allerdings geht es auch um Männer - Künstler versteht sich. Seien Sie gespannt auf unseren Hörtipp - hier auf NDR Kultur, gleich um halb Vier. 15.30 Ansage der Hörprobe John Updikes neuer Roman "Sucht mein Angesicht" erzählt die Geschichte der Malerin ... (es folgt der Überleitungstext der Moderatorin) ... ist somit auch ein Dialog für zwei Frauenstimmen und wurde jetzt von NDR Kultur als Hörbuch aufgenommen, gelesen von der Schauspielerin Nina Petri. Holger Schlotter stellt es vor: Hörprobe Misstrauisch, fast ein wenig feindselig sitzt die fast achtzigjährige Hope Chafetz ihrer Besucherin gegenüber. (Es folgt die Buchpräsentation) Und wer genau hinhört, kann auch in deren abgebrühtem New Yorker Bescheidwissen noch den Ausdruck des Neides heraushören auf die bewegende Erlebnisfülle der Älteren. 15.34 Absage der Hörprobe NDR produzierte John Updikes neuesten Roman "Sucht mein Angesicht" als Hörbuch, gelesen von der Schauspielerin Nina Petri - und das Ganze ist erschienen bei Hoffmann & Campe zum Preis von 30 Euro. Neun CDs kosten 30 Euro, und hier bei NDR Kultur wird Nina Petris Lesung von John Updikes "Sucht mein Angesicht" vom 9. bis Mai..., vom 9. Mai bis zum 15. Juni in der Reihe "Am Morgen vorgelesen" zu hören sein: John Updikes "Sucht mein Angesicht" vom 9. Mai bis 15. Juni, hier in unserer Reihe "Am Morgen vorgelesen" - auf NDR Kultur. |
Sucht mein Angesicht Roman von John Updike Gelesen von Nina Petri Einführungen von Hanjo Kesting (Sendetermin: 9. Mai bis 15. Juni 2005, 8.30 bis 9.00 Uhr) In seinem neuen Roman "Sucht mein Angesicht" hat John Updike eine Malerin zur Hauptfigur gemacht. (weiter siehe oben) |
Das Drehbuch dieser Chronologie im O-Ton
Auf der Internet-Seite NDR Media GmbH - Marketing - Lizenzprodukte finden Sie den oberen Ablauf als optimales Mediakonzept wieder. Die einzige Panne war, dass das Hörbuch zur öffentlichen Lesung am 1. März 2005 in Rostock noch nicht fertig war, sondern erst am 8. März 2005 erschien.
Marketing - Lizenzprodukte Über 50 verschiedene Lizenzprodukte pro Jahr, die aus der Zusammenarbeit zwischen Verlagen und NDR MEDIA entstehen, lassen sich mit dem Namen und dem damit verbundenen Image des NDR bestens gemeinsam vermarkten und absetzen. Die Produkte haben immer einen direkten Bezug zu den einzelnen Programmen und ihren Formaten. Beachtliche Erfolge erzielen wir, wenn Verlage schon in der Entwicklung von Büchern, CDs, CD-ROMs und Hörbüchern zu NDR-Produktionen als Lizenznehmer einbezogen werden. Wir entwerfen mit unseren Kooperationspartnern Mediakonzepte für die Produkte, die im Handel erhältlich sind. Als alternativen Vertriebsweg bieten wir den NDR Shop an. Nicht zuletzt die Möglichkeit der On-Air-Promotion im NDR/ARD-Programm bietet den Kooperationspartnern interessante Plattformen für die zielgruppenorientierte Vermarktung des jeweiligen Produktes, sowohl im Sendegebiet des NDR, als auch bundesweit im Verbund der ARD. Jedes Programm kennt seine Zielgruppe und deren Bedürfnisse genau, und unser Ziel ist es, wie bisher, auch in Zukunft neue Print- und Audio-Artikel für die Zuschauer und Hörer des NDR/der ARD zu entwickeln, eigene Marken aufzubauen und diese erfolgreich im Markt zu etablieren. Dafür suchen wir immer wieder neue und innovative Vertriebspartner. |
Sie haben gerade etwas Außergewöhnliches, etwas Sensationelles gelesen: NDR Media GmbH bietet seinen Kooperationspartnern an, sich auf das einzulassen, was bei der Bavaria Film GmbH gerade aufgeflogen ist. Das eben zitierte Konzept gilt sicherlich entsprechend für jede NDR-Medienpartnerschaft.
Das "Mediakonzept" schadet der wirklichen Kulturinformation
Hörfunkdirektor Romann erklärte im KlassikClub Magazin (September 2004): "Verlässlich und kompetent informiert das Kulturprogramm des NDR wie eh und je über alle kulturell bedeutsamen Ereignisse". Aktuelle Kulturberichterstattung, servicefreundlich verpackt. Die tagtägliche Erfahrung mit dem Inhalt widerspricht Romanns Erklärung. Die aktuelle Kulturberichterstattung ist einseitig, hat Schieflage zum NDR. Partnerschaften verpflichten zur Berichterstattung, "Promotion im Programm". Für vieles andere "Bedeutsame" bleibt keine Zeit, zeigt NDR Kultur kein Interesse. Kein Partner - keine Bedeutung. Wo sind die vielen Veranstaltungstipps zwischen 12 und 14 Uhr in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern geblieben? Stattdessen: "Kultur im Norden" (3 lange und 3 kurze Tipps), "Focus Kultur" für Medien- und Kooperationspartner und Einzelmeldungen zwischen den Musikstücken.
Die Wirkung dieser Tipps bleibt dann auch noch zufällig. Hören Sie zum Beispiel gezielt den Trailer "Kultur im Norden"? Wer macht das schon. Es ist halt Werbung, die nicht als solche auffallen darf, sondern im Prinzip in lockerer Folge eingestreut wird. Kulturinformationen werden nicht umfassend an einem festen Sendeplatz geboten. So können Hörer sie nicht gezielt gewinnen. Sie schnappen sie eher nebenbei auf. Wird deswegen das Formatradio als Radio zum Nebenbeihören bezeichnet?
Das "Mediakonzept" schadet der Musikkultur, zerstört sie
Verheerender sind "Promotion im Programm", "Mediakonzepte" für den Inhalt der Sendungen. Sie werden zerstückelt und entstellt. Da die Bausteine der Mediakonzepte (bei NDR Kultur also: die Mediakonzepte für die Kulturveranstaltungen und Kulturprodukte des NDR, der Kooperations- und der Medienpartner) spinnwebartig gleichmäßig über der ganzen Sendefläche verteilt werden, erscheint irgendein Baustein in kurzen, regelmäßigen Abständen inmitten einer Sendung. Zur Abwechslung mal eine Eintrittskarten-Verlosung für...
Mediakonzept-Bausteine und vollständige Kompositionen passen zusammen wie Feuer und Wasser. Das Radioprinzip für die Mediakonzept-Bausteine ist das Formatradio, ist die Musikuhr mit beliebigen kurzen Musiktiteln in einer vorgegebenen Wort- und Werbestruktur. Einfacher ausgedrückt: NDR Kultur kopiert die Erfindung von Klassik Radio, Einzelsätze und Werbung abwechselnd zu senden. Der Unterschied ist nur, dass die Werbung von NDR Kultur nicht direkt, sondern subtil redaktionell ist. Intelligenter, öffentlich-rechtlich. Ebenfalls kommerziell?
Wem nützt das "Mediakonzept"?
Das Hörbuch "Sucht mein Angesicht" ist in der Reihe "NDR Audio" erschienen.
"NDR Audio" ist das in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Verlagshaus Hoffmann und Campe entstandene neue Hörbuch-Label des Norddeutschen Rundfunks. Seit August 2002 sind NDR Audio-CDs in den Regalen des Fachhandels zu finden - und natürlich beim Kultur Club. |
Die produzierte Werbung des Mediakonzepts entfaltet ihre Wirkung zum Beispiel über den Preis eines Produktes, nicht nur bei den oben beschriebenen Situationen, sondern auch bei jeder der 27 Sendungen "Am Morgen vorgelesen" und den Hinweisen vorher bei "Klassisch in den Tag". Und die Moderatorin staunte völlig zurecht: Neun CDs kosten 30 Euro, eine neu-produzierte CD kostet 3,33 Euro. Ein Schnäppchen, jetzt auch im NDR Shop, dem "alternativen Vertriebsweg" erhältlich. Einen günstigeren Preis für eine Hörbuch-CD findet man dort nicht, die weitere Preisreihe lautet: 3,90 - 7,45 - 7,90 - 9,75 - 11,50 - 15,90 - 16,99 - 17,90 und 17,95 Euro.
Wer gibt hier, wer nimmt hier, fragt man sich, der NDR oder Hoffmann und Campe? Die Produktion der 27-teiligen Sendereihe und die 9 CDs fallen im Preis. Jedenfalls haben wir als Gebührenzahler schon einmal das Unsrige dazugegeben.
NDR Shop gehört zur NDR MEDIA GmbH, deren Geschäftsführer sind Lutz Marmor, Dr. Martin Willich und bis vor kurzem Ines Plog (Ines Martina Plog). 1993 kam Ines Plog als Ines Schafmeister zum NDR und wurde Leiterin des ARD-Referats und Leiterin Intendanz / NDR, 1997 wurde sie Prokuristun und 2001 Geschäftsführerin von NDR MEDIA GmbH.
Erwarten Sie noch ein Schlusswort?
Es soll von ihr, von Ines Plog kommen. Am 18. November 2002 - nebenbei bemerkt: kurz vor der Wende von Radio 3 zu NDR Kultur - führte der Marketing-Club Hamburg eine Diskussion zum Thema "TV-PR und Programming statt Product-Placement" durch. Vor dem Hintergrund des aktuellen Marienhof-Skandals ist allein schon der Einführungstext von Klaus-P. Buttgereit zu der Veranstaltung höchst brisant. "Programming lautet das viel diskutierte Zauberwort, eine Kommunikationsform, in der 'Botschaften' transportiert werden und 'platte Schleichwerbung' keinen Platz findet; denn sie entlarvt sofort und führt zum Negativeffekt." Für DIE WELT als Mitveranstalter ein Thema "in einer Grauzone", für Öffentlich-Rechtliche ein Spiel mit den Grenzen des Rechts. Von dieser Veranstaltung berichtet das Hamburger Abendblatt am 20. November 2002 unter anderem:
Diskussion um neue Werbeformen (...) |
Wer kontrolliert die Verträge? Transparenz ist geboten.