Korrespondenz mit NDR Kultur

Teil 1 der dreiteiligen, ironisch gemeinten Kritikreihe „Mein schönstes Hörerlebnis“ mit einer abschließenden offiziellen Information der HTG (Januar/Februar 2004)

Reinbek, 26. Januar 2004

An die Internet-Kontaktecke von NDR Kultur

„Plötzlich tolle Musik in einer tollen Interpretation. Aber weil ja vorher schon ein mündlicher Beitrag war, keine einzige Erklärung.“

„Mein schönstes Hörerlebnis“, Teil 1: Wer hat nun gespielt?

„Alle vier Sätze werden gespielt, großartig!, das kommt ja ach so selten vor.“

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Sehr geehrte Frau Kaiser, sehr geehrte NDR-Kultur-Macher,

in den 80er Jahren war der NDR 3 mein Lieblingssender, jetzt kann ich NDR-Kultur nur noch mit viel Geduld und Toleranz ertragen und schalte ganz oft das Radio auch bald wieder aus.

Das ist sehr ernst gemeint. Ich bin Liebhaber der Alten Musik, mag auch sonst Klassische Musik und freue mich über gute Stücke und gute Interpretationen, so sie denn vorkommen (vielleicht bei jedem 6. Beitrag). Vieles von dem, was Sie senden, erntet bei uns nur Spott und bittere Ironie, nach dem Motto: „Bach, Krach und Albernheiten haben ein Programm - NDR Kultur!“

Und die neue Erkennungsmelodie - die Eskapaden zu Haydns Ackerman-Melodie vorher waren ja schon schlimm genug - plus Logo-Text treibt mich regelrecht auf die Palme. Dieses PC-Machwerk mag zwar eingängig sein, in seiner Penetranz steht es aber für Arroganz schlechthin und für Ignoranz dem Hörer gegenüber.

Ich schreibe aktuell aus folgendem Anlass:

Ich hatte gerade für jemanden ein Spinett transportiert und schalte auf der Rückfahrt im Auto NDR Kultur ein. Ich höre das Ende einer Anekdote zu W.A.Mozart und dann krachlaut und in scheinbarem Barock-Sound Ihre Erkennungsmelodie + Selbstbeweihräucherung („Kultur hat...“). Und, siehe da, plötzlich tolle Musik in einer tollen Interpretation. Aber weil ja vorher schon ein mündlicher Beitrag war, keine einzige Erklärung. Alle vier Sätze werden gespielt, großartig!, das kommt ja ach so selten vor. Ich warte das Ende ab und bin gespannt, was ich da hören durfte und wer es gespielt hat. „Concerto grosso opus 1 Nr. 3 von Francesco Geminiani.“ (vielleicht noch mit Tonartangabe, ich weiß es nicht) entnehme ich den hastigen Worten der Moderatorin. Aber wer hat es gespielt? Nichts dazu, die Kulturmaschine läuft schon weiter... Ein toll platziertes Logo hat also Vorrang vor der Hörerinformation!

Ich sehe im Internet nach, ob da vielleicht etwas steht. Nein, natürlich nicht. Alle Sendungen, die etwas mit „Klassisch...“ zu tun haben, werden nicht mit ihren Musikbeiträgen angekündigt oder dokumentiert. Armer NDR.

Wer hat nun gespielt?

Sehr geehrte Frau Kaiser, sehr geehrte NDR-Kultur-Macher,

ich möchte eine konkrete Antwort auf meine Frage bekommen. Schicken Sie mir keinen
08-15-Text im Stile von FAQs oder „Für alle Anregungen sind wir dankbar.“ So etwas habe ich schon im letzten Jahr bei der damaligen Umstellung bekommen.

Ich schreibe hier nur meine eigene Meinung auf Grund eigener Erfahrungen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich Vorsitzender der Hamburger-Telemann-Gesellschaft bin und überlege, ob wir nicht vielleicht öffentlichkeitswirksam gegen den kulturellen Verfall im Hörfunk vorgehen sollten. Von so vielen Musikliebhabern höre ich, dass sie bitter enttäuscht sind.

Ich habe mir vor kurzem vorgenommen, Ihnen in Zukunft 1 x pro Woche „mein schönstes Hörerlebnis“ (im ironischen Sinn natürlich) zu schildern. Das war ja heute ein schöner Start.

Viele herzliche Grüße,
Ihr
Theodor Clostermann.

PS: Diese Kontaktseite hier ist ja auch so eine Zumutung: Warum nur dieses winzige Texteingabefeld? Warum steht hier keine e-Mail-Adresse? Auf dieser Seite ist doch zum Beispiel noch so viel Platz frei. Vergleiche oben: Arroganz und Ignoranz.

Lesen Sie die anderen Teile der ironisch gemeinten Reihe „Mein schönstes Hörerlebnis“ mit einer abschließenden offiziellen Information der HTG:
Teil 2: Der ganze „moderne“ Schnickschnack drumherum - 2. Reinbek, 10. Februar 2004
Teil 3: Carmen. Auf in den Kampf...? Nein! Erst kommt die nervige Erkennungsmelodie von NDR-Kultur! - Reinbek, 15. Februar 2004
Teil 4: Das ist kein Trompetenkonzert von Telemann - Abschließende offizielle Information der HTG zu einem Fehler im Musikprogramm von NDR Kultur - Reinbek, 16. Februar 2004

Zwei Nachträge zu den folgenden Ereignissen:

1. Michael Schreiber, Musikchef von NDR Kultur, ging in der grundsätzlichen Antwort vom 26. Februar 2004 auf die Reihe „Mein schönstes Hörerlebnis“ mehrfach konkret auf diesen ersten Brief ein: „Arroganz und Ignoranz“, fehlende Informationen zu den Interpreten, „Erkennungsmelodie“ (= „neue akustische Verpackung“) und „PC-Machwerk“ und auf die anderen Briefe nicht.

2. Die weitere Auseinandersetzung mit Herrn Schreiber und Frau Mirow, der Wellenchefin von NDR Kultur, führte zur Resolution „Kritik an NDR Kultur“ der Hamburger Telemann-Gesellschaft (25. April 2004) und zur Gründung des Initiativkreises Das GANZE Werk (15. Juni 2004).