Das GANZE Werk - Presseschau
Hamburger Abendblatt, Ausgabe Ahrensburg, 4. August 2004
...entgegen neuer Radio-Maxime zum Nebenbei- und "Durchhören":
Hindemith-Preisträger zwang zum Zuhören
Von Martina Tabel
Reinbek - Hand aufs Herz: Wer hört einem Musikstück von Anfang bis Ende zu? Wer verfolgt jede Note, ohne abzuschweifen? Komponisten haben es nicht leicht, ungeteiltes Gehör zu finden, zumal zeitgenössische, die sich gegenüber Beethoven und Co ohnehin schwer durchsetzen. Jörn Arnecke (30) hat sich durchgesetzt und nahm mit gewinnendem Lächeln ohne Attitüde im Reinbeker Schloss den Lohn dafür entgegen: den mit 20 000 Euro dotierten Paul Hindemith-Preis.
Flirrende Klänge, quälende, hohe Töne sind nicht jedermanns Sache. Auch die "Inschriften" von Jörn Arnecke haben Ähnliches zu bieten, wie im Reinbeker Schloss zu hören war - bei aller Schräglage der Harmonien vom Mandelring Quartett makellos vorgetragen. Aber das zweite Streichquartett des Preisträgers hat mehr bieten. Und so führte es die Zuhörer über den aus Neugier, Skepsis und Vorurteilen gemischten Zugang zur modernen Musik hinweg: mit einer klaren Struktur, dem unverkrampften Willen, Überkommenes zu überwinden und einer erkennbar eigenen Sprache. Die indes gar nicht so neue Idee, mit Bleistiften auf die Saiten klopfen und über die Instrumente ratschen zu lassen, in diesem Fall, um den Namen der Komposition "Inschriften" sinnfälliger zu machen, war wohl eher eine humoreske Spielerei und nicht ganz ernst zu nehmen.
"Ich fühle mich geehrt, mit Rebecca Saunders, Jörg Widmann und Matthias Pintscher in einer Reihe zu stehen", sagte der Preisträger dieser seit 1990 beim Schleswig-Holstein Musik Festival vergebenen Auszeichnung, ohne kleinen Zettel in der Hand und doch in wohlgesetzten Worten - wie seine Komposition.
Festival-Intendant Rolf Beck wünschte ihm Mut, die mit dem Preis verbundene Herausforderung anzunehmen. Und Prof. Andreas Eckhardt, Präsident der Hindemith-Stifung, zitierte den Namensgeber des Preises, der erst den als Komponisten gelten ließ, der zehn Jahre unbeirrt seine Wege gegangen war.
Für Jörn Arnecke keine so schwer zu erfüllende Auflage. Den ersten Preis gewann er 1997. Seit 2001 lehrt er in Hamburg an der Hochschule. Er schrieb Auftragswerke für die Münchner Biennale, die Expo in Hannover und die Hamburgische Staatsoper und hat dort im April 2005 die nächste Premiere. Schade nur, dass die Verlage noch nicht angebissen hätten, so der Chefdramaturg der Staatsoper, Dr. Christoph Becher. Man merkte ihm die Freude über die Entdeckung dieses Talents an, das entgegen neuer Radio-Maxime die Gäste nicht zum Nebenbei- und "Durchhören" brachte, sondern zum Zuhören zwang.
Siehe auch:
Komponist Jörn Arnecke, Homepage
Festliche Verleihung im Reinbeker Schloss durch Finanzminister Ralf Stegner, Bericht der Glinder Zeitung, 10. August 2004
Laudatio des Chefdramaturgen der Hamburgischen Staatsoper, Dr. Christoph Becher (Ausschnitt)
Komponist Jörn Arnecke erhält den Paul Hindemith-Preis, Meldung von NDR / Kultur