Interview auf NDR Kultur
NDR Kultur, Klassik à la carte, 9. Januar 2008, 13:04 - 14.00 Uhr
NDR Intendant Jobst Plog sagt Adieu
Gespräch mit Beate Scheibe
Ausschnitt zum Thema NDR Kultur
„Die Menschen sind mit uns wieder versöhnt“
(13.34 Uhr)
Beate Scheibe: Wir sprechen über den Kultursender arte - kleiner Schwenk zu den Kulturprogrammen im Radio. Welche Chancen hat Kulturradio? Wie schätzen Sie das ein? Es gab viele Reformen in den Kulturprogrammen der ARD, es gibt sie immer noch. Wie sehen Sie das?
Intendant Prof. Jobst Plog: Nun, wir sind den Weg der Reform gegangen oder mussten ihn gehen, weil wir zunehmend Akzeptanzprobleme hatten. Es waren zu wenig Menschen, die noch einschalteten, und die, die einschalteten, wurden immer älter. Das hat Reformschritte ausgelöst, die uns auch Erfolg gebracht haben. Wir mussten einfach den Hörgewohnheiten der Menschen Rechnung tragen, am Tag verhalten sich Menschen anders als am Abend. Wir mussten also auf diese Gewohnheiten zugehen und ihnen dann auch einzelne Sätze spielen, was viel Kritik ausgelöst hat, wobei die Menschen oft übersehen haben, dass wir abends durchaus das ganze Werk senden und am Tag gelegentlich auch. Also, von daher gesehen, die Kritik war häufig oberflächlich. Wir haben den Kurs durchgehalten, und er war erfolgreich. Was wir außerdem verbessert haben: Ich glaube, die aktuelle Kulturberichterstattung im Wort ist stark ausgebaut worden und ist sehr stark auf den Menschen zugerichtet worden, der am anderen Morgen hören will, was am Abend vorher in der Premiere geschehen ist. Da sind wir viel schneller und besser geworden. Die Menschen sind mit uns wieder versöhnt. Man darf nicht verkennen, die, die dagegen waren, gegen den Reformkurs, sind sehr artikulationsstark gewesen. Ich denke, mancher von ihnen sieht seine damaligen Attacken inzwischen in einem anderen Licht. (13.36 Uhr)
Ausschnitt zum Verhältnis von Qualität und Quote
„Als Unternehmenschef müssen Sie manchmal Korrekturimpulse auslösen“
(13.53 Uhr)
Beate Scheibe: Eiji Oue und NDR Radiophilharmonie mit Joseph Haydn, das war der 1. Satz aus der „Abschiedssinfonie“. Abschied nimmt Jobst Plog vom NDR, und in dieser Stunde ist der Intendant bei uns zu Gast in Klassik à la carte auf NDR Kultur. (...)
(13.55 Uhr)
Beate Scheibe: Was ist, Herr Plog, mit Quote und Qualität bezogen auf das ARD-Programm, löst beides Zufriedenheit bei Ihnen aus?
Intendant Prof. Jobst Plog: Das ist eine Diskussion, die nie abgeschlossen ist. Als wir die Quote vermerkt angesteuert haben, gab es gute Gründe dafür. Das war die Zeit der aufkommenden privaten kommerziellen Konkurrenz. Alle Kurven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gingen von oben links nach unten rechts, das hieß sie fielen, und wir hatten eine breite Debatte, warum zahlen die Menschen eigentlich für Angebote, die sie gar nicht nutzen. Da haben wir vermerkt, dass wir uns ein bisschen auch um diese Akzeptanz kümmern müssen und dass Quotengesichtspunkte für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwas Selbstverständliches sein müssen. Denn hinter der Quote verbergen sich Menschen, die ein Programm hören wollen und es deswegen einschalten oder sehen wollen. Ich glaube, dass es in der Folgezeit, als dieser Gesichtspunkt durchgesetzt war, vielleicht gelegentlich auch zu Übertreibungen gekommen ist und Quotengesichtspunkte andere Debatten verdrängt haben, die man gleichzeitig führen muss. Und es ist die Qualitätsdebatte. Wir müssen versuchen, viele Menschen mit Qualitätsangeboten zu erreichen. Und die Tatsache, dass es viele sind, ist für sich alleine noch keine abschließende Bewertungsmöglichkeit. Also: auch viele Menschen mit Qualitätangeboten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu gewinnen, ist eine fortdauernde Aufgabe. Und als Unternehmenschef müssen Sie manchmal Korrekturimpulse auslösen. Wir haben die letzten zwei Jahre im Hörfunk und im Fernsehen versucht, Profil zu schärfen, und also die Debatte um Qualität wieder anzufachen. Und ich denke, dass uns das gelungen ist. (13.57 Uhr)
(13.59 Uhr)
Beate Scheibe: Vielen Dank, Jobst Plog, für das Gespräch. Ihnen alles Gute für die letzten Tage im NDR und natürlich für alles, was dann folgt. Danke, dass Sie bei uns waren.
Intendant Prof. Jobst Plog: Ich bin sehr gern bei Ihnen.
Quelle im Internet:
http://www1.ndr.de/media/ndr_kultur/klassik10.html, Transskription: Theodor Clostermann
Bericht von NDR Kultur über das Interview: http://www.ndrkultur.de/programm/sendungen/klassik_a_la_carte/studiogastplog2.html
Lesen Sie zum Vergleich:
• Kulturwellenvergleich Nr. 2
Morgenstund' hat Gold im Mund, doch es ist nicht alles Gold, was glänzt
Montag, 18. Juni 2007, 7 bis 8 Uhr
Neun Kulturwellen im Vergleich
• Das Tal der niederen Radiokultur in den nord- und mitteldeutschen Sendegebieten
Mitteilung zum Kulturwellenvergleich Nr. 2
Das GANZE Werk (Nord), 8. Oktober 2007
• Kulturwellenvergleich Nr. 1
Radiokultur in Deutschland zweigeteilt? Kulturwellen im Nord-Süd-Profil
8. August 2006, 15 bis 17 Uhr
Fünf Kulturwellen im Vergleich
• Programmvorschläge der Initiative Das GANZE Werk (Nord)
Beschluss vom 9. April 2006 für die Podiumsdiskussion am 8. Juni 2006 in Hamburg
Nachtrag zum Musikprogramm (als Dokumentation)
Es wurden folgende Musikstücke gesendet:1.: Franz Schubert, 3. Sinfonie, 3. Satz, NDR Sinfonie Orchester, Leitung: Günter Wand
2.: Johann Sebastian Bach, Kantate „Gloria in excelsis“ (laut Musikabsage), Sicut erat in principio, NDR Chor und NDR Radiophilharmonie, Leitung: Hans-Christoph Rademann
3.: Wolfgang Amadeus Mozart, Die Hochzeit des Figaro, Ouvertüre, NDR Sinfonie Orchester, Leitung: Christoph von Dohnányi
4.: Giacomo Puccini, La Bohème, Duett „O soave fanciulla“, Anna Netrebko und Rolando Villazon, Staatskapelle Dresden, Leitung (nicht genannt): Nicola Luisotti
5.: Joseph Haydn, "Abschiedssinfonie", 1. Satz, NDR Radiophilharmonie, Leitung: Eiji Oue
Bis zum Tag der Abfassung dieser Seite (15. Januar 2008) veröffentlicht NDR Kultur im Internet stattdessen die Musikliste vom 7. Januar 2008.