NDR Kultur: Unglaubliches
NDR Kultur, 24. Februar 2006, ca. 8.15 Uhr
Die Hörerin bh schrieb dem GANZEN Werk:
Heute früh sagt der Moderator doch tatsächlich: „Saba ist eine Insel in der Karibik - da wäre man jetzt gern - und deshab hören Sie von Händel die ‚Ankunft der Königin von Saba‘“.
Händel, Georg Friedrich (1685-1759)
Solomon (Oratorium), HWV 67, daraus: Die Ankunft der Königin von Saba (Sinfonia, 3. Akt)
English Chamber Orchestra London, Ltg.: Raymond Leppard
Die Königin von Saba der Karibik
Ein neues Musical auf NDR Kultur...?
Eine bedeutsame Verwechslung logisch zu Ende gedacht
Klar, auf Saba wäre der Moderator jetzt gern: „Die Insel Saba ist heute als touristisches Ziel bekannt, besonders für Taucher und Wanderer“. Und - ebenfalls anregend: „Die wichtigsten Wirtschaftserzeugnisse (waren) Zucker und Rum“. (Wikipedia).
Ja, wenn „Solomon“ doch bloß ein Musical wäre!
Auf der karibischen Insel Saba wäre dann eine Schmetterlingskönigin gekrönt worden, unangefochten wegen ihrer Schönheit und ihres Kostüms. Sie wäre irgendwann vor 1748, der Uraufführung von Händels „Solomon“, in ihrem zuckersüßen luftigen Kleid wie auf Schwingen über den Atlantik und das Mittelmeer nach Jerusalem gesegelt...
Und da diese Königin so überwältigend war, haben sich die Sabäer schließlich ganz - allerdings erst lange nach Händels Zeiten - dem Königtum zugewandt: „Saba wurde 1640 durch die Niederländer kolonialisiert. 1818 nahm Holland Saba in Besitz.“ So hat Saba auch heute im 21. Jahrhundert als Teil der Noch-Immer-Kolonie Niederländische Antillen tatsächlich eine Königin: Königin Beatrix. Der Moderator wird doch wohl nicht gemeint haben, dass statt der Schmetterlingskönigin die jetzige Königin von Saba in Jerusalem einzieht?
Sie sehen: welcher Spur man dem Moderator und seinen Indizien „Karibik“, „Saba“ und „Königin“ auch folgt, man trifft ihn jedes Mal in Absurdistan. „Da wäre (er) jetzt gern?“.
Und wenn „Solomon“ ein Oratorium ist?
Dann beinhaltet es eine biblische Geschichte: „Das Libretto geht in den zentralen Punkten auf Geschichten des alten Testaments zurück, unter anderem auf die Bücher der Könige (1. Kön. 1-11) und der Chronik (2. Chr. 1-9).“ (Zuger Chor „cantori contenti“)
Salomon trifft die Königin von Saba. Relief auf der Kopie der Paradiespforte am Baptisterium San Giovanni in Florenz |
„In schillernden Bildern wird die Königin von Saba im Koran und in der Bibel beschrieben. Doch dass es die sagenumwobene südarabische Herrscherin wirklich gab, ist bis heute wissenschaftlich nicht bewiesen. (...) Das gesamte 1.200 vor Christus gegründete sabäische Reich ist bislang kaum archäologisch erkundet worden. Der Grund: Es liegt im heutigen Jemen, in dem noch immer Entführungen auf der Tagesordnung stehen. Forscher bezahlten ihre Arbeit oft mit ihrem Leben.“ (Teneriffas Neue Presse, 1. Feb. 2006)
Klar, dann lieber Tourismus. „Da wäre man jetzt gern.“ (Moderator)
Hat sich der Moderator im Ort und in der Zeit geirrt?
Macht nichts. Was soll er auch tun,
- wenn NDR Kultur diese Sinfonia nach unseren Unterlagen im Durchschnitt 1x pro Woche spielt,
- wenn Wellenchefin Barbara Mirow Text-Wiederholungen nicht mag, denn „die Moderation darf nicht redundant sein“, und
- wenn Hörfunkdirektor Gernot Romann die Moderatoren zur inhaltlichen Zurückhaltung anweist, denn „sie verzichten bewusst auf akademische Attitüden“?
Dann bleibt nur die verbale Sackgasse. Oder... Vielleicht ein Ausweg? Ja, aber mit Kompetenzüberschreitung - für solche Inspirationen zur schönen Taucher- und Wandererinsel Saba in der Karibik ist doch wohl eher ein Reisebüro zuständig. Oder... Gar ein Irrweg? Auch. Was ist der aus Unkenntnis über Altes Testament und Oratorium gefallene Kalauer sonst?
Noch ein PS gefällig? Wie wäre es mit dem Vorsatz zu den „akademischen Attitüden“ von unserem Hörfunkdirektor?
Wir (haben) bei der Auswahl unserer Moderatorinnen und Moderatoren allerhöchste professionelle Ansprüche gestellt.
Theodor Clostermann, 26./28. Februar 2006