Das GANZE Werk - Presseschau
Zitate:
Was bei NDR Kultur geschieht und nicht geschieht, interessiert mittlerweile republikweit.
Der Programmausschuss des Senders betrachtet die Diskussion über die Reform als „endgültig abgeschlossen“. An einer Überprüfung bestehe „keinerlei Bedarf“. Eine Überprüfung ist aber im Rundfunkstaatsvertrag festgelegt. Farid Müller, der Medien- und Verfassungsexperte der GAL, wies darauf hin, dass die Sender sich den Fragen der Länderparlamente stellen müssen – für den NDR ist es Anfang Juli in Hannover so weit.
Gerhart Baum fasst zusammen: „Ein Motiv für die Reform ist wohl: Alles muss gefallen. Aber es gefällt ja gar nicht!“
Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 10. Juni 2006
Kultur
Diskutiert wird nicht
Wie die Chefs von NDR Kultur einen anregenden Abend verpassten
Von Volker Hagedorn
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Da hätte was aufs Gleis gebracht werden können neben dem Hamburger Hauptbahnhof. Oben in der Akademie der Künste stand ein Durchbruch bevor. Endlich würden weder Kritiker noch Kritisierte bequem unter sich bleiben. Sondern sich zusammensetzen und im öffentlichen Gespräch zum großen Thema Stellung nehmen: Zum reformierten Programm von NDR Kultur.
Aus Regensburg war Theo Geißler angereist, Herausgeber der Neuen Musikzeitung, aus Berlin die Komponistin Juliane Klein, aus Köln der Rechtsanwalt Gerhart R. Baum, ehemaliger Bundesminister des Innern. Denn es sind ja nicht einfach ein paar verstockte norddeutsche Zausel, die ihr Kulturradio gern bloß wie früher hätten. Was bei NDR Kultur geschieht und nicht geschieht, interessiert mittlerweile republikweit. Auch wenn Hörfunkchef Gernot Romann seine Kritiker von der Initiative „Das Ganze Werk“ schon mal als „Kultur-Ayatollahs“ beschimpft hat, an dieser Einladung kam er nicht vorbei. Zum Streitgespräch „NDR Kultur – Wird der Kulturauftrag noch erfüllt?“ sollten und wollten Wellenchefin Barbara Mirow und Michael Plöger von der Programmdirektion kommen. Doch kurzfristig sagten sie ab.
„Natürlich ist das ein absolut schwaches Bild“, meinte Gerhart Baum, hielt sich aber nicht weiter damit auf, sondern erinnerte an Pflichten, denen sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht so leicht entziehen könne wie einer Podiumsdiskussion. Das Bundesverfassungsgericht, so Baum, sieht die Finanzierung durch Gebühren „in der Erbringung von Programmteilen begründet, die unter kommerziellen Bedingungen defizitär bleiben.“ Neben massenattraktiven Sendungen müssten auch „anspruchsvolle kulturelle Sendungen“ produziert werden. Was im Norden aber kaum noch geschieht.
Am Geldmangel liegt es nicht, Funk und Fernsehen könn(t)en sich Qualität leisten. „Mit sieben Milliarden Euro im Jahr haben wir das am höchsten ausgestattete öffentlich-rechtliche System der Welt“, sagte Baum und zitierte den Komponisten Wolfgang Rihm: „Wir zahlen Gebühren für unsere Unterforderung.“ Gemeint ist der Verzicht auf Risiken, Neuigkeiten, Ausführlichkeit, der Verzicht auch auf jene Kompetenz und Kreativität, an der es den Musikern und Redakteuren des Kulturradios selbst gar nicht fehlt. Doch sie haben, sagt der langjährige NDR-Mitarbeiter Jürgen Kesting, Angst.
„Herr Romann“, erklärte Kesting, „mag keine Kammermusik. Also wird morgens keine Kammermusik gespielt.“ Ob das zutrifft oder nicht – was tagsüber durch den Äther kommt, wird vom Mainstream dominiert. Wenn der erste Satz aus Bachs drittem „Brandenburgischen“ in 40 Tagen fünfzehnmal zu hören ist, dann muss man NDR Kultur nicht erst mit dem Deutschlandradio vergleichen, um von spannenderen Angeboten zu träumen. Doch der Programmausschuss des Senders betrachtet die Diskussion über die Reform als „endgültig abgeschlossen“. An einer Überprüfung bestehe „keinerlei Bedarf“.
Eine Überprüfung ist aber im Rundfunkstaatsvertrag festgelegt. Farid Müller, der Medien- und Verfassungsexperte der GAL, wies darauf hin, dass die Sender sich den Fragen der Länderparlamente stellen müssen – für den NDR ist es Anfang Juli in Hannover so weit. Dass unabhängig davon eine Diskussion schlicht untersagt wird, findet die Komponistin Juliane Klein schlicht „totalitär“, und Theo Geißler von der Neuen Musikzeitung pflichtet ihr bei. Er sei nach seinem Engagement für „Das Ganze Werk“ massiv unter Druck gesetzt worden in seiner Funktion als Moderator bei anderen ARD-Hörfunksendern.
Warum nicht diskutieren? Über alles? Schließlich sind auch die Forderungen der Initiative „Das Ganze Werk“ überprüfenswert. Muss es wirklich immer gleich eine komplette Brucknersinfonie sein? Und geht es neben der Musik nicht auch um Texte, Kritiken, Reportagen? So wie jetzt kann es jedenfalls schwerlich weitergehen, selbst für Quotenanbeter. Denn auch stillschweigende Hörer springen ab. In einem Jahr hat NDR Kultur 30.000 von ihnen verloren, die Quote liegt derzeit bei 1,7 Prozent. Gerhart Baum fasst zusammen: „Ein Motiv für die Reform ist wohl: Alles muss gefallen. Aber es gefällt ja gar nicht!“
Lesen Sie zur Podiumsdiskussion in Hamburg auch:
• Peinlicher Rückzug
Wird der Kulturauftrag des NDR damit erfüllt, dass er uns unterfordert?
Leserbrief zu dem Beitrag „Diskutiert wird nicht“ (NDR Kultur) vom 10. Juni 2006
Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 27. Juni 2006
• Erweiterte Pressemitteilung: Absage des NDR zur Podiumsdiskussion in Hamburg/
• Dokumentation der Korrespondenz Das GANZE Werk - NDR
2. Mai 2006: Eindeutige NDR-Zusage
30. Mai 2006, Programmausschuss des NDR: „Diskussion über die Reform von NDR Kultur endgültig abgeschlossen.“
31. Mai 2006, Michael Plöger: „Für eine Diskussion Ihrer ‚Programmvorschläge' stehen weder Frau Mirow noch ich zur Verfügung.“
Nachdem der NDR einen juristischen Einspruch erhoben hatte, stellt der Text in seinem zweiten Teil konkret dar, wie nach unseren Erfahrungen und nach unserem Verständnis der Rückzug des NDR von der Podiumsdiskussion verlaufen ist.
Das GANZE Werk, 11. Juni 2006 (Ersatz der Erkärung vom 8. Juni 2006)
• NDR Kultur: Quote mit „Häppchen ohne Niveau“?
Die Diskutanten waren sich einig: „Der NDR ist dabei, das Kulturradio kulturlos zu machen“ (Geißler)
Hamburger Abendblatt, 10. Juni 2006
Mit einem anschließenden Kommentar:
• Mit dem Hinweis auf das „Hamburger Radio 3-Loch“ entstellt der NDR die tatsächliche Entwicklung
Die Hörerzahlen von NDR Kultur in Hamburg und im ganzen NDR-Sendegebiet zwischen 2002 und 2006 und im letzten Jahr
• NDR verprellt Das GANZE Werk
Über Gründe und Kommunikation des Rückzugs herrschen Uneinigkeit
NDR: Wenn man über die Alternativ-Programmvorschläge des Ganzen Werks diskutiere, sei keine offene Diskussion über die Erfüllung des Kulturauftrags geplant
Das GANZE Werk: Die Alternativ-Programmvorschläge lagen dem NDR schon lange vor. Das Diktum des Programmausschusses ist nicht hinzunehmen, dass die Diskussion über die Reform von NDR Kultur „abgeschlossen“ sei.
die tageszeitung (taz), 9. Juni 2006
• Mehr Hochkultur, bitte!
„Das Ganze Werk“ reitet gegen die Windmühlen öffentlich-rechtlicher Programmgestaltung an
Podiumsdiskussion um 19.30 Uhr in der Freien Akademie der Künste Hamburg
die tageszeitung (taz), 8. Juni 2006
• NDR Kultur - Wird der Kulturauftrag noch erfüllt? - Ein Streitgespräch
Eine Veranstaltung der Initiative das GANZE Werk, 8. Juni 2006, 19.30 Uhr
• Programmvorschläge - Sendeplan von 9 bis 18 Uhr
Ein abwechslungsreiches Programm, das zum Zuhören einlädt - wir erwarten dies für mindestens 4 Stunden, es kann auch länger sein...
Der Sprecherrat des GANZEN Werks, 9. April 2006
• Ideensammlung für ein öffentlich-rechtliches NDR-Kulturprogramm
Erläuterungen zum vorgeschlagenen Sendeplan von 9 bis 18 Uhr
Der Sprecherrat des GANZEN Werks, 9. April 2006
• Längst hat die Jagd nach der Quote die Qualität gefressen
Verantwortlicher qualitativer Mix im Westen und Süden - fader und inkompetent moderierter Mix auf NDR Kultur
Leitartikel zu der Podiumsdiskussion am 8. Juni 2006 in Hamburg