Das GANZE Werk - Presseschau
epd medien Nr. 15, 27. Februar 2006
Ein epd-Interview mit dem
neuen Bavaria-Geschäftsführer Matthias Esche
„Alle haben die Lektion begriffen, es wurde Buße getan. Aber nun soll es auch gut sein, es soll einen Aufbruch geben.“
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Im Gespräch mit Volker Lilienthal (Ausschnitte)
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epd medien: Die Spitzenpositionen in der deutschen Produzentenszene scheinen derzeit der Logik des Spiels „Bäumchen wechsle dich“ zu folgen: Thilo Kleine musste seinen Bavaria-Posten unfreiwillig räumen, damit war der Weg frei für Sie, und in Hamburg bei der Polyphon machten Sie Platz für Hubertus Meyer-Burckhardt. Alles bestens, oder?
Matthias Esche: Zunächst einmal freue ich mich, bei der Bavaria Film angekommen zu sein. Das ist wirklich so. Für die Polyphon in Hamburg konnte ich leider nur zwei Jahre tätig sein, das hatte es bei mir vorher nicht gegeben. Sonst waren es fünf, wenn nicht sogar zehn. Nur zwei Jahre Polyphon: das war nicht so geplant. In Hamburg hatte es sich gut angelassen, wir haben eine wunderbare Zeit verbracht. Es sind erstklassige Produkte entstanden, die sich auch am Markt bewähren. Und trotzdem bin ich glücklich, in der Bavaria angekommen zu sein.
Wie lange schon sind Sie jetzt in München vor Ort?
Am ersten Werktag des neuen Jahres bin ich in München eingetroffen. Ich bin übers Gelände gegangen und habe den Menschen, die ich traf, ein gutes neues Jahr gewünscht. Naturgemäß waren das nicht sehr viele, weil die Bavaria doch nach einem anstrengenden Jahr in einer verdienten Weihnachtspause war.
Konnten Sie sich in knapp zwei Monaten schon einen Überblick über den Zustand der Firma verschaffen? Über das, was zu tun ist?
Ich bin sicherlich noch in der Orientierungsphase. Doch die Aufnahme, die ich von Seiten der Kolleginnen und Kollegen erfahren habe, in der Münchener Zentrale wie in den Tochterfirmen, die ich schon besuchen konnte, war so herzlich, dass ich jedenfalls das Gefühl habe, emotional angekommen zu sein. Natürlich muss ich mich in Details noch einarbeiten. Bei der Größe des Unternehmens und seiner föderalen Struktur, bei der Verschiedenartigkeit der 30 Tochtergesellschaften, die rund um die Bavaria angesiedelt sind, ist das wohl nachvollziehbar.
„Etwas war entsetzlich schief gelaufen“
Welche Post-Affären-Stimmung haben Sie in den Produktionsteams vorgefunden, als Sie von Hamburg nach München kamen?
Die Stimmung, die ich erfühlt und auch in Gesprächen aufgenommen habe, war teilweise Erschöpfung, Verunsicherung, auch ein gewisser Schmerz, doch immer die Einsicht, dass etwas entsetzlich schief gelaufen war, was viele vorher so gar nicht wahrgenommen hatten. Mein Eindruck ist, dass jeder in dieser großen Gruppe - es sind fast 1400 festangestellte Mitarbeiter, was auch die Verantwortung für mich markiert - die Lektion begriffen hat, dass es ein schwerer Fehler war, die Richtlinie der Trennung von Werbung und Programm zu verletzen. Und dass das nicht wieder vorkommen wird. Es ist schon ein GAU für die Bavaria gewesen. Spürbar war aber auch ein Stolz darüber, dass in dieser dunkelsten Phase trotzdem so viel geleistet wurde. Beispielsweise: eine Telenovela so erfolgreich zu stemmen, „Sturm der Liebe“ unter Führung von Bea Schmidt, aber auch ein Reigen von Produktionen, die jetzt für den Grimme-Preis nominiert wurden, und die zwei Silbernen Bären für „Der freie Wille“ und „Requiem“. Beide haben wir im Weltvertrieb, den ersten hat die Colonia Media koproduziert. Alle haben die Lektion begriffen, es wurde Buße getan. Aber nun soll es auch gut sein, es soll einen Aufbruch geben.
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„Generalverdacht gegen jedes Markenzeichen“
Als langjährigem Produzenten war Ihnen die Nebenerwerbsquelle Placement nicht gänzlich unbekannt, nehme ich an. Bei „Samt und Seide“, das Sie als freier Produzent für die ndF realisierten, hatte Ihnen das auftraggebende ZDF zahlende Kunden mitgebracht, die im Programm berücksichtigt werden sollten. Ich nenne nur „Galeria Kaufhof“. Hat sich die frühere Praxis inzwischen gänzlich erledigt?
Ich bin Ihnen durchaus dankbar, dass Sie das Thema noch einmal ansprechen. Sicherlich, es gab Kooperationen. Hier waren Grauzonen entstanden. Auf der einen Seite muss die Lebenswirklichkeit dramaturgisch glaubwürdig abgebildet werden. Das „Traumschiff“ wäre nicht denkbar, wenn es nicht ein Reeder zur Verfügung stellen würde. Das Auftauchen dieses Schiffs im Programm muss nur klar, nachprüfbar und transparent geregelt sein. Genau das ist im ZDF zweifelsfrei gelungen. Hinsichtlich „Samt und Seide“ durfte ich damals als freier Produzent für das ZDF davon ausgehen, dass alles rechtens war. Denn alles entstand im Schulterschluss mit der Redaktion und in Abstimmung mit der zuständigen ZDF-Abteilung. Für mich war entscheidend, dass dramaturgisch wichtige Aufnahmen ohne Kooperation nicht möglich gewesen wären. Man kann ebenso wenig ein Kaufhaus eigens für Dreharbeiten aufbauen wie einen Luxusdampfer vom Stapel lassen. Insofern war für mich die Nutzung eines Augsburger Kaufhauses begründbar und verständlich.
Schwierig wird es auf der anderen Seite, um den Bogen hin zum Sündenfall zu schließen, wenn das dramaturgisch nicht Notwendige kommerziellen Interessen unterworfen wird, und dann noch systematisch durch Einschaltung einer Agentur. Zwischen dem Bavaria-Fall und der früheren ZDF-Praxis gibt es für mich gravierende Unterschiede. Mit dem ZDF war damals immer alles abgestimmt, auch dramaturgisch. Dennoch hat das ZDF schon 2004 - um Grauzonen zu vermeiden - Konsequenzen gezogen und verzichtet nach meinem Kenntnisstand heute auf Kooperationen dieser Art im Programmbereich.
Und dann kam „Marienhof“, spitzte die Aufmerksamkeit auch des breiten Publikums an. Wird inzwischen übertrieben in der Jagd auf Schleichwerbung?
Was wir im Moment erleben, ist ein Generalverdacht gegen jedes Markenzeichen im Film. Jüngst wurde ich angerufen: In „Alle meine Töchter“ war auf einem vorfahrenden Taxi eine Lidl-Werbung entdeckt worden. Wir haben das nachgeprüft. Es war wirklich der reine Zufall, für uns gehörte das zur Lebenswirklichkeit, es war nicht extra montiert. Entscheidend in der Abgrenzung zum verbotenen Placement ist doch der Vorsatz: dass man etwas bewusst gestaltet und dafür Geld nimmt. Wenn ich heute „M.E.T.R.O.“ sehe, eine Polyphon-Arbeit für das ZDF, entdecke ich plötzlich mit Schrecken: Mein Gott, da fährt ja ein Lastwagen mit Coca-Cola-Werbung durchs Bild. Man ist so sensibilisiert! Die Verunsicherung ist so groß, dass es teilweise zu hysterischen Auswüchsen führt. Auch das muss man mal sagen. Wir müssen zu einem vernünftigen Maß zurückkehren. Die Trennungsrichtlinien werden eingehalten. Aber die Lebenswirklichkeit Deutschlands muss abgebildet werden können.
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ursprüngliche Quelle: http://www.epd.de/medien/ medien_index_40090.html (9 Seiten)
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