Das GANZE Werk - Presseschau

Konferenz der Landesmusikräte und Präsidium des Deutschen Musikrats
Offener Brief an die Abgeordneten der Europäischen Union, 16. Februar 2006

Zitat:
Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem sieht die „besondere Eigenart“ des Rundfunks, „namentlich seine Finanzierung durch Gebühren“, in der Erbringung von Programmteilen begründet, die unter kommerziellen Bedingungen defizitär bleiben.

Vorbemerkung der Redaktion Das GANZE Werk:
Der Präsident des Landesmusikrats NRW, Prof. Dr. Werner Lohmann, hat den auf dieser Seite dokumentierten „Offenen Brief“ an alle Intendanten der ARD geschickt. In dem Begleitschreiben heißt es unter anderem: „(Er) resultiert aus unserer großen Sorge darüber, dass das Kulturradio-Konzept, das in NRW weiterhin vertreten wird, in anderen Sendeanstalten nach unserer Beobachtung eine aus unserer Sicht nicht hinnehmbare Aufweichung zugunsten eines „Klassik-Radios“ erfährt und wir damit den öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht mehr gewährleistet sehen.“

Brief im Original (Pdf - speichern/drucken)

Offener Brief der Konferenz der Landesmusikräte und des Präsidiums des Deutschen Musikrats an die Abgeordneten der Europäischen Union

Mit Sorge verfolgen die Konferenz der Landesmusikräte und das Präsidium des Deutschen Musikrats die zunehmende Tendenz insbesondere der Europäischen Kommission, Rundfunk vornehmlich als Wirtschaftsgut zu betrachten und seine kulturelle und gesellschaftliche Funktion zu vernachlässigen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland steht in einer besonderen Verantwortung gegenüber dem Kulturleben und befriedigt die kulturellen Bedürfnisse auch von Minderheiten der Gesellschaft. (Vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission vom Mai 2005.)

Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem sieht die „besondere Eigenart“ des Rundfunks, „namentlich seine Finanzierung durch Gebühren“, in der Erbringung von Programmteilen begründet, die unter kommerziellen Bedingungen defizitär bleiben. Die Rechtfertigung dieses Systems besteht darin, „dass er neben massenattraktiven Sendungen auch anspruchsvolle kulturelle Sendungen“ mit „hohem Kostenaufwand“ produziert und sendet, „die nur für eine geringe Zahl von Teilnehmern von Interesse sind“. Die Konferenz der Landesmusikräte und das Präsidium des Deutschen Musikrats treten für das Bewahren dieser Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ein.

Die Konferenz der Landesmusikräte und das Präsidium des Deutschen Musikrats sprechen sich vor diesem Hintergrund ausdrücklich dafür aus, den audiovisuellen Sektor in Hinsicht seiner kulturellen Aufgaben vom Anwendungsbereich der geplanten Dienstleistungsrichtlinien auszunehmen. Konferenz und Präsidium unterstreichen vor diesem Hintergrund insbesondere die Notwendigkeit von Must-Carry-Verpflichtungen im Hinblick auf digitale Netze. Sie verweisen nachdrücklich darauf, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der digitalen Welt insbesondere auch alle erforderlichen terrestrischen Frequenzen für die Erfüllung des Rundfunkauftrags zur Verfügung stehen müssen.

Michaelstein, 16. Februar 2006

Der Hintergrund:
Die Forderung des Bayerischen Musikrates, die UKW-Sendefrequenzen für das Programm Bayern4Klassik zu erhalten, wird von den Landesmusikräten der 15 weiteren Bundesländer unterstützt. Bei der Konferenz der Landesmusikräte in Michaelstein (Sachsen-Anhalt) wurde eine entsprechende Resolution verabschiedet, wonach der Zugang zu den Hörfunkprogrammen mit klassischer Musik ohne technische Erschwernisse allen Bevölkerungsschichten auch weiterhin möglich sein muss. „Die terrestrische Empfangsmöglichkeit dieser Programme ist daher unverzichtbar“, heißt es in der Resolution der Musikräte.
Bayerischer Musikrat e.V., 21. Februar 2006

Lesen Sie das Begleitschreiben:

Brief an die ARD-Intendanten zu einem Offenen Brief an die Abgeordneten der EU
„Große Sorge“, dass das Kulturradio-Konzept verschiedener Sendeanstalten „eine nicht hinnehmbare Aufweichung zugunsten eines ‚Klassik-Radios‘ erfährt“
„Damit (sehen wir) den öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht mehr gewährleistet“
Der Präsident des Landesmusikrats NRW, 9. März 2006

Gehen Sie
• zur Seite Bayern (BR) des neuen Bereichs Themen (Meldungen aus dem Jahr 2006, d.h. von Nr. 428 bis Nr. 579) bzw.
• zur ursprünglichen Übersichtsseite Rettet „Bayern 4 Klassik“ auf UKW und im Kabel

Lesen Sie außerdem zum öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag und zur EU:

Antwort der Intendantin des RBB
auf den Offenen Brief von Gerhart Baum (28. März 2006)

in einer Gegenüberstellung mit dem Brief von Gerhart Baum und mit Hintergrundinformationen
abschließend mit einem Kommentar von Theodor Clostermann in der Form eines Zwiegesprächs: „Rosinenpickerei und Eigenlob - aber keine grundsätzlichen ‚Fakten‘“
Zur Vorbereitung einer Podiumsdiskussion am 22. Juni 2006 in Berlin zum Thema:
„rbb kulturradio - Wird der Kulturauftrag noch erfüllt? - Ein Streitgespräch“
Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), 12. April 2006

Offener Brief an die Intendantin des RBB
Aufruf zur Stärkung des Kulturauftrags des öffentlich-rechtlichen Hörfunks - Karlsruhe und Brüssel müssen eingeschaltet werden
Wenn die Sender auf Rechten bestehen - und ich kann durchaus nachvollziehen, dass sie sich an Karlsruhe wenden - müssen sie auch ihre Pflichten erfüllen.
Gerhart Baum, 28. März 2006, Erstveröffentlichung beim GANZEN Werk

Radio ohne Kultur
Gerhart Baums Kritik am Rundfunk
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Januar 2006

Aushöhlung des Kulturauftrags durch Programme der so genannten Kulturradios
Die vollständige Pressemeldung von Gerhart Baum zum Kulturradio
Gerhart Baum, 10. Januar 2006, Erstveröffentlichung beim GANZEN Werk

Auftrag, nicht Wohltat - Öffentlicher Rundfunk und Neue Musik
Grundsätzliches zum Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, dass die „besondere Eigenart“ des öffentlichen Rundfunks erst durch die Erbringung solcher Programmteile „ihre Rechtfertigung“ findet, die unter kommerziellen Bedingungen notwendig defizitär bleiben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. März 2005