Das GANZE Werk - Presseschau

dpa/Märkische Oderzeitung, 28. Februar 2005

Gewandhauskapellmeister fordert mehr Klassik im Rundfunk

Klassik werde häufig ins Nachtprogramm abgeschoben.
"Da müssen wir uns hier zu Lande, aber auch in vielen benachbarten EU-Ländern, schämen."

Tokio/Leipzig (dpa) Der scheidende Leipziger Gewandhauskapellmeister Herbert Blomstedt hat einen höheren Stellenwert für die klassische Musik in den Radio- und Fernsehprogrammen gefordert. "Viele öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten kommen derzeit ihrem Kultur- und Bildungsauftrag nur unzureichend nach", sagte der 77-jährige Dirigent während der Fernosttournee des Gewandhausorchesters der dpa in Tokio.

In Japan würden klassische Konzerte oft live im Fernsehen übertragen sowie ausführlich von Kritikern besprochen, sagte Blomstedt, der auch Ehrendirigent des NHK Symphony Orchestra Tokyo ist. Jugendliche würden auf diese Weise an die ernste Musik herangeführt. Anders sei die Situation in der Bundesrepublik. "Das Fernsehen ist nicht nur dazu da, den Menschen zu geben, was sie wollen, sondern auch, was sie brauchen", sagte Blomstedt. Abgesehen von einzelnen Spartensendern werde Klassik häufig ins Nachtprogramm abgeschoben. "Da müssen wir uns hier zu Lande, aber auch in vielen benachbarten EU-Ländern, schämen."

Eine gesetzlich festgelegte Quote für Werke von Beethoven, Brahms und anderen Komponisten hält Blomstedt aber für falsch. "Statistische Vorgaben wären beschämend. Kultur ist ein Muss in unserer Gesellschaft. Ohne Kultur wären wir keine vollwertigen Menschen mehr", sagte der noch bis August amtierende Gewandhauskapellmeister. Dann übergibt er sein Amt an den Italiener Riccardo Chailly, der auch Generalmusikdirektor der Oper Leipzig wird. Das älteste bürgerliche Orchester Deutschlands und wohl größte Berufsorchester der Welt ist noch bis Freitag auf Tournee durch Japan und Taiwan.

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