Das GANZE Werk - Presseschau
Frankfurter Rundschau, 10. Dezember 2004
Ein Artikel mit Varianten, Romann-bedingt
Kultur-Ayatollahs und Manipulateure
Zwischen Hörern und Machern von NDR Kultur ist ein Streit um die Programmreform ausgebrochen
Von Jörn Breiholz
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Mit vielen Kopfhörern könnte man viele Programme hören. Schwierig wird es, wenn alle dasselbe hören - aber Unterschiedliches erwarten. (dpa) |
Die tausend Mitglieder, die Clostermanns im Juni gegründeter Initiative "Das ganze Werk" inzwischen beigetreten sind, wollen, dass NDR Kultur täglich zwischen sechs und 19 Uhr mindestens vier Stunden Musiksendungen mit ganzen Werken spielt und nicht nur einzelne Sätze. Es müsse Zeiten der Ruhe und der Musik im Hörfunk geben, sagt Clostermann. Seit der Programmreform bei NDR Kultur habe sich aber vieles zum Schlechten verändert, die Wortbeiträge in Sachen Kultur seien gerade mal noch zweieinhalb Minuten lang, Musikstücke würden nicht immer ordentlich samt Werkverzeichnisnummer und Tonart angesagt, und überhaupt habe sich die Unkultur des Musikteppichs nun auch über NDR Kultur gelegt. Inzwischen könne er den Sender kaum noch hören: "Das kann man einfach nicht mehr ertragen."
Wachsender Zuspruch
Das sieht Gernot Romann, Programmdirektor Hörfunk des NDR, naturgemäß anders. Romann zitiert Zahlen. Kleine Zahlen, aber immerhin solche, die steigen. Nach deutlichen Hörerverlusten in den Jahren 2001 und 2002 zeige der Trend seit der Programmreform Anfang 2003 wieder eindeutig nach vorne: 1,8 Prozent Höreranteil habe NDR Kultur im gesamten Sendegebiet inzwischen gegenüber 1,2 Prozent bei der ersten Media-Analyse 2003. In Hamburg habe man die Anzahl der Hörer sogar vervierfacht: von ursprünglich 7 000 auf 28 000. Und in Schleswig-Holstein liege NDR Kultur erstmals seit drei Jahren wieder vor dem privaten Mitbewerber Klassikradio.
So richtig viel ist das immer noch nicht, und ob die Redaktion am Ende ausreichend Erfolg haben wird, muss sich zeigen. Aber es gehe schließlich darum, möglichst viele Hörer zu erreichen. "Ansonsten entfällt die Legitimation, auch für einen öffentlich-rechtlichen Sender", sagt der Hörfunkdirektor, in dessen Amtszeit das - erfolgreiche - Jugendradio N-Joy etabliert und NDR 4 zu einem Informationsradio umgebaut wurde. Nun bei NDR Kultur das Rad wieder zurückdrehen, wäre für Romann der falsche Schritt.
Zumal es sich bei Theodor Clostermann um einen Außenseiter handele. Permanent würden er und seine Redaktion von Clostermann belästigt. Das gehe soweit, dass man bisweilen auch abends und nachts Drohanrufe bekomme. Da wolle mancher Reformkritiker den Hörfunkdirektor auch schon mal am "höchsten Mast baumeln sehen", sagt Romann und hält es daher auch für gerechtfertigt, Clostermann als "Kultur-Ayatollah" zu bezeichnen. Der hingegen wirft dem NDR-Hörfunkdirektor vor, sich vor der Diskussion mit ihm drücken zu wollen. Romann betreibe Effekthascherei, verdrehe Argumente und überhaupt: "Der manipuliert und verdreht Tatsachen."
So sammelt der eine weiterhin fleißig Unterstützer per Internet, und der andere blockt seinen Kritiker ab. "Und wenn Herr Clostermann drei Millionen Unterschriften sammelt, werden wir auf unsere Programmautonomie nicht verzichten", sagt Hörfunkdirektor Romann. "Ich werde solange sammeln, bis unsere Forderungen durchgesetzt sind", sagt Hörer Clostermann. Er wünscht sich, dass er so nicht nur Altes bewahren, sondern Trendsetter werden kann. "Die Hörer und Zuschauer der Öffentlich-Rechtlichen müssten viel mehr Druck machen, schließlich zahlen sie für die Programme."
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PS: In der Montagsausgabe der Frankfurter Rundschau, am 13. Dezember 2004, erfolgte eine Berichtigung der FR zu diesem Artikel in zwei Punkten. Diese Berichtigung steht unter der folgenden Erklärung.
Persönliche Erklärung
Herr Romann kann es noch nicht einmal lassen, mit freien Erfindungen persönliche Angriffe gegen meine Person zu führen. Es ist mal wieder ein schönes Beispiel der Manipulation, dieses Mal gegenüber den Leserinnen und Lesern der Frankfurter Rundschau.
Zumal es sich bei Theodor Clostermann um einen Außenseiter handele. Permanent würden er und seine Redaktion von Clostermann belästigt. Das gehe soweit, dass man bisweilen auch abends und nachts Drohanrufe bekomme. Da wolle mancher Reformkritiker den Hörfunkdirektor auch schon mal am "höchsten Mast baumeln sehen", sagt Romann und hält es daher auch für gerechtfertigt, Clostermann als "Kultur-Ayatollah" zu bezeichnen.
Ich erkläre hiermit öffentlich:
Bisher habe ich drei Telefongespräche mit dem Büro von Herrn Romann geführt. Jedes Mal ging es darum, ob der NDR überhaupt noch an seinem Angebot festhält, eine Diskussionsrunde mit der Hamburger Telemann-Gesellschaft durchzuführen. Das war am 7. Oktober 2004 um 17 Uhr, am Tag, als er seinen mysteriösen Artikel in der WELT platzierte. Danach habe ich noch ein zweites und ein drittes Mal in derselben Angelegenheit mit seinem Büro telefoniert, und zwar am 25. November 2004 um 16 Uhr und am 26. November 2004 um 14.30 Uhr. Alle drei Anrufe sind auf dieser Homepage dokumentiert.
Mir ist nicht bekannt, wer in seiner Redaktion arbeitet, ich habe auch nie mit seiner Redaktion telefoniert.
Von Drohungen ist mir überhaupt nichts bekannt. Sollte es sie wirklich gegeben haben, könnte man mich dafür nicht verantwortlich machen. Herr Romann wird ja wohl nicht den folgenden Brief eines Hörerehepaares an den NDR meinen:
Übrigens: "DIE ZEIT" forderte zum Jahreswechsel 2003/2004 für Programm-Macher von Kultursendungen die Prügel- bzw. Haftstrafe. Wir fordern: Beides!!! Sie sehen, wir sind mehr als zornig und wütend!
Frau Mirow hat hier schon juristische Schritte angedroht, obwohl das Ehepaar nur Zitate aus der ZEIT NR. 2/2004 zugespitzt formuliert hat:
2004 - Was wir uns wünschen:
Dass die Rundfunk-Gebühren nach Verbrauch erhoben werden, wie Strom und Wasser.
Die Einführung der Prügelstrafe für die Betreiber so genannter Klassik-Radios.
Zehn Jahre Haft für alle Betreiber von Klassik-Radios (das wäre eine Alternative zur Prügelstrafe, siehe oben).
Das ist die schärfste Kritik, die mir bekannt ist. Einen solchen Text würde ich selbst nicht verfassen.
Mit vielfältigen ruppigen Methoden versucht Herr Romann sein 100-prozentiges, kompromissloses Konzept der Kulturverflachung von 6 bis 19 Uhr durchzusetzen. Es handelt sich um ein einseitiges Diktat des Hörfunkdirektors gegen viele Beschäftigte von NDR Kultur und gegen eine breite Hörerschaft. Dazu missbraucht er auch noch den Begriff der "Programmautonomie", die geschaffen wurde zum Schutz der Bürger vor einem Staatsrundfunk.
Dagegen ist der Widerstand, der von Chören und Orchestern in Norddeutschland wesentlich getragen wird, nur zu berechtigt. Er manifestiert sich in tausenden von Briefen und KlassikClub-Austritten und in der Initiative Das GANZE Werk. Mit einem organisierten und dazu auch noch hartnäckigen Widerstand hat der Hörfunkdirektor offensichtlich nicht gerechnet. Vielleicht ist es dieser Widerstand, der ihn "permanent belästigt" und ihm keine Ruhe lässt? Den muss er aber als verantwortlicher Hörfunkdirektor einer öffentlich-rechtlichen Anstalt ertragen können.
"Kultur-Ayatollah" - seit September gibt es schon in Norddeutschland eine heftige Debatte über diese üble Wortschöpfung von Herrn Romann. Was von der gezielten Beleidigung des Initiators und Sprechers des GANZEN Werkes als "Kultur-Ayatollah" zu halten ist, mögen andere beurteilen. Ich werde beim Programmausschuss des NDR dagegen Beschwerde einlegen.
Reinbek, 10. Dezember 2004
gez. Theodor Clostermann
Sprecher der Initiative Das GANZE Werk und Vorsitzender der Hamburger Telemann-Gesellschaft
PS: Beachten Sie bitte die weitere Erklärung nach der folgenden Berichtigung der Frankfurter Rundschau vom 13. Dezember 2004
BERICHTIGUNG
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In dem Text "Kultur-Ayatollahs und Manipulateure" (FR vom 10. Dezember) haben sich zwei missverständliche Formulierungen eingeschlichen. Zum einen wurde nahe gelegt, dass NDR-Hörfunkdirektor Gernot Romann vom prominentesten Kritiker des Programms NDR Kultur, Theodor Clostermann, "abends und nachts Drohanrufe bekomme". Romann hatte dagegen die Anrufe nicht Clostermann, sondern "anonymen Gegnern" der Programmreform zugeschrieben.
Weiter hieß es, Romann halte es für gerechtfertigt, Clostermann als "Kultur-Ayatollah" zu bezeichnen. Romann hatte demgegenüber lediglich gesagt, es sei gerechtfertigt, "in diesem Zusammenhang von Kultur-Ayatollahs zu sprechen". Wir bitten um Entschuldigung. fr
Frankfurter Rundschau, 13. Dezember 2004
Persönliche Erklärung von Theodor Clostermann
Mit diesem neuen Sachverhalt liegt keine Beleidigung mehr gegen mich vor. Damit entfällt die am 10. Dezember angekündigte Beschwerde beim Programmausschuss zu diesem Punkt.
Reinbek, 13. Dezember 2004
Leserbrief
Lesen Sie zu dem FR-Artikel den Leserbrief von Heinz Brummer, Dortmund
Oase in der Wüste
Ich hoffe auf Zeichen und Wunder, denn ich würde sehr gerne wieder - wie in alten Zeiten - mehr NDR hören.
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