Das GANZE Werk

7. Oktober 2004
Presseerklärung der Hamburger Telemann-Gesellschaft

Wir fragen den NDR:
Wann gibt es denn die Diskussionsrunde bei NDR Kultur?

Die Rechnung, der Hamburger Telemann-Gesellschaft eine Absage zu entlocken, ist nicht aufgegangen.
- Eine kulturpolitische Fallstudie -

In der Absage des Intendanten des NDR, Professor Jobst Plog, vom 25. Mai 2004 zu der Veranstaltung der Hamburger Telemann-Gesellschaft e.V. am 15. Juni 2004 mit dem Titel "Kritik an NDR Kultur" hatte er angekündigt:

Am 2. Juni 2004 schrieb Frau Mirow dann an die Hamburger Telemann-Gesellschaft e.V.:

Die Hamburger Telemann-Gesellschaft e.V. hat sich für diese Einladung bedankt und schrieb in ihrem ersten Brief vom 6. Juni 2004:

In dieser ersten Phase, die bis Anfang Juli 2004 dauerte, versuchte die Hamburger Telemann-Gesellschaft mit verschiedenen Vorschlägen (Live-Sendung - siehe Zitat, außerdem: Aufnahme unter Live-Bedingungen oder eigene Anwesenheit während der Produktion), eine einseitige Bearbeitung des Aufnahmematerials durch NDR Kultur zu verhindern oder einzuschränken. Frau Mirow ließ sich auf keinen einzigen Vorschlag ein und beendete diese Phase am 5. Juli 2004 mit der kategorischen Feststellung:

Daraufhin hat die Hamburger Telemann-Gesellschaft die Aufnahme- und Sendebedingungen akzeptiert.

In der zweiten Phase verhandelten NDR Kultur und die Hamburger Telemann-Gesellschaft über die Besetzung der Diskussionsrunde. Mit dem Hinweis auf die Plural-Formulierung von Intendant Prof. Plog

benannte die Hamburger Telemann-Gesellschaft als Gegengewicht zum Moderator vom NDR Fernsehen, zur Wellenchefin von NDR Kultur und zu - von NDR Kultur benannt - Prof. Rauhe am 17. Juli 2004 drei Teilnehmer:

Diesen Vorschlag wies Frau Mirow am 21. Juli 2004 zurück:

Im weiteren Verlauf ging es um die Frage, ob die Runde aus 5 bzw. vielleicht 3 Teilnehmern (so die Hamburger Telemann-Gesellschaft) oder wie von Frau Mirow im Juni angekündigt aus 4 Teilnehmern (Sichtweise des NDR) bestehen solle. Die Hamburger Telemann-Gesellschaft ist der Meinung,

Der NDR vertrat die Meinung,

Diese Phase beendete Herr Nitz am 6. August 2004 mit der telefonischen Mitteilung, dass der NDR bei seiner Position bleibe, dass der Programmdirektor Hörfunk, Herr Gernot Romann, dieses entschieden habe und sich dabei mit dem Intendanten abgesprochen habe. Der NDR hat in dieser ganzen Phase eine schriftliche Festlegung ausdrücklich abgelehnt. Die Hamburger Telemann-Gesellschaft hat den Vorgang in einem Brief an Frau Mirow vom 15. August dokumentiert und angekündigt, dass sie sich nun an den Vorsitzenden des Rundfunkrates, Herrn Dr. Kutz in Rostock wenden werde.

In einer dritten Phase von Ende August bis zum 22. September 2004 sollte ein Sondierungsgespräch mit Herrn Romann über eine mögliche Dreier-Runde stattfinden. Nach der Olympiade war Herr Romann bei zwei möglichen Terminen nicht anwesend, beim dritten nicht wirklich ansprechbar und erst am 22. September 2004 zu einem Telefongespräch bereit. Er ließ in der Frage der Zusammensetzung der Diskussionsrunde überhaupt nicht mit sich reden. Zwischendurch fand am 8. September 2004 die Veranstaltung in Hannover statt, auf der die Hamburger Telemann-Gesellschaft nachweislich die Diskussionsrunde ankündigen wollte - was dann aber noch nicht möglich war - und auf der jedoch das Gespräch mit Herrn Plöger aus der Abteilung von Herrn Romann stattfand (siehe neue musikzeitung Nr. 10/2004, S. 14). Der NDR war also zu jeder Zeit über den Stand der Gespräche informiert.

Die vierte Phase ist eine Zeit des Schweigens und Wartens. Nach dem Scheitern des Sondierungsgesprächs nahm die Hamburger Telemann-Gesellschaft gleich am 23. September den Kontakt zu NDR Kultur erst telefonisch und am 29. September 2004 auch schriftlich wieder auf und teilte mit, dass sie nur einen Teilnehmer benenne.

Am 30. September 2004 - es war dies die erste offizielle Reaktion des NDR nach 7 Tagen (!) - ließ Herr Nitz durch eine Mitarbeiterin mitteilen, dass

werde. Bis heute, 7. Oktober 2004, ist der NDR mit seiner Prüfung nicht fertig, um 17 Uhr verlautet aus dem Vorzimmer von Herrn Romann:

Obwohl am Ende alle Bedingungen der NDR-Kultur-Einladung von der Hamburger Telemann-Gesellschaft akzeptiert worden sind, ist NDR Kultur seit 14 Tagen immer noch untätig.

Eine Verhandlungsseite ist Gastgeber und verfügt allein über die Produktionsbedingungen, setzt auf dieser Grundlage alle ihre Bedingungen durch. Anschließend bleibt sie untätig und grübelt - wo bleibt da die Logik?

Es besteht der dringende Verdacht, dass das Angebot von Anfang an nicht ernsthaft war und absichtlich harte Bedingungen für die Hamburger Telemann-Gesellschaft enthielt. Der NDR rechnete wohl mit der Befürchtung der Hamburger Telemann-Gesellschaft, unter diesen Bedingungen hilflos vorgeführt zu werden. Ziel war es wohl, die Hamburger Telemann-Gesellschaft zu einer Absage zu treiben, um dann mit der Behauptung auftrumpfen zu können, die Telemann-Gesellschaft wolle ja gar keine Diskussion.

Diesen Gedankengang hat Herr Romann sogar schon preisgegeben. In einem Telefon-Gespräch mit einem Mitglied des Landesmusikrates Schleswig-Holstein schilderte er dieses Szenario bereits als vollendete Tatsache:

obwohl er mir persönlich am gleichen Tag in einen Brief schrieb:

Wie auch immer, bei der Initiative für ein besseres Musikprogramm von NDR Kultur haben wir uns von dem Prinzip leiten lassen, dass man auch aus einer bescheidenen Position heraus Größeres bewirken kann - in unserem Fall sowohl mit der Resolution als auch mit der Diskussionsrunde im Rundfunk. Die bisherigen Erfolge geben uns recht: der NDR kann jetzt nicht mehr wie zu Beginn die Hamburger Telemann-Gesellschaft als unbedeutend kleinreden, sondern muss sie und die Initiative "Das GANZE Werk" mit ihren ca. 600 Mitgliedern respektieren.

Der Vorgang zeigt - wenigstens bisher - dass es vielmehr der NDR ist, der offenbar diese sachliche Auseinandersetzung öffentlich nicht oder nicht korrekt führen will.

Der Artikel von Herrn Romann "Ein Radioprogramm ist kein Konzertsaal" ist bislang der einzige programmatische Beitrag des NDR zur aktuellen Diskussion. Die zweite Fassung für den NDR KlassikClub ist eine Überarbeitung des WELT-Artikels, die Formulierungen sind also verbindlich. Mit Romanns Polemik gegen "Geschmackspolizisten" und "selbsternannte Kulturajatollahs" ist gleichwohl niemandem gedient. Mit seinem selbstgefälligen Verweis aber auf Lessing und die Toleranz hat Herr Romann freilich "den Bock zum Gärtner gemacht". Diese Polemik

Die heftigen Reaktionen, die seine verbale Vollkost ausgelöst hat, beweisen es. Und im Programm von NDR Kultur von 6 bis 19 Uhr bleibt weiterhin angesagt: musikalische, kulturelle Magerkost.

Ein Riese trampelt über kulturelles Gelände und hat es auf einmal mit hartnäckigen kleinen Zwergen zu tun. Er fasste den Plan, ihnen eine Falle zu stellen. Und dachte sich dabei: "Sie werden nicht lange durchhalten". Weit gefehlt.

Nun steht er da, der Riese, die Anerkennung ist hin - ein Blick in die Presse beweist es. Jetzt muss er grübeln.

Wir hoffen nur, dass etwas Vernünftiges dabei herauskommt,

Reinbek, 7. Oktober 2004

Theodor Clostermann, Vorsitzender der Hamburger Telemann-Gesellschaft e.V.
- Gesellschaft für Kulturgeschichte Hamburgs im 18. Jahrhundert -
unter Mitwirkung weiterer Vorstandsmitglieder

PS:
Aus dem Brief vom 30. Mai 2004 an den NDR-Intendanten, Prof. Jobst Plog

... auch noch so kleine Zwerge können sehr wirkungsvoll sein
Georg Philipp Telemann, Lilliputsche Chaconne aus der Gulliver-Suite

Der getreue Music=Meister, "Intrada, nebst burlesquer Suite" in D-Dur für 2 Violinen ohne Basso contnuo, Satz 2, TWV 40, 108, Hamburg 1728