„Thementag Händel“
NDR Kultur, 14. April 2009
Ein Jubelfest für Wiederholungen
Eindrücke von Theodor Clostermann
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Zu allen Sendungen des NDR vor diesem Tag berichtete uns eine Hörerin aus Norderstedt
von einer gewisse Übersättigung und Redundanz.
Was war geschehen?
Schon die Verpackung stimmte nicht. Je mehr der Tag X des 250. Todestages von Georg Friedrich Händel anrückte, desto intensiver wurde die immer wiederkehrende Eigenreklame von NDR Kultur für seine vermeintliche Glanzleistung:
Der Programmtipp ... Thementag Händel ... am 14. April ... hier bei uns auf NDR Kultur + Jingle
Selbst noch am Morgen bei „Klassisch in den Tag“: „Heute, hier auf...“. Dieses gehäufte Generve führte mich zum ersten Ausschaltimpuls an diesem Tag.
Warum muss NDR Kultur das mit großem Tamtam herausposaunen, was für einen Kultursender selbstverständlich ist?
Wurde Händel im Hamburger Duell
von einer Partitur oder einem Knopf gerettet?
Schon die 20teilige Serie „Georg Friedrich Händel - Musik für die Ewigkeit“ des Könighaus-Spezialisten Rolf Seelmann-Eggebert, der Händel in frühen Jahren schätzen gelernt hatte, war eine Zumutung (16. März bis 10. April 2009). Er stützte sich in seinen 3minütigen Minis - soweit ich sie gehört habe - fast immer auf den englischen Biographen John Mainwaring (1735-1807). Dazu schreibt der Verfasser des Artikels zu Händel bei Wikipedia:
Die Angaben zu den frühen Jahren des Komponisten scheint Mainwaring in direkten Gesprächen mit diesem selbst gewonnen zu haben. Neuere Biografen konnten allerdings nachweisen, dass die Chronologie der von ihm geschilderten Ereignisse nicht korrekt sein kann.
Ich war neugierig, Tag für Tag, Neues zum Leben Händels zu erfahren. Nichts. Nur alte Klischees. Es lohnt sich nicht, sie hier alle zu dokumentieren.
Nur ein Punkt sei hier angesprochen, das Mattheson-Händelsche Duell auf dem Hamburger Gänsemarkt im Jahr 1703: Händel wurde laut Mainwaring von einer Partitur, laut Mattheson von einem großen Messingknopf vor dem Degentod gerettet.
So hoffte ich, wenigstens in den drei am Osterwochenende gesendeten Händel-Features „Händel - Abenteuer eines Musik-Titanen“ von Ralf Pleger wissenskundiger zu werden (Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag, 10., 12. und 13. April 2009). Doch nein, es ging inhaltlich gleich wieder so los, wie bei Rolf Seelmann-Eggeberts Reihe, er war sogar wieder der „Rezitator“ vieler Originalzitate.
Bald befinden wir uns wieder auf dem Hamburger Gänsemarkt beim Mattheson-Händelschen Duell und der wunderbaren Rettung Händels. Nur ausführlicher. Ausschaltimpuls.
Also dann der 14. April 2009, der Gedenktag, nach einem Wiedereinschalten. Ich bin gespannt, was es endlich an Neuem gibt. 6.45 Uhr. Über den Tag verteilt, schließlich ist es der „Thementag Händel“, bietet NDR Kultur heute Berichte über Händel in Halle, Hamburg und London. Ahnen Sie schon etwas? Marcus Stäbler berichtet über Händel in Hamburg. Gänsemarkt-Oper... Nein, nicht schon wieder! Gibt es denn nichts anderes zu berichten?
Doch er bringt nur eine Variante, sogar eine neue Variante.
Was nach der lautstarken Auseinandersetzung noch auf dem nächtlichen Gänsemarkt folgte, schilderte ein Zeitgenosse so:
Sie hatten also beide nicht so bald das Orchester verlassen, als der Beleidigte vom Leder zog und Händel mit dem Degen auf die Brust stieß, wodurch dieser auf ewig, weil der Stoß recht aufs Herz gerichtet war, entsetzet worden wäre, wenn nicht eben eine freundliche Partitur, die Händel im Busen trug, solches verhindert hätte.
So rettete ihm eine Partitur das Leben, und Händel konnte seine Karriere fortsetzen.
John Mainwaring (1735-1807) ein Zeitzeuge vom Gänsemarkt für ein Ereignis aus dem Jahr 1703? Legende? Ausschaltimpuls.
Einheitsbrei aus einer Einheitsproduktion
Im Fernsehen gab es zwei Händelfilme vom NDR: „Händel - Der Film“ am Ostersonntag um 13 Uhr bei der ARD (Produktion: Seelmannfilm GmbH) und „Händel in Norddeutschland - Wanderjahre eines Musik-Stars“ am Ostermontag um 11.15 Uhr bei N3. Beide Filme sind von Ralf Pleger, die Hörfunk-Features ja auch.
Im zweiten Film finden wir viele Szenen aus dem ersten Film wieder. Und in den Hörfunk-Features vieles aus beiden Filmen. Und in den NDR-Kultur-Kurzberichten am „Thementag Händel“ vieles aus den Features. Aus diesen wurden auch die 20 Miniberichte inhaltlich abgezweigt.
Das ist die neue ARD-Kooperationstechnologie für Rundfunk und Fernsehen, um Synergieeffekte zu nutzen. Einfalt statt Vielfalt, trotz unserer Gebühren.
Als ich dann noch zwei Zeitungsartikel zu den parallelen Fernsehfilmen lese, sehe ich mich mit meinen inhaltlichen Eindrücken bestätigt.
Für seinen unterhaltsam-lehrreichen Schnelldurchlauf durch das pralle Künstlerleben griff Pleger tief in die barocke Klischee-Kiste. Ordnungsgemäß werden alle wichtigen Lebensstationen und die gängigen Anekdoten abgehandelt.
(Joachim Mischke im Hamburger Abendblatt, 9. April 2009)
Man erfährt (...) ein bisschen zu viel über die trügerische Analogie zwischen dem populären Händel des 18. und einem Popstar des 21. Jahrhunderts.
(Hans-Jürgen Linke in der Frankfurter Rundschau, 9. April 2009)
Klischees statt Aufklärung, trotz unserer Gebühren.
„Übersättigung und Redundanz“ - hat NDR Kultur nur vergessliche Hörer im Blick?
Abgeschlossen am 24. April 2009
Lesen Sie außerdem zum „Thementag Händel“, NDR Kultur, 14. April 2009:
Matinee mit Reinhard Goebel: eine öffentliche Lehrstunde für NDR Kultur
Dokumentationen
- Reinhard Goebel und die Archiv-Produktion
- Gespräch über eine auf einem modernen Flügel gespielte Sarabande
- Gespräch über Komponistengedenktage in Hamburg