Ende von NDR Kultur Club und NDR Kultur Magazin
Das GANZE Werk, 5. November 2005: Die persönliche Meinung
Über die unredliche Art,
mit NDR-Kultur-Club-Mitgliedern umzuspringen
NDR Kultur Magazin und NDR Kultur Club sollen eingestellt werden
Die Entscheidung für die Einstellung des Clubs ist
das erste Eingeständnis für das Scheitern von NDR Kultur
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Thesen zu einem unrühmlichen Ende
Von Theodor Clostermann
Ausschnitte aus dem Brief Hamburg, Oktober 2005 Liebe NDR Kultur Club Mitglieder, |
1. Die erste Krise des NDR Klassik Clubs hat ihre Ursache in dem schlechten Programm von NDR Kultur und in der schlechten und nicht aufrichtigen Informationspolitik des Senders.
2. Als der Club gegründet wurde, traten viele ein, weil es jetzt endlich vom NDR das Musik- und Wortprogramm schriftlich gab und weil man sich damit Sendungen im Voraus auswählen konnte. Die kostenpflichtige Clubmitgliedschaft nahmen die meisten - als lästige conditio sine qua non - in Kauf. Attraktiv war immerhin der Rabatt für viele Veranstaltungen, wie bei der Volksbühne und anderen Institutionen.
3. Der NDR hat den Club intensiv beworben. Bis zum 26. Juni 2004 gab es an jedem Sonnabend um 13.05 Uhr die einstündige Werbesendung „KlassikClub - Mit Tipps und Terminen“, deren Hauptbotschaft die ständig wiederkehrende Telefonnummer des Clubbüros war. Ende 2003 hatte der Club, soweit wir wissen, 11.000 bis 12.000 Mitglieder.
4. Mitte September 2003 gab Wolfgang Knauer die Leitung von NDR Kultur auf, seine Nachfolgerin wurde Barbara Mirow. Zum 1. Januar 2004 stellten Hörfunkdirektor Romann und Wellenchefin Barbara Mirow das Programm von NDR Kultur für die Zeit von 6 bis 19 Uhr um auf die musikalische Einsätzigkeit und die kulturelle Verflachung. Da es lächerlich war, für einen Monat täglich ca. 90 bis 100 Einzelsätze anzukündigen, wurde das Club-Magazin umgestellt: statt der Musiklisten wurden die monatlichen Kampagnen für die Stars von NDR Kultur auf Hochglanz vorgestellt.
5. Der Protest der Klassik-Club-Mitglieder war riesengroß. Sie fühlten sich bei der Entscheidung über die neue Musikrichtung übergangen (es soll stattdessen anonyme Befragungen gegeben haben), und sie fühlten sich wegen der ausbleibenden Musiklisten arg getäuscht. Knapp 3.000 Mitglieder sollen in dieser Zeit ausgetreten sein, berichten Beteiligte.
6. Ein Schrumpfen der Mitgliederzahl auf gut 8.000, ein katastrophales Musikprogramm, an dem der Hörfunkdirektor stur festhält, die Beleidigung der Kritiker als „Kultur-Ayatollahs“ durch ihn im Club-Magazin von September 2004, keine direkte Werbung mehr im Programm seit dem 1. Juli 2004 (es war die Zeit des Schleichwerbeskandals beim ZDF) und ein in der Herstellung teureres Hochglanz-Club-Magazin, das in Konkurrenz zu den Hochglanzbroschüren der Plattenindustrie steht. - Wie kann da ein Club gesunden? Nur durch ein Umsteuern im Programmangebot von NDR Kultur: durch das Senden von kompletten Kompositionen im Tagesprogramm. Das GANZE Werk schlug dafür 4 Stunden täglich von 13 Stunden insgesamt vor. Das schlug der NDR kategorisch aus und beschleunigte damit das Ende des NDR Klassik Clubs. Zum 1. Januar 2005 wird der Club in NDR Kultur Club umbenannt und bekommt eine eigene Homepage.
7. Seit Juli 2005 ist es auch amtlich, dass die Hörerzahlen von NDR Kultur fallen. Die sind zwar kein Qualitätsmaßstab für einen Gebühren finanzierten Kultursender, sie verdeutlichen aber auch die Entwicklung. Nach der MA 2005 II ist die Zahl der „Hörer gestern“ von NDR Kultur, Montag bis Freitag, von 227.000 auf 209.000 gesunken. Es spricht für die Unaufrichtigkeit des NDR bzw. für seine Schamhaftigkeit, dass er diese Zahlen, trotz eindeutiger Aufforderungen, bisher nicht veröffentlicht hat.
8. Seit der Kritikwelle an NDR Kultur und an dem neuen Club-Magazin ergreift der NDR die Flucht nach vorne: durch die schlichte Behauptung, das Programm werde immer besser angenommen, die Zahlen spächen dafür, und durch eine immense Werbung, die die Werbung für andere Hörfunkprogramme weit, weit in den Schatten stellt. Das GANZE Werk hat die verschiedenen Kampagnen im Jahr 2004 in dem Artikel „Zu viel Werbung für NDR Kultur“ zusammengestellt. Die Werbung mit sechs Prominenten in den Tageszeitungen Norddeutschlands im März/April 2005 und die immens teuren, aber nicht überzeugenden Werbespots mit Prominenten im NDR Fernsehen seit September 2005 (uns sind vier Spots bekannt) haben wir an anderen Stellen dokumentiert.
9. Auf der Homepage der NDR Media GmbH, des Tochterunternehmens des NDR, das für die NDR-Werbung, für den NDR Ticket Shop und für den NDR Kultur Club zuständig ist, steht auf der Seite „Marketing“ - „Hörerclubs“, dass der Club 8.500 Mitglieder habe und dass die Auflage des NDR Kultur Magazins bei 12.000 Exemplaren liege. Wofür die Differenz von 3.500? Als Probenummern für Interessierte am Telefon und für E-Mail-Anfragen? Das werden nur wenige sein. Vor allem: als Werbeauslagen bei den Konzerten des NDR, beim Schleswig-Holstein-Musik-Festival usw. 3.500 Mehrexemplare - Verschwendung.
10. Das Magazin selbst ist Werbung für NDR Kultur. Gezielte Lobhudelei. Werbung, die die meisten Clubmitglieder wegen der Konkurrenzprodukte der Plattenindustrie nicht ernst nehmen, beiseite legen. Weil das so ist, wurden die Clubmitglieder zusätzlich zu dem im Magazin liegenden Brief noch separat angeschrieben, damit sie die Einstellung des NDR Kultur Clubs auch wirklich erfahren.
11. Vergleicht man die bisherigen Leistungen des (alten) NDR Kultur Clubs zu einem Mitgliedsbeitrag von 30 € mit den Leistungen der (geplanten) „NDR Kultur Karte“ zu 15 €, gibt es keine prinzipiellen Unterschiede bei:
• den Sonderkonditionen für Veranstaltungen des NDR oder der ausgewählten Veranstalter Norddeutschlands
• den Generalproben und Führungen und
• den teuren Exklusivreisen zur Begleitung des NDR Sinfonieorchesters.
Der einzige relevante Unterschied: das NDR Kultur Magazin, das mit 15 € zu Buche steht. Das steht aber nicht ausdrücklich im Brief.
12. Es geht also eigentlich nur um das Magazin, um seine Kosten. Dazu gleich eine Frechheit: „Der NDR Kultur Club konnte sich in den vergangenen Jahren nicht aus eigener Kraft finanzieren. Eine weitere Bezuschussung ist künftig nicht mehr möglich.“ Wieso sollen die Club-Mitglieder eine Werbebroschüre des NDR finanziell alleine tragen? Wer hat sie gefragt, dass die Auflage 12.000 Exemplare betragen soll? Wurde das Magazin nicht gegen ihren Willen auf Hochglanz und auf Werbekampagnen umgestellt?
Der Kern des Problems
13. Ein dürftiges Musikprogramm, das ständig von aufdringlichen Werbebotschaften unterbrochen wird, eine sinkende Hörerzahl, exzessive Werbung in Zeitungen und im Fernsehen für NDR Kultur, eine zu niedrige Mitgliederzahl für ein Hochglanz-Werbe-Magazin, eine Werbeauflage von 3.500 Exemplaren; oder: Programmfehler, mangelnde Zustimmung und Verschwenung - das sind die Fakten. Das Märchen: „Der Grund für die Entscheidung: Die finanzielle Entwicklung, nicht zuletzt aufgrund einer unter der KEF-Empfehlung verbliebenen Gebührenanpassung, zwingt den NDR zu erheblichen Einsparmaßnahmen.“ Erst sollen die Club-Mitglieder den verschwenderischen Werbe-Etat selbst tragen, dann die Gebührenzahler? Ein reines Ablenkungsmanöver: das Defizit ist hausgemacht, es ist ein kulturelles Defizit, es kann nicht einfach von einem Geldonkel behoben werden. Der Streit um die Gebührenerhöhung hat nicht - für den Club - das Fass zum Überlaufen gebracht, nein, das Hochglanz-Werbe-Magazin mit seiner hohen Auflage ist bei dem aktuellen Programm von NDR Kultur ein Fass ohne Boden.
14. Wir haben erfahren, dass die treibende Kraft bei der Agentur liege, die laut Impressum zuständig ist für „Konzeption, Redaktion und verlegerische Beratung“, die Internationale Medienberatungsgesellschaft mbH (IMB). Diese war auch schon zuständig für die Umstellung des NDR-Logos von Antje auf die drei Buchstaben mit dem Leuchtturm: „Mit einem modernen Logo, moderner Schrift und moderner Eigenwerbung will der NDR sich als Unternehmen profilieren, das der Konkurrenz der Privatsender gewachsen ist. Entwickelt wurde das Design gemeinsam mit den Hamburger Agenturen DMC und IMB.“ (DIE WELT, 30. November 2001)
15. Ist der NDR Kultur Club noch zu retten, soll er gerettet werden? Ich meine, das bisherige Hochglanz-Werbe-Magazin muss nicht verteidigt werden. - Die Umstellung des NDR Kultur Clubs auf die „NDR Kultur Karte“ zu 15 € wird wahrscheinlich zu einer Beerdigung auf Raten, weil sich viele Club-Mitglieder trotz der Leistungen des „Kulturbriefs“ durch die ganze Entwicklung verschaukelt fühlen und weil ihnen der Ausstieg jetzt ohne eine lange Kündigungsfrist leicht gemacht wird.
16. Eine Kultur-Einrichtung zur Begleitung von NDR Kultur hat nur dann einen Sinn, wenn das Programm in der Zeit, in der es am meisten gehört wird, also tagsüber, auf wirkliche Zustimmung stößt: Wenn es die musikalische Einsätzigkeit und die permanenten Werbebotschaften deutlich herunterfährt. Dann kann auch ein „Kulturbrief“ interessant werden.
17. Fazit
1. Ursache der Krise des NDR Kultur Clubs ist nicht ein finanzielles, sondern ein kulturelles Defizit.
2. Der Club diente NDR Kultur dazu, das Magazin als Werbeträger zu finanzieren. Weil das Magazin wegen zu niedriger Mitgliederzahl zu teuer wird, gibt NDR Kultur auch gleich den Club auf.
3. Die Entscheidung für die Einstellung des NDR Kultur Clubs ist das erste Eingeständnis dafür, dass das Programm von NDR Kultur gescheitert ist.
Fertiggestellt am 5. November 2005
Punkt 14 um eine Information verküzt nach dem Begehren einer Unterlassungsverpflichtungserklärung des NDR am 11. November 2005