Gedicht - Lyrik - Lauter Lyrik - Hör-Conrady der ARD
Vorbemerkung (aus der Erklärung des RBB)
„kulturradio vom rbb, 28. August 2008
Gedicht
Täglich das Gedicht!
Ab Montag, 1. September, sendet kulturradio das Gedicht, und zwar immer von Montag bis Freitag um 15.45 Uhr. Das Projekt basiert auf einer ARDweiten Audiosammlung, die von allen ARD-Kulturwellen ausgestrahlt wird. Die einzigartige ARD-Lyrik-Produktion umfasst über 1.100 Gedichte aus nahezu 900 Jahren. kulturradio vom rbb unternimmt ein Jahr lang an jedem Wochentag mit einem Gedicht, rezitiert von den besten Sprechern und Schauspielern Deutschlands, eine lyrische Zeitreise von Walter von der Vogelweide über die deutschen Klassiker bis zur modernen deutschen Lyrik des 20. Jahrhunderts.
Grundlage der umfänglichen Lyrikreihe Gedicht ist der Hör-Conrady, benannt nach der wichtigsten deutschen Lyrik-Anthologie, herausgegeben von Karl Otto Conrady, Das große deutsche Gedichtbuch.
Von SWR und Radio Bremen für die ARD produziert, ist die Reihe Gedicht das größte Lyrik-Unterfangen Deutschlands. Die Gedichte von mehr als 460 Dichterinnen und Dichtern wurden von insgesamt 14 Sprecherinnen und Sprechern eingelesen. (...)“
kulturradiorbb, ab 1. September 2008
Zeitreise durch neun Jahrhunderte: deutsche Lyrik im kulturradiorbb
Wie gewonnen, so zerronnen
Die Neugier der Hörer wird geweckt, aber nicht befriedigt
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Seit dem 1. September 2008 ist im kulturradiorbb montags bis freitags um 15 Uhr 45 ein Gedicht zu hören, Lyrik seit dem Mittelalter. Die Reihe wird ein Jahr lang von allen ARD-Kulturwellen ausgestrahlt (Starttermin und Präsentation sind unterschiedlich).
Von Brigitte Grunert
Die Idee ist hinreißend, endlich wird zumindest diesem Zweig der Literatur mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Doch wie gewonnen, so zerronnen, immer folgt der Freude die Enttäuschung. Ein Gedicht rauscht vorbei, keine Interpretation des Inhalts und Stils, fast nichts über den Dichter, seine Intention, sein Leben, seine Zeit. Die Neugier der Hörer wird geweckt, aber nicht befriedigt.
Kein Geld für Interpreten...
Nehmen wir Walther von der Vogelweide. Mehrere seiner schönsten Gedichte wurden auf Mittelhochdeutsch vorgetragen. Man genoss den Sprachklang, verstand aber natürlich kein Wort. Warum wurden die Übersetzungen nicht mitgeliefert? Für das immerhin 48 Zeilen lange Gedicht „Ir sult sprechen willekomen“ (Ihr sollt mir ein Willkommen sagen) am 3. September 2008 musste der Hinweis genügen, dass „deutsche Lebensart, deutsche Herrlichkeit und deutsche Frauen“ besungen werden. Ein anderes Beispiel: Über Friedrich Gottfried Klopstock hieß es am 10. Oktober 2008 in Stichworten, er sei „der Dichter des Messias“, der „seinerzeits berühmteste Dichter“ gewesen.
Am 9. Oktober fiel die Lesung überhaupt kommentarlos aus, stattdessen wurde ein Interview zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Jean-Marie Gustave Le Clézio gesendet. Der Moderator bat nicht etwa um Nachsicht. So ist das eben beim kulturradiorbb: Irrtümer und Pannen werden prinzipiell nicht korrigiert.
... ganz anders die Frankfurter Allgemeine Zeitung
Nun könnte man so ein Gedicht den Hörern nicht nur zu Ohren, sondern auch inhaltlich nahebringen, sagen wir, in fünf, sechs Minuten. Aber nein, in atemloser Hast wird husch, husch mit dem Staubwedel oberflächlich über die Literaturgeschichte gewischt, keine Zeit, kein Geld für Interpreten.
Das passt famos zum musikalischen Schnipselprogramm für den angeblichen Nebenbei-Hörer. Wir haben es mit einem sparsamen, ach was, armseligen, ARD-Gemeinschaftswerk zu tun. Zum Vergleich: Seit 35 Jahren schon wird in der Wochenendausgabe der FAZ ein Gedicht vorgestellt und ausführlich von einem namhaften Autor beleuchtet. Es ist immer ein Gewinn.
Die Präsentation im Rundfunk zeugt weder von Respekt vor den Dichtern noch vor den Hörern. Das ist direkt anmaßend. Und ganz gewiss wird sie dem Kultur- und Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht gerecht.
veröffentlicht am 27. Oktober 2008
Zusatzinformationen:
Übersicht der Gedichtserklärungen beim SWR (soweit im Sendeplan, sind die Erklärungen mit den Erklärungen des RBB identisch)