Das GANZE Werk - Presseschau
die tageszeitung (taz), 29. September 2007
Bremen: Alter Sendesaal
Konservatorische Wechselbäder
Von Henning Bleyl
Das Bemühen um den Erhalt des Bremer Sendesaals bekommt einen Dämpfer: Der vor drei Monaten gerade erst gewährte Denkmalschutz für das akustische Großod wird wieder aufgehoben
Der Sendesaal von Radio Bremen, in den 1950ern gebaut und seither als akustisches Wunderwerk in die Musikgeschichte eingegangen, ist wie kaum ein anderes Gebäude den Wechselbädern des Denkmalschutzes ausgesetzt. Gestern beschloss Bremens sozialdemokratischer Bürgermeister Jens Böhrnsen - in seiner Eigenschaft als Kultursenator - den vor drei Monaten erst gewährten Schutz wieder aufzuheben: Er hat den entsprechenden Widersprüchen statt gegeben.
Bereits vor drei Jahren hatte der Landeskonservator das Gebäude in einem Gutachten als schutzwürdig erachtet. Als ein Investor 10,2 Millionen Euro in Aussicht stellte, beschloss der Senat jedoch, quasi prophylaktisch, den Saal nicht unter Schutz zu stellen. Der Investor verschwand, der Denkmalschutz wurde wieder aktiv, dann kam der aktuelle Einspruch - eingelegt unter anderem von Radio Bremen selbst. Der Sender befindet sich gerade im Umzug in einen neu errichteten Studio- und Verwaltungskomplex in der Innenstadt, dank integrierter Funk-, Fernseh- und Onlinetechnik soll es sich um das modernste Funkhaus Europas handeln. Zur Finanzierung ist er dringend auf die Erlöse aus dem Verkauf der Gelände angewiesen, auf denen Fernsehen und Hörfunk separat untergebracht waren. Der Denkmalschutz für den alten Saal gilt dabei als Hürde für künftige Nutzer.
Die Sichtweise von Peter Schulze ist diametral entgegengesetzt: Er ist im „Verein der Freunde des Sendesaals“ engagiert und lobt das „Studio F“ als unersetzbaren Ort. Schulze weiß, wovon er spricht: Jahrelang war er als Musikchef von Radio Bremen 2 für das Großstudio verantwortlich. Auch sein Amtsvorgänger sowie andere ehemalige Radio-Bremen-MitarbeiterInnen sind im Verein aktiv - sie sehen sich, unter anderem, als historisches Gewissen des Senders. „Es ist bezeichnend, dass Radio Bremen der Schutzwürdigkeit und Qualität seiner eigenen Geschichte widersprochen hat“, sagt Schule. Im übrigen sei der Sendesaal keineswegs ein „leer stehendes Museum“: 2005 sei er an mehr als 200 Tagen als Studio und Konzertsaal genutzt worden.
Um den Saal sinnvoll selbst erhalten zu können, verficht der Verein die Entwicklung eines „Campus Music Village“: Bis zu 180 Wohneinheiten sollen sich um „Studio F“ gruppieren, eine Stiftung könnte dessen Betrieb übernehmen, auch die übrigen Hörfunk-Gebäude sind Teil des Konversions-Projekts. Daran hält der Verein nach wie vor fest.
Die in der lokalen Presse aufgekommen Vorwürfe, die Asset-Gruppe als Investor dieses „Music Village“ liefere bislang weder Zahlen noch Konzepte, hält Schulze für aus der Luft gegriffen. Asset sei sehr wohl in der Lage, große Projekte zu stemmen. In der Tat ist die Firmengruppe mit großen Vorhaben etwa in Berlin in Erscheinung getreten: Dazu gehören die Townhouses der Prenzlauer Gärten und die Entwicklung der Wollgarn-Fabrik. In Bremen allerdings, wo die Firmenzentrale ihren Sitz hat, hat sie noch nicht investiert.
Verantwortlich für die Verzögerungen ist nach Angaben von Schulze insbesondere die Geheimniskrämerei um den Vertrag, mit dem Radio Bremen sein bisheriges Hörfunkgelände veräußert hat. Unklar seien etwa die Größen des zweigeteilten Geländes: „Wir wissen nicht mal, ob die GEZ-Villa dazugehört.“
Der Kultursenator bezweifelt keineswegs, dass das „Music Village“ ein „zukunftsträchtiges Vorhaben“ sei. Die Aufhebung des Denkmalschutzes sei jedoch alternativlos: Die sonst zu erwartende Klage würde die Stadt „mit großer Wahrscheinlichkeit“ verlieren. Die Begründung kann so oder so interpretiert werden: Neben der - unbestrittenen - Denkmalwürdigkeit des Saals sei die „wirtschaftliche Zumutbarkeit der Unterschutzstellung“ zu berücksichtigen.