Das GANZE Werk - Presseschau

Frankfurter Rundschau, 3. Mai 2007

Zitate:
Der Erste Senat fragte mehrfach nach den Kompetenzen eines Parlaments gegenüber einer Kommission. Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier entgegnete dem Vertreter des ZDF, dass es ein „Novum“ darstelle, einem Parlament lediglich Missbrauchskontrolle gegenüber einer nicht gewählten Kommission zuzubilligen.
Auch innerhalb der achtköpfigen Richterbank zeichnet sich ein Ringen um die Entscheidungsspielraum bei der Festsetzung der Rundfunkgebühren ab.

Kritische Richterfragen

Verfassungsgericht verhandelt um Höhe der Rundfunkgebühren

Von Ursula Knapp

ARD und ZDF können kaum darauf hoffen, dass ihnen das Bundesverfassungsgericht höhere Rundfunkgebühren zuspricht als es die Länder 2005 getan haben. In der mündlichen Verhandlung mussten sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten am Mittwoch mit zahlreichen kritischen Fragen des Ersten Senats auseinandersetzen.

Ab 1. April 2005 wurde die Rundfunkgebühr auf 17,03 Euro im Monat erhöht, ein Aufschlag von 88 Cent. Diesen Betrag halten die öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF und Deutschlandradio für zu gering und berufen sich auf die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), die einen Bedarf von 17,24 Euro errechnet hatte. Die Abweichung um 21 Cent nannte ARD-Intendant Fritz Raff eine „politisch überlagerte Entscheidung“.

Raff, ZDF-Intendant Markus Schächter und Ernst Elitz (Deutschlandfunk) bezifferten ihre Fehlbeträge bis zur nächsten Gebührenerhöhung auf insgesamt etwa 440 Millionen. Vor allem verstoße die Abweichung vom Vorschlag der KEF gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994. Dieses Urteil spielte in der Verhandlung eine zentrale Rolle. Damals hatte der Erste Senat ein dreistufiges Modell für die Gebührenfestsetzung verlangt. In einem ersten Schritt melden die Sender ihren Finanzbedarf an, die KEF überprüft die notwendige Gebührenerhöhung, als drittes entscheiden die Länder. Die Länder dürfen nach dem 94-er Urteil vom KEF-Vorschlag im Interesse der Gebührenzahler abweichen. Um diese Abweichungsmöglichkeiten wurde nun vor dem Ersten Senat gestritten.

Kurt Beck (SPD), rheinland-pfälzischer Ministerpräsident, und sein Stuttgarter Kollege Günther Oettinger (CDU) rechtfertigten ihre Entscheidung in Karlsruhe mit der schlechten Wirtschaftslage im Jahr 2004, die durch hohe Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne geprägt gewesen sei. Aber auch Einsparpotenziale wie die bevorstehende Umstellung auf digitale Technik gegenüber der teuren terrestrischen Übertragung verringerten den Gebührenbedarf.

Was ein Gericht nicht darf

Beck und Oettinger verwiesen zudem auf die europäische Kommission in Brüssel, die erst vor einigen Tagen die in Deutschland geltenden Rundfunkgebühren unter der Voraussetzung akzeptiert habe, dass der Staat die Gelder stärker kontrolliere. ARD und ZFD wollten die Länderparlamente dagegen auf eine Missbrauchskontrolle der KEF-Empfehlung beschränken. Das stieß auf kritische Richterfragen. Der Erste Senat fragte mehrfach nach den Kompetenzen eines Parlaments gegenüber einer Kommission. Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier entgegnete dem Vertreter des ZDF, dass es ein „Novum“ darstelle, einem Parlament lediglich Missbrauchskontrolle gegenüber einer nicht gewählten Kommission zuzubilligen. Verfassungsrichter Reinhard Gaier betonte den Entscheidungsspielraum der demokratisch legitimierten Parlamente gegenüber Empfehlungen eines Gremiums.

Gerichtspräsident Papier und Berichterstatter Wolfgang Hoffmann-Riem deuteten an, dass man das Urteil von 1994 weiterentwickeln müsse. Damals sei die Frage, wann ein Parlament von der Empfehlung der Kommission abweichen dürfe, noch nicht vertieft worden. Das Urteil wird der Erste Senat voraussichtlich in etwa drei Monaten sprechen. Auch innerhalb der achtköpfigen Richterbank zeichnet sich ein Ringen um die Entscheidungsspielraum bei der Festsetzung der Rundfunkgebühren ab.