Das GANZE Werk - Presseschau

DIE WELT, 22. April 2007

Wichtiges Zitat:
Der Kompromiss sieht vor, dass die öffentlichen Anstalten in Zukunft dafür sorgen, dass ihr Auftrag klarer definiert ist und mehr Marktkonformität, Transparenz sowie Finanzkontrolle herrschen. Dies soll innerhalb von zwei Jahren in einem neuen Rundfunkstaatsvertrag geregelt werden. Ziel ist eine scharfe Trennung zwischen öffentlich-rechtlichem Auftrag von ARD und ZDF einerseits und ihren kommerziellen Tätigkeiten andererseits. Zukünftig muss gemäß der EU-Transparenzrichtlinie außerdem getrennt bilanziert werden, um eine Quersubventionierung auszuschließen.

Rundfunkgebühren

Brüssel zwingt ARD und ZDF zu mehr Transparenz

ARD und ZDF: Die EU-Kommission stellt nicht länger die Verwendung der Rundfunkgebühren in Frage, das digitale Programm darf ausgebaut werden

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Von Dirk Müller-Thederan

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF können aufatmen: Die EU-Kommission stellt nicht länger die Verwendung der Rundfunkgebühren in Frage, das digitale Programm darf ausgebaut werden. Doch es gibt eine Bedingung.

Die EU-Behörde will am Dienstag ein bereits seit zwei Jahren laufendes Beihilfeverfahren gegen Deutschland offiziell einstellen, wie WELT ONLINE in Brüssel erfuhr. Die Entscheidung sei so gut wie gefallen, heißt es aus der Kommission.

Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) wollte durchsetzen, dass die Rundfunkgebühren soweit reduziert werden, wie es zur Finanzierung des sogenannten Grundversorgungsauftrages erforderlich ist. Außerdem sollten die Internetaktivitäten von ARD und ZDF und zusätzliche digitale Fernsehkanäle begrenzt werden. ARD und ZDF wurden verdächtigt, mit den GEZ-Gebühren Bereiche quer zu finanzieren, in denen sie mit privaten Sendern konkurrieren. Dazu gehören etwa der Ausbau der Internetauftritte und digitaler Sender oder der Erwerb teurer Sportrechte.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte von der Bundesregierung im Dezember konkrete Maßnahmen gefordert, um ihre Bedenken gegen das deutsche Finanzierungssystem des öffentlichen Rundfunks „auszuräumen“. Dies sei nun geschehen, weswegen das Verfahren eingestellt werden könne, hieß es.

Der Kompromiss sieht vor, dass die öffentlichen Anstalten in Zukunft dafür sorgen, dass ihr Auftrag klarer definiert ist und mehr Marktkonformität, Transparenz sowie Finanzkontrolle herrschen. Dies soll innerhalb von zwei Jahren in einem neuen Rundfunkstaatsvertrag geregelt werden. Ziel ist eine scharfe Trennung zwischen öffentlich-rechtlichem Auftrag von ARD und ZDF einerseits und ihren kommerziellen Tätigkeiten andererseits. Zukünftig muss gemäß der EU-Transparenzrichtlinie außerdem getrennt bilanziert werden, um eine Quersubventionierung auszuschließen.

ZDF-Intendant Markus Schächter hatte wissen lassen, dass die vereinbarten Maßnahmen Punkt für Punkt in die staatsvertraglichen Normen einfließen werden. Das ZDF werde sich an diesen Arbeiten konstruktiv beteiligen, kündigte er an. Im Gegenzug erhalten die Öffentlich-Rechtlichen von der Kommission das Recht, ihre Programme über „technisch neuartige Übertragungswege“ wie etwa über Mobiltelefone auszustrahlen sowie „neue Arten von Mediendiensten“ anzubieten.

Für die Privaten ist der Ausgang eine Enttäuschung. „ARD und ZDF kommen mit einem blauen Auge davon. Sie können nun einen Sieg feiern“, sagte VPRT-Präsident Jürgen Doetz. Er hatte angekündigt, die Vereinbarung notfalls erneut vor Gericht anzugreifen. Im Februar beschwerte sich der VPRT, dass die privaten Rundfunkanbieter durch neue, gebührenfinanzierte digitale TV- und Onlineangebote von ARD und ZDF massiv im Wettbewerb behindert würden, noch ehe das Verfahren der Europäischen Kommission beendet sei.

Ohne die Einigung wäre es für ARD und ZDF teuer geworden. Im schlimmsten Fall hätten die Gebühren zur Disposition gestanden. Bereits in zwei Fällen hat die Kommission die Rückzahlung staatlichen Geldes für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten verfügt, weil die Finanzierung über deren eigentlichen Zweck hinausging. Die dänische Rundfunkanstalt TV2 musste im Jahr 2004 rund 84,4 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen, bei der niederländischen NOS waren es 76,3 Millionen Euro.

Dem jetzigen Kompromiss ging ein heftiger Streit voraus. Der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber hatte kritisiert, die EU würde „auf ihrer nur auf den Wettbewerb fixierten Sicht“ beharren. SPD-Chef Kurt Beck hatte Kroes vorgeworfen, ihre Kompetenzen zu überschreiten und sprach von einem aus Brüssel verordneten „Staatsfunk“.