Das GANZE Werk - Rettet „Bayern 4 Klassik“ auf UKW
Zitat:
Die Veränderung des Rundfunkhörer-Verhaltens gestaltet sich dank Internet, Podcast und User-generiertem Content im Web dramatisch. Die als Zielgruppe angepeilten „Kids“ sind für den konventionellen Funk weitgehend verloren. Sie surfen, chatten, loaden up und down. Dies belegen die Einschalt-Analysen aller Jugendwellen lückenlos.
Wir hätten gar nichts gegen ein Jugendradio, wenn es denn, siehe oben, einen Sinn machte und nicht gegen die bescheidenen Kulturreservate im öffentlich-rechtlichen System ausgespielt würde. Das Jugendradio gehört genuin ins Web.
Im Münchner Funkhaus wackeln Wände: Hörfunkdirektor Johannes Grotzky denkt augenscheinlich darüber nach, die UKW-Frequenzen von Bayern 4 Klassik für eine „Junge Welle“ zu räumen und den Kultursender in die digitale Unhörbarkeit zu verbannen. Mit bösen Folgen auch für die Klangkörper.
Lesen Sie dazu den Leitartikel der neuen musikzeitung (nmz):
neue musikzeitung (nmz), Nr. 11/2006, 1. November 2006
Jugend-Wahn
Von Martin Hufner
Unterschriftensammlung zum Fortbestand von „Bayern 4 Klassik“ auf UKW |
Was haben wir an dieser Stelle schon heftig die Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchbuchstabiert: Wir klärten schlüssig, dass er die Legitimation für den Gebührenempfang maßgeblich seinem Kulturauftrag entnimmt. Dass die Pflege von Minderheiten-Interessen und eine umfassende Informations-Pflicht zu seinen Kernaufgaben gehören.
Gelegentliche Zweifel an „Zwangs-Gebühren“ generierten die Landes-Sender selbst: MDR, NDR, RBB und HR durch plump quotenspekulatives Schreddern ihrer Kulturkompetenz, durch bisweilen gnadenlose Programm-Trivialisierung. Der SWR noch unter seinem Finanz-Oberinspektor Peter Voß außerdem mittels Teil-Demontage seiner Klangkörper. Zärtlich warnten wir: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk schafft sich selbst ab.“
Weitgehend ausgespart von der Kritik blieben WDR und BR, die trotz gelegentlicher Schwindelanfälle in den Intendanz- und Direktionsetagen dank respektabel gepflegter Kulturwellen wenigstens ihr Soll erfüllten. Zumindest in Bayern könnte damit bald Schluss sein: Auf Quotenhatz nach Hörer-Frischfleisch neigt Hörfunkdirektor Johannes Grotzky anscheinend dazu, die Klassik-Welle Bayern 4 (immerhin 170.000 Nutzer täglich) ins technisch unausgereifte digitale Nirvana zu verbannen, um die terrestrischen UKW-Frequenzen einer sogenannten „jungen Welle“ zuzuschustern. Seine mediale Schrotflinte richtet er auf die 14- bis 29-Jährigen.
Welch ein Kurzschluss. Hätte Grotzky selbst mal als aufmerksamer Zuhörer die diesjährigen Münchner Medientage besucht, wären ihm solche möchtegern-populistischen Hirn-Flatuleszenzen geräuschlos entwichen. Die Veränderung des Rundfunkhörer-Verhaltens gestaltet sich dank Internet, Podcast und User-generiertem Content im Web dramatisch. Die als Zielgruppe angepeilten „Kids“ sind für den konventionellen Funk weitgehend verloren. Sie surfen, chatten, loaden up und down. Dies belegen die Einschalt-Analysen aller Jugendwellen lückenlos. So dümpelt im Südwesten „Das Ding“ bei 1,4 Prozent, der hippe Sender „Fritz“ schwand binnen Jahresfrist von 7 auf gut 5 Prozent Einschaltquote. Öffentlich-rechtliche Mainstream-Wellen wie RadioEins vom RBB, Eins Live (WDR) sowie die immer ähnlicher klingenden Ausstrahlungen von Bayern 1 und Bayern 3 verlieren kontinuierlich an Zuspruch, die Altersstruktur der „User“ wandert vom „Twen“ ins „Mid-Age“.
Wohlgemerkt: Wir hätten gar nichts gegen ein Jugendradio, wenn es denn, siehe oben, einen Sinn machte und nicht gegen die bescheidenen Kulturreservate im öffentlich-rechtlichen System ausgespielt würde. Das Jugendradio gehört genuin ins Web. So bekäme – durch eigenständige redaktionelle Kompetenz – das Internet-Angebot unserer Rundfunkanstalten eine glaubwürdige Legitimation: Es könnte sich vom meist flachen Selfmade-Schrott der Blogs und dem Marketing-Geflacker der Industrie-Podcaster und Download-Plattformen qualitätvoll abheben. Somit würde vielleicht sogar einer Kommunikations-Degeneration entgegengewirkt, die an den Umgang in antiautoritären Kindergärten vor dreißig Jahren erinnert. Und: Zwei hochfinanzierte, zudem auch noch werbegefütterte Berieselungswellen pro Landessender sind im öffentlich-rechtlichen Hörfunk genug. Sollte in diesem akustischen Flachbett überhaupt Differenzierung möglich sein, wäre hier größeres Redakteurs-Engagement angebracht. Gegen die Verbannung der Klassik-Frequenzen in die reale Unhörbarkeit ist jedenfalls Sturm zu laufen. Zumal gemeinsam mit Bayern 4 Klassik auch die renommierten Klangkörper des Bayerischen Rundfunks ins Abseits zu geraten drohen.
Bei seiner Generalversammlung hat sich der Deutsche Musikrat soeben energisch gegen solche Banausen-Planungen gewandt, der Bayerische Musikrat stellte ein Unterschrifts-Formular auf seine Website, das ausgedruckt werden kann. Besuchen Sie bitte: www.bayerischer-musikrat.de – und machen Sie von Ihrem Recht Gebrauch, gegen weitere Verblödungs- und Verödungs-Tendenzen hierzulande Ihre Stimme zu erheben.
Da wird lauthals über Bildungsnotstand, Landes-Flucht und Unterschicht-Problematik gejammert – und die wenigen kleinen Korrekturinstrumente sollen dann auch noch blindwütigen Ökonomie- und Quotenfetischisten zum Opfer fallen. Es ist zum – Davonlaufen.
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