Das GANZE Werk - Presseschau

Zitat von Hubertus Gersdorf:
Der Einzelne wird nicht deshalb belastet, weil er einen individuellen Vorteil hat; auf diesen könnte er in der Tat auch verzichten. Der Belastungsgrund liegt vielmehr in der Gewährleistung eines überindividuellen Gemeinschaftsguts: also der Demokratie und der Kulturstaatlichkeit.

Frankfurter Rundschau, 20. Oktober 2006

Nicht nur für den „Tatort“

Gespräch mit Hubertus Gersdorf über das Prinzip der Rundfunkgebühren und alternative Modelle

Frankfurter Rundschau: Die Ministerpräsidenten haben auf ihrer Jahrestagung in Bad Pyrmont die Einführung einer GEZ-Gebühr in Höhe von 5,52 Euro pro Monat für internetfähige Computer und Mobilfunkgeräte beschlossen. Weil es daran schon im Vorfeld viel Kritik gegeben hat, wollen sie nun Alternativen zu der gerätegebundenen Gebühr prüfen. Was halten Sie von der Idee, sich vielleicht schon 2008 von der klassischen GEZ-Gebühr zu verabschieden?

Interview
Hubertus Gersdorf, geboren 1962, ist Professor für Kommunikationsrecht an der Universität Rostock. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Bedeutung des Rundfunks für die Demokratie hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz hergeleitet. Die Kulturstaatlichkeit ist in den Landesverfassungen niedergeschrieben. Die GEZ-Gebühr für Computer wurde von den Ministerpräsidenten beschlossen. Sie gilt ab Januar 2007. Alternativen könnten nach Einschätzung der Länderchefs frühestens 2008 eingeführt werden.
Hubertus Gersdorf: Eine Reform ist längst überfällig. Die Zahlungspflicht an das Vorhandensein eines Gerätes zu knüpfen, ist nicht mehr zeitgemäß. Durch die Geschwindigkeit, mit der immer neue technische Geräte auf den Markt kommen, die zum Rundfunkempfang geeignet sind, müsste man um der Gerechtigkeit willen die Gebührenpflicht ständig aktualisieren. Und wie im Falle der Diskussion um die so genannte PC-Gebühr entsteht dann bei den Menschen der Eindruck, die Öffentlich-Rechtlichen würden sich die Taschen voll machen und immer neue Wege finden, an Geld zu kommen. Außerdem wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk so als „Innovationsbremse“ dargestellt.

Ließe sich dieser Eindruck vermeiden?

Ja, wenn man die derzeitige Gebühr beispielsweise durch eine Haushaltsabgabe ersetzen würde. Das würde bedeuten, dass es unerheblich ist, ob man einen Fernseher oder ein Radio besitzt und ob man diese Geräte nutzt. Jeder Haushalt würde an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beteiligt.

Warum sollten Menschen den Rundfunk mit finanzieren, die ihn gar nicht nutzen, die vielleicht nicht einmal einen Fernseher oder ein Radio haben?

Es besteht ein weit verbreitetes Missverständnis: Die Rundfunk-Gebühren sind nicht zur Abgeltung individueller Vorteile gedacht. ARD, ZDF und auch das Deutschlandradio haben in unserer Gesellschaft eine Rolle, die weit darüber hinaus geht, uns mit der Sendung mit der Maus, dem Tatort oder dem Musikantenstadel zu versorgen. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt in Entscheidungen und Beschlüssen herausgestellt, dass unsere gesamte Kulturstaatlichkeit und Demokratie ohne den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht denkbar wären.

Wie bewerten Sie den Vorstoß des stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rainer Brüderle, der sich in „Bild“ dafür ausgesprochen hat, dass Rundfunknutzer nur noch für die Sendungen zahlen sollten, die sie auch tatsächlich sehen beziehungsweise hören?

Dann bräuchten wir keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr. Die Rundfunkabgabe ist eine Solidarabgabe zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der für das demokratische Gemeinwesen eine unverzichtbare Funktion hat.

Und deswegen sollte sich Ihrer Meinung nach jeder an der Finanzierung beteiligen?

Genau. Der Einzelne wird nicht deshalb belastet, weil er einen individuellen Vorteil hat; auf diesen könnte er in der Tat auch verzichten. Der Belastungsgrund liegt vielmehr in der Gewährleistung eines überindividuellen Gemeinschaftsguts: also der Demokratie und der Kulturstaatlichkeit. Eines möchte ich aber betonen: Man sollte die Umstellung nicht überstürzen. Es wäre sehr ärgerlich, wenn ein neues Modell zu schnell erarbeitet und deswegen gleich vom ersten Gericht gekippt werden würde. Dass es Klagen geben wird, davon ist auszugehen.

Würden die Haushaltsabgabe oder die allgemeine Medienabgabe, bei der jeder Erwachsene herangezogen werden würde, die Verbraucher nach Ihrer Einschätzung mehr oder weniger belasten als die derzeitige Gebühr?

Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Einzelne sogar etwas spart. Gegebenenfalls ließen sich die Verwaltungsstrukturen dadurch verschlanken, dass die Finanzämter die Abgabe anstelle der GEZ eintreiben. Außerdem könnte man sich den Aufwand für das Aufspüren der so genannten Schwarzseher sparen, die ARD und ZDF gucken, ohne sich bei der GEZ angemeldet zu haben. Für diese Gruppe würde es in jedem Fall teuer. Das ist aber auch nur gerecht.

Interview: Johanna Wolff