Das GANZE Werk - Presseschau

Hamburger Abendblatt, 5. Juli 2006

ZITAT
Abendblatt: Wenn Sie das Geld ansprechen: Braucht denn wirklich jeder Sender ein eigenes Kulturprogramm im Radio?
Jobst Plog: Über Gemeinschaftsaufgaben muß man sicher nachdenken. Die Digitalisierung wird aber nicht die Verringerung des Angebots nach sich ziehen, sondern das Gegenteil.
Man könnte nur als eine mögliche Entwicklungsideee gemeinschaftlich ein traditionelles Klassikprogramm machen und die regional ausgeprägten Klassikwellen noch stärker auf jüngere Zuhörer ausrichten.

Standpunkte: In der Premium League müssen auch Kompromisse sein

„Günther Jauch ist eine sichere Lösung“

Intendant Jobst Plog über das Profil des NDR und die interne Diskussion über die Notwendigkeit eines Politikmagazins

Interview: Hans-Juergen Fink, Karin Franzke

Originalansicht des Interviews (Pdf - 789 kb)

Hamburg – Ein gutgelaunter, entspannt wirkender NDR-Intendant begrüßt die Abendblatt-Redakteure in seinem Amtszimmer in der Rothenbaumchaussee. Jobst Plog ist auch bekennender Fußballfan, an seinem privaten Balkon hat er eine deutsche und eine französische Flagge aufgehängt. Der frankophile Plog hat ein Ferienhaus in Südfrankreich.

Abendblatt: Herr Plog, die Fußball-WM bringt den großen Kick bei den Hinschaltquoten, das Erste ist Marktführer.

Jobst Plog: Fs gibt phantastische Quoten, aber das ist auch nicht überraschend. Überraschend ist, wie die Deutschen spielen und welche Stimmung sich eingestellt hat.

Geht die Rechnung also trotz der immensen Kosten auf?

Für die Zuschauer allemal. Ohne ARD und ZDF wären große Teile der WM im Pay-TV gelandet. Fs hätte nicht annähernd eine so große Begeisterung für das Turnier gegeben, wie wir sie jetzt erleben. Im übrigen denke ich, bei den Sportrechten ist die Entwicklung noch gar nicht am Ende. Das geht weiter. In die Bundesliga sind wir noch relativ günstig hineingekommen, weil keiner mehr richtig mitgeboten hat.

Wann ist die Schmerzgrenze erreicht?

Die Fußball-Europameisterschaft 2008 haben wir beispielsweise nicht. Es hängt sehr davon ab, wie es weitergeht mit dem Bezahlfernsehen. Die deutschen Länderspiele werden im Free-TV bleiben, aber wirklich große Refinanzierungsmöglichkeiten gibt es nur im Pay-TV. Da gab es in Deutschland bisher nur Premiere, doch nun öffnet sich dieses Feld durch Arena. Wir werden sicher in Zukunft weniger Rechte haben als bisher.

Rechte gibt es ja auch bei Moderatoren...

Da spielt das Geld eine geringere Rolle, als viele annehmen. Eine Reihe von Spitzenstars ist der Auffassung, bei uns im Sektor Information, Gespräch anspruchsvoller arbeiten zu können.

Wie sicher ist es denn, daß Günther Jauch Mitte 2007 Sabine Christiansen ablöst? PLOG: Wir haben das nicht ausverhandelt, sind uns aber einig über das gemeinsame Ziel. Der Rahmen ist abgesteckt, diese Vor-Gespräche hat Günter Struve für die ARD geführt.

Kann Jauch denn zwei Herren dienen – eine Talkshow in der ARD und bei RTL eine Unterhaltungssendung?

Jauch spielt in der obersten Liga. Der löst sich nicht von heute auf morgen aus seinem Kontext. Denken Sie an Sandra Maischberger, bei der war es ähnlich. Aber die Details werden Gegenstand der Verhandlungen sein.

Wollen Sie das Konzept aufgeben, daß man ein Gesicht einem bestimmten Sender zuordnen kann?

Nein, aber in der Premium League müssen Sie manchmal Kompromisse machen.

Und wie sieht es mit Werbung aus?

Da gelten die gleichen Maßstäbe wie bei den anderen Protagonisten. Wenn jemand im Informationssektor tätig ist, sind die Ansprüche höher als in anderen Bereichen. Und die Nachfolge Sabine Christiansen ist etwas, was an den Kriterien der Information gemessen wird.

Soll Jauchs Talkshow dennoch wieder bei der NDR-Unterhaltung angesiedelt sein oder eher in der Politik?

Warum sollte man diese Formalie ändern? Es hat doch gut funktioniert.

 
Jobst Plog wurde am 26. Februar 1941 in Hannover geboren. Nach dem Jura-Studium in Hamburg, Göttingen und Paris ließ er sich in Hannover als Rechtsanwalt nieder. 1977 wurde er Justitiar beim NDR, 1980 stellvertretender Intendant. Ende September 1990 wählte der NDR-Rundfunkrat ihn bei nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen zum Nachfolger des vorzeitig ausscheidenden Intendanten Peter Schiwy. Als Honorarprofessor lehrt Plog seit 2002 Medienrecht in Rostock.

Es hätte ja auch jemand anders nachfolgen können, beispielsweise Frank Piasberg, der beim WDR sehr erfolgreich „Hart aber fair“ moderiert.

Er ist sicher ein ganz vorzüglicher Moderator, den man sich auch additiv im Ersten vorstellen kann oder im Dritten. Der Sendeplatz Sonntagabend aber hat ein bestimmtes Gesicht bekommen, eine solche Massenattraktivität, da können Sie nur einen Fernsehstar hinsetzen. Mit Günther Jauch wird diese Linie gehalten, er ist eine sichere Lösung. Er hat ein völlig unabhängiges Profil, nicht einmal durch seine Werbetätigkeit hat das eine andere Richtung bekommen. Jauch ist ein Phänomen, er ist nicht verbuchbar.

Trotzdem kosten solche TV-Stars sehr viel Geld, vor allem wenn sie als Öffentlich-Rechtliche dann auf Werbeeinnahmen verzichten müssen. Kann man das gegenüber den Gebührenzahlern vertreten?

Man muß sich entscheiden, ob man in der Konkurrenzsituation Menschen verpflichtet, die möglichst viele sehen wollen. Das spricht nicht dagegen, daß man parallel eigene Leute aufbaut, Frank Plasberg ist so ein Fall.

Unserer Meinung nach fehlt auch dem NDR ein Politformat.

Der Ansicht bin ich dezidiert auch.

Und wird da Abhilfe geschaffen?

Wir werden sicherlich in absehbarer Zeit etwas vorstellen. Eine aktuelle Gesprächssendung zu politischen Themen gehört zur Profilschärfung für das NDR-Fernsehen.

Können Sie das präzisieren?

Wir brauchen erst das Format, und dann brauchen wir Geduld. Wer Plasberg sagt, muß wissen, daß der wirklich Jahre gebraucht hat, um sich durchzusetzen. Ich kann mir übrigens auch Gesprächsrunden in einer Zweier-Konstellation vorstellen, wie es Sandra Maischberger bei n-tv gemacht hat. Das sorgt zwar nicht für die ganz großen Zahlen, aber für die Relevanz war das eine ganz wichtige Sendung.

Die Idee, mit Information, mit Kultur zu einer guten Sendezeit zu punkten, wird nicht verfolgt?

Das tun wir auch heute schon, zum Beispiel montags um 20.15 Uhr mit „markt“ oder am Donnerstag mit „mare TV“. Aber vielleicht müssen wir an einigen Stellen deutlicher Flagge zeigen. Wir haben gerade eine Fernsehklausur hinter uns, die nur mit dieser Diskussion beschäftigt war. Weniger mit konkreten Formaten. Es ging um die Frage: Was ist nötig, um das Profil des NDR zu schärfen?

Und wie lautet die Antwort?

Man kann nicht beides von dem Programm verlangen: die hohe Akzeptanz halten und dann in die Primetime eine Leiste legen, die heißen könnte „Kulturjournal“, „Weltbilder“, „Zapp“. Denn dann müßten sie dem Programm gestatten, in den Quoten sehr nachzulassen. Zugleich müßten Sie aufpassen, daß das Ganze nicht als eine Art Zwangsbeglückung der Zuschauer verstanden wird.

Haben Sie da nicht ein pessimistisches Bild von den Zuschauern? Man könnte doch mit „Piraten“ einfach mal ein anderes Angebot machen, nach dem Motto: Wir als Öffentlich-Rechtliche leisten uns das punktuell...

Ich halte das für richtig. Nicht durchgängig im ganzen Programm, aber punktuell müssen wir das deutlich akzentuieren. Das ist auch eine Vorgabe an die Truppe.

Hat sich die Diskussion darüber intern in letzter Zeit verschärft?

Nicht verschärft, aber verändert. Wir können und wollen kein System sein, das von allen bezahlt, aber nur von einer Minderheit genutzt wird. Trotzdem müssen wir auch interessierten Minderheiten etwas bieten.

Wo sehen Sie denn die Hauptaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Zukunft?

Ich glaube, es geht nicht um Grundsatzveränderungen, es geht um Korrekturen, um Profilschärfung. Es wird immer einen Schwerpunkt geben im Bereich der Information, da sind wir weiter vorne als noch vor zehn Jahren. Wir sind sicherlich unverändert gefordert im Bereich der Kultur, der Dokumentation, der anspruchsvollen Reportage. Dabei müssen Sie unsere gesamte Angebotspalette sehen, mit 3sat und Arte. Am ehesten angreifbar sind wir bei einem Teil der Unterhaltung, und auch den schulden wir den Menschen, die sich dafür interessieren.

Sie verweisen auf die Gesamtpalette, aber ist es denn richtig, anspruchsvolles Programm in Nischen- oder Spartenkanälen zu verstecken?

Daß das Angebot dort nicht abgefordert wird, liegt nicht etwa daran, daß die Leute den Sender nicht finden. Sie finden ihn beispielsweise, wenn es bei Arte um „Die Sexualität der Frau“ geht. Dann hat der Kultursender plötzlich eine herausragende Quote.

Die Fernsehnutzung ändert sich. Vor allem jüngere Menschen stellen sich ihr Programm selbst zusammen, die Digitalisierung sorgt dafür, daß Zuschauer zeitsouveräner auf Programme zugreifen können. Was bleibt von Gemeinschaftsgefühlen?

Würde die Fußball-WM nur im Pay-TV übertragen, wäre eine solche flächendeckende Begeisterung in der Gesellschaft, wie sie gerade stattfindet, gar nicht entstanden. Die „Tagesschau“ ist so etwas wie ein gemeinschaftserzeugendes Gefühl, ein „Tatort“, eine Sabine Christiansen auch. Natürlich ist das nicht mehr permanent erreichbar. Insofern ist es wichtig, daß ein Teil dieser Integrationsfunktion erhalten bleibt, und ich denke, daß die Politik das auch weiß. Bei der Debatte um Rundfunkgebühren muß man auch das mit im Blick haben: Wo soll eine Diskussion um Politikmodelle stattfinden, wenn nicht bei uns?

 
Im Büro des Intendanten an der Rothenbaumchaussee: Jobst Plog mit den Abendblatt-Redakteuren Karin Franzke und Hans-Juergen Fink.

Wenn Sie das Geld ansprechen: Braucht denn wirklich jeder Sender ein eigenes Kulturprogramm im Radio?

Über Gemeinschaftsaufgaben muß man sicher nachdenken. Die Digitalisierung wird aber nicht die Verringerung des Angebots nach sich ziehen, sondern das Gegenteil. Man könnte nur als eine mögliche Entwicklungsideee gemeinschaftlich ein traditionelles Klassikprogramm machen und die regional ausgeprägten Klassikwellen noch stärker auf jüngere Zuhörer ausrichten.

Der mögliche Einfluß der Parteien auf den NDR steht im Mittelpunkt des zweiten Teil des Interviews, den Sie morgen im Abendblatt lesen können.

Fotos: Rätzke, Hamburger Abendblatt, (2)

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„Wenn ich dazu beitragen kann, daß es eine vernünftige Nachfolgeregelung gibt, dann kann ich auch früher aufhören. (...) Aus heutiger Sicht hätte ich das (dpa) nicht mehr erklärt, weil es zu Spekulationen Anlaß gibt.“.
Hamburger Abendblatt, 6. Juli 2006

„Günther Jauch ist eine sichere Lösung“
Standpunkte: In der Premium League müssen auch Kompromisse sein
Interview: Intendant Jobst Plog über das Profil des NDR und die interne Diskussion über die Notwendigkeit eines Politikmagazins
„Man könnte nur als eine mögliche Entwicklungsideee gemeinschaftlich ein traditionelles Klassikprogramm machen und die regional ausgeprägten Klassikwellen noch stärker auf jüngere Zuhörer ausrichten“.
Hamburger Abendblatt, 5. Juli 2006