Das GANZE Werk (Berlin-Brandenburg):
Neue Musik in den RBB

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Unterschriftenliste (13 Seiten - Pdf)

An die
Intendantin des Rundfunks
Berlin-Brandenburg (RBB)
Frau Dagmar Reim
Masurenallee 8-14
14057 Berlin
            Initiative Neue Musik in den RBB
Ralf Hoyer/Dr.Gisela Nauck/
Positionen. Beiträge zur neuen Musik
Goßstückenfeld 13
16567 Mühlenbeck
e-mail: nauck@positionen-bznm.de
und: ralf.hoyer@addcom.de

Berlin, den 10. Juni 2006          

„[...] Glaubt der Rundfunk in seiner Verantwortung nur für den Hörer da sein zu sollen, so wird er zum Spielball vager Wünsche, denen, wenn man sie recht betrachtet, eine gewisse Uniformität eignet, die zunächst auf nichts als Zerstreuung aus ist. Zerstreuung aber ist das Gegenteil von Gestaltung, das heißt in unserem Sinne von Lebensgestaltung, zu der der Rundfunk als ein kulturelles Instrument der Zeit mithelfen soll. Denn was sich zerstreut, begibt sich ins Leere. [...]“
(Friedrich Bischoff, 1. Intendant des SWF Baden-Baden 1949 (!))

Offener Brief der Initiative NEUE MUSIK IN DEN RBB

Sehr geehrte Frau Reim,

gestatten Sie, daß wir - die Unterzeichnenden - unsere tiefe Besorgnis über einige Entwicklungen im Programm des rbb-Kulturradios zum Ausdruck bringen. Sie haben damit zu tun, was jüngst ein Radiohörer treffend sagte: „Die Musik, die ich in der Regel im Radio zu hören kriege, nimmt mich und meine Gedanken nicht ernst. Die neue Musik mag ich zwar nicht, aber hier werde ich wenigstens ernst genommen.“ Lassen Sie uns dieses „ernst nehmen“ ernst nehmen!

Als der öffentlich-rechtliche Rundfunk der BRD 1945 von den Alliierten als politisch unabhängige, demokratische Anstalt aufgebaut wurde, lautete eine seiner Verpflichtungen, die Öffentlichkeit auf allen Gebieten von Wissenschaft, Politik, Kunst, Kultur, Wirtschaft, Religion usw. über die jeweils aktuellen Entwicklungen zu informieren. An diesem allgemeinen Kulturauftrag hat sich bis heute nichts geändert. Hört man aber rbb-Kulturradio, fühlt man sich, was die „Ernste“ Musik betrifft, ins 18./19. Jahrhundert zurückversetzt. Die verbliebenen, wöchentlich zwei Stunden „Musik der Gegenwart“ senden fast ausschließlich „Alte Meister der Moderne“, in der Berichterstattung kommt zeitgenössische Musik so gut wie gar nicht vor. Dabei ist gerade Berlin der derzeit spannendste Ort für Neue Musik, nicht nur in Deutschland. Ebenso wenig erfährt man etwas über wichtige nationale und internationale Festivals Neuer Musik. Gänzlich fehlen Sendungen zu aktuellen ästhetischen Diskussionen, musikalischen oder aufführungspraktischen Experimenten usw. usf.

Am schmerzlichsten aber ist und bleibt, daß das rbb-Kulturradio nicht einmal jenen Aktivitäten im Bereich zeitgenössischer Musik ein regelmäßiges Forum bietet, die in Berlin und Brandenburg, seinem Sendegebiet also, stattfinden. Seine Beteiligung am Festival Ultraschall ist da kaum mehr als ein Feigenblatt. Da DeutschlandRadio Berlin in seiner Berichterstattung überregional und international ausgerichtet ist, hat die Neue Musik Brandenburgs in der bundesdeutschen Radiolandschaft kein Forum. Wer aber wenn nicht das rbb-Kulturradio sollte dieses Forum sonst sein?

Wir möchten deshalb folgende Korrekturen anregen:

  1. Die beiden Sendungen „Musik der Gegenwart“ spiegeln in keiner Weise die aktuelle Musikentwicklung; notwendig wäre es, auch junge Komponisten und Interpreten sowie Klang-, Multimedia- und Radiokünstler, Laptop- und Improvisationsmusiker vorzustellen.
  2. Einrichtung eines neuen Sendetyps mit informierendem Charakter, der über wichtige überregionale und internationale Festivals, Uraufführungen, Ensembles, Orte neuer Musik, pädagogische Initiativen usw. usf. berichtet.
  3. Alternierend dazu in vierzehntägigem Wechsel: Einrichtung einer ähnlichen Sendeform, die sich Aktivitäten mit neuer Musik im Sendegebiet Berlin-Brandenburg widmet. Gerade eine solche Sendung halten wir für die Identifikation einer interessierten Hörerschaft - die sich von „ihrem“ Sender ernst genommen sieht - für unverzichtbar.

Darüber hinaus halten wir es für notwendig, daß:
- Ereignisse zeitgenössischer Musik auch zum festen Bestandteil der allgemeinen Kulturnachrichten werden.
- Ereignisse zeitgenössischer Musik in der Region im voraus angekündigt werden.
- Die in der Regel mit öffentlichen Mitteln geförderten Werke und Aufführungen durch mehr Live-Mitschnitte und Produktionen dokumentiert und durch entsprechende Sendungen einem größeren Rezipientenkreis zugänglich gemacht werden.

Als Anstalt des öffentlichen Rechts partizipiert auch der RBB von den Rundfunkgebühren, um jene Programmvielfalt zu sichern, die entsprechend seines Kulturauftrags auch die Interessen von Minderheiten einschließen muß. Diese Vielfalt ist durch die immer ausgeprägtere Praxis, Entscheidungen allein auf der Grundlage von Einschaltquoten zu fällen, in bestürzender Weise eingeschränkt worden.
Gern, sehr geehrte Frau Intendantin, würden wir unsere Vorschläge in einem Gespräch mit Ihnen erläutern und präzisieren.

Hochachtungsvoll
für die Initiative Neue Musik in den RBB

Dr. Gisela Nauck
(Chefredakteurin „Positionen. Beiträge zur neuen Musik“)
             Ralf Hoyer
(Komponist)

P.S. Das Kulturradio wirbt für sich mit dem griffigen Slogan: „Hier spielt die Klassik“. Ein scheinbar harmloses Wortspiel mit dem bekannten Ausspruch: „Hier spielt die Musik“. Zugleich aber hat es auch die Bedeutung von: Hier geht es lang, wir bestimmen die Richtung, wir sagen, was Sache ist. Abgesehen von dem unangenehmen Beigeschmack dieses kleinen Überrumpelungsversuchs enthält er in unseren Augen auch eine klare programmatische Aussage: Musik ist Klassik, „neue Musik“, die mit jenem Terminus nun bereits rund 100 Jahre Musikgeschichte abdeckt, ist keine Musik. Für einen Sender, der sich als Kulturradio versteht, wäre solch eine Deutung nicht nur ein Fauxpas, sondern eine Bankrotterklärung vor der Kunstgeschichte.

Kopien dieses Schreibens erhalten Frau Dr. Ulrike Liedtke (Vorsitzende des Rundfunkrates RBB), Frau Karin Stemmler (Vorsitzende des Programmausschusses RBB), Frau Prof. Dr. Johanna Wanka, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Dr. Thomas Flierl, Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur Berlin, Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg.

Wir behalten uns außerdem vor, den Brief weiteren Interessenten zugänglich zu machen.

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Bis zum 22. Juni 2006 haben 47 Institutionen o.ä. und 191 Einzelpersonen unterschrieben
Aufruf: Die Unterschriftensammlung „Neue Musik in den RBB“ geht weiter
Unterschreiben Sie den Offenen Brief, wenn Sie mit dem Programm des RBB Kulturradio und dem Stellenwert der Neuen Musik darin unzufrieden sind
Berlin, Initiative Neue Musik in den RBB, 26. Juni 2006

Unterschriftenliste (Pdf-Datei)
26 Institutionen, Festivals, Veranstalter, Verlage, Label, Kulturmanagment
• 12 Vereine, Verbände, Stiftungen
Ensembles
191 Einzelpersonen