Das GANZE Werk - Presseschau
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Skandalös könnte die Sendung gefunden haben, wer wusste, in welcher Funktion Beckmann neben seiner Tätigkeit als Moderator einer Talkshow im Ersten unterwegs ist. Beckmann ist seit kurzem „Testimonial“ für die Versicherungsgruppe WWK, wirbt also in deren Interesse „für die Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge“. Das teilte WWK am 1. März in einer Pressemitteilung mit.
Blüm musste es in der Sendung nicht nur mit Beckmann aufnehmen. Auch Nina Ruge war zu Gast. Eigentlich, um für ihr Buch über „Selbstheilung“ zu werben. Sie beteiligte sich jedoch auch rege am Gespräch mit Blüm und wies auf die Notwendigkeit privater Altersvorsorge hin. Das verwundert nicht: Die ZDF-Journalistin war ebenfalls Testimonial für WWK.
Der Sprecher des für „Beckmann“ zuständigen NDR sagte gestern, der Werbevertrag des Moderators mit der WWK sei der ARD-Anstalt zum Zeitpunkt der Sendung nicht bekannt gewesen. Zwar gebe die Sendung selbst keinen Anlass zu Beanstandungen, der NDR bedauere jedoch, wenn „der Eindruck einer Interessenkollission entstehen konnte“.
Der Tagesspiegel, 26. April 2006
Doppelagent Beckmann
Wie der Moderator seine Sendung als Plattform für das Thema Privatvorsorge nutzt
Von Ulrike Simon
Kontrovers könnte man die Diskussion nennen, die Reinhold Beckmann am 20. März mit Norbert Blüm geführt hat. Skandalös könnte die Sendung gefunden haben, wer wusste, in welcher Funktion Beckmann neben seiner Tätigkeit als Moderator einer Talkshow im Ersten unterwegs ist. Beckmann ist seit kurzem „Testimonial“ für die Versicherungsgruppe WWK, wirbt also in deren Interesse „für die Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge“. Das teilte WWK am 1. März in einer Pressemitteilung mit. Darin heißt es: In der neuen Werbekampagne werde Beckmann „als neutraler Beobachter das moderne Leben mit seinen veränderten und manchmal beängstigenden Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven“ kommentieren. Damit soll der Haltung der Bevölkerung entgegengewirkt werden, „die sich nicht gerne freiwillig“ mit Finanzprodukten auseinander setzt.
Rund drei Wochen nach Bekanntwerden dieses Engagements hatte Beckmann den früheren Arbeits- und Sozialminister Blüm zu Gast in seiner Sendung. Es ging um die Frage „Steht die deutsche Altersvorsorge vor dem Bankrott?“, und es ging um Blüms Äußerung aus dem Jahr 1996: „Die Renten sind sischer“. Vehement verteidigte Blüm im Gespräch mit Beckmann seine Ansicht, das gesetzliche Rentensystem sei immer noch die beste Altersvorsorge; sie sei einer teuren und unsicheren privaten Rentenversicherung vorzuziehen. Blüm musste es in der Sendung nicht nur mit Beckmann aufnehmen. Auch Nina Ruge war zu Gast. Eigentlich, um für ihr Buch über „Selbstheilung“ zu werben. Sie beteiligte sich jedoch auch rege am Gespräch mit Blüm und wies auf die Notwendigkeit privater Altersvorsorge hin. Das verwundert nicht: Die ZDF-Journalistin war ebenfalls Testimonial für WWK. Vom 9. Dezember 2002 stammt die Pressemitteilung, dass sie in einer Kampagne „im Dialog mit sich selbst“ zweifelnd Fragen zu Themen wie Renten- und Risikolebensversicherung aufwirft, um dann „selbst die überzeugende Antwort mit einer passenden WWK-Produktlösung“ zu liefern.
Markus Peichl, Redaktionsleiter von „Beckmann“, versichert, Ruge sei Wochen zuvor zur Sendung eingeladen gewesen. Blüm wiederum sei aus aktuellem Anlass erst kurzfristig angefragt worden. Wenn man die äußeren Umstände „oberflächlich und bösartig“ interpretiere, könne man „daraus natürlich einen Skandal konstruieren“, meint Peichl. „Bei seriöser und eingehender Betrachtung des Gesprächs“ würde man feststellen, dass Beckmann das Interview „unbeeinflusst von seinem Werbevertrag“ geführt habe. Die WWK wurde kein einziges Mal namentlich genannt; Blüm habe seine Meinung ausführlich vertreten können. Das journalistische Ergebnis sei laut Peichl „sauber und unangreifbar“.
Dennoch: Der Zuschauer wurde im Ungewissen gelassen. Weder Beckmann noch Ruge wiesen auf ihre Werbetätigkeiten im Dienst privater Altersvorsorger hin. Auch Blüm erfuhr, wie er dem Tagesspiegel sagte, erst hinterher davon. Insofern konnte er in der Sendung nur die Rentenkampagne von „Bild“ ansprechen, aus der Beckmann zitiert und die Blüm der Lüge bezichtigt hatte. Der Politiker sagte, seiner Ansicht nach werde die gesetzliche Rentenversicherung „madig“ gemacht, „damit das Geld in der Kasse der Privatversicherung besser klingelt“. Allianz sei „der Gewinner der ,Bild’-Kampagne. Und die ,Bild’ arbeitet ja auch mit Allianz zusammen.“ Tatsächlich bot Bild.T-Online, Veranstalter von „Bild.de“, mit der Allianz die so genannte „Volksrente“ an, bestätigt „Bild.de“-Sprecher Tobias Fröhlich. Eine Verbindung mit der Zeitungsredaktion bestünde nicht. Bei „Bildblog“, das Fehlleistungen des Springer-Blatts akribisch dokumentiert, ist nachzulesen, wie „Bild.de“ einen Artikel zur so genannten „Rentenlüge“ zeitweise zu Angeboten der Allianz verlinkt hatte. Erst nachdem die Vermischung von Redaktionellem und Werblichem aufgefallen war, wurden die Links entfernt.
Vermischung und Vermengung allerorten. Der Sprecher des für „Beckmann“ zuständigen NDR sagte gestern, der Werbevertrag des Moderators mit der WWK sei der ARD-Anstalt zum Zeitpunkt der Sendung nicht bekannt gewesen. Zwar gebe die Sendung selbst keinen Anlass zu Beanstandungen, der NDR bedauere jedoch, wenn „der Eindruck einer Interessenkollission entstehen konnte“. Um dies auszuschließen, „wird uns Reinhold Beckmann in Zukunft, wie vertraglich vorgesehen, über seine Werbeverträge in Kenntnis setzen“. Die Redaktion im NDR werde sicherstellen, dass auf Themen verzichtet werde, die mit Blick auf Beckmanns Werbeaktivitäten „Zweifel an der Unabhängigkeit des NDR auslösen könnten“.
Gerade haben ARD und ZDF festgelegt, dass als Experten engagierte Sportstars vor der Kamera keine Firmenlogos mehr auf ihrer Kleidung präsentieren düfen. Nach den Vorfällen bei Beckmann und Kerner (Tagesspiegel vom Dienstag) sollten vielleicht stattdessen den Moderatoren die Namen ihrer Werbepartner auf den Hemdkragen genäht werden. Dann wüsste der Zuschauer wenigstens, woran er ist.
Foto: Das Erste