Das GANZE Werk - Presseschau
Zitat: Kestings Ruhestand fällt in eine Zeit, in der das Programm von „NDR Kultur“ bei zahlreichen Hörern umstritten ist. (...) Doch ist er der Überzeugung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk „zwar kein Museum sein darf, aber Kulturtraditionen pflegen soll“.
Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 25. Januar 2006
Ein Klassiker verabschiedet sich
NDR-Redakteur, Autor, Traditionspfleger: Hanjo Kesting geht
Das alte Büro in Hannover ist geräumt, die neue Wohnung in Hamburg bezogen. Hanjo Kesting, der langjährige Leiter der NDR-Abteilung „Kulturelles Wort“ und vielfach zu Gast beim Göttinger Literaturherbst, geht in den Ruhestand.
Von Martina Sulner
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Der Andrang im hannoverschen Theatermuseum war gewaltig. Weit mehr als hundert Menschen wollten vor knapp zwei Wochen den Vortrag über „Lotte in Weimar“ und Thomas Manns Goethe-Bild hören.
Kulturelle Traditionspflege in sekundengenauer Präzision: Hanjo Kesting. Foto: Plümer |
Der 63-Jährige wirkt hingegen recht aufgeräumt. Er trinkt einen Milchkaffee und erzählt: Dass das alte Büro in Hannover geräumt und die neue Wohnung in Hamburg bezogen ist, dass er seine vielen Manuskripte sortiert und vielleicht ein Buch mit Texten zur Oper veröffentlicht. Abschiedsschmerz ist bei ihm nicht zu spüren – vielleicht, weil die Zeit für Typen wie ihn beim NDR abgelaufen scheint. Für Menschen, deren Herz an niveauvollen Texten hängt, die eine Sendedauer von zwei, drei Minuten deutlich überschreiten.
Darüber jedoch spricht Kesting nicht. Lieber erzählt er von den „großartigen Möglichkeiten“, die er bei dem Sender hatte, seit er dort vor 33 Jahren Redaktionsleiter wurde. Autoren wie Günter Grass, Peter Rühmkorf und Hans-Magnus Enzensberger hat er schon früh zu Lesungen nach Hannover geholt – „alle waren sie da“. Die von ihm konzipierten Sendungen „Am Morgen vorgelesen“ und „Am Abend vorgelesen“ sind Klassiker geworden.
Umstrittene Reform
Sein Nachfolger wird Andreas Wang, zuletzt Chef der Hörspielredaktion in Hamburg. Kestings Ruhestand fällt in eine Zeit, in der das Programm von „NDR Kultur“ bei zahlreichen Hörern umstritten ist. Im Jahr 2003 reformierte der Sender sein Programm, und seitdem gibt es alles in kleinen Portionen – ein bisschen Musik, ein bisschen Text, ein bisschen Moderation.
Es gab Proteste gegen dieses Formatradio, dessen Marktanteil derzeit 1,9 Prozent beträgt. Vor der Reform waren es 1,6 Prozent. Eine Prognose, wie sich Kulturradio in Deutschland entwickeln werde, mag Kesting nicht abgeben. Doch ist er der Überzeugung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk „zwar kein Museum sein darf, aber Kulturtraditionen pflegen soll“. Viele Radiohörer – zumal die älteren und gebildeten, die sich für Kultursendungen interessieren – stimmten ihm wohl zu.
Die Sendungen „Am Morgen vorgelesen“ und „Am Abend vorgelesen“, die künftig die langjährige hannoversche Redakteurin Ulrike Sàrkàny betreuen wird, sollen „Qualität und Renommee“ behalten, sagt ein Sprecher des Senders. Allerdings könne man sich vorstellen, mehr zeitgenössische Literatur lesen zu lassen. Man darf gespannt sein.
„Qualität und Renommee“
Hanjo Kesting tritt am heutigen Mittwoch, 19.30 Uhr, noch einmal im Kleinen Sendesaal Hannover auf. Zu seinem Abschied moderiert er den von ihm konzipierten literarischen Abend „Edelmut und Narrheit. Wiedersehen mit Don Quijote“ mit Traugott Buhre, Michael Maertens und Birgit Minichmayr (Sendetermin: 5. Februar). Dass er die Figur des tragikomischen Ritters ausgewählt habe, sei „nicht symbolisch gemeint“, sagt Kesting. „Der Abend ist ein Streifzug durch den Roman, er soll den Radius des Buches vergegenwärtigen“. Das kann man auch Traditionspflege nennen.
17 Porträts deutsch-jüdischer Autoren von Börne bis Weiss hat Hanjo Kesting in seinem Buch „Ein bunter Flecken am Kaftan“ vorgestellt, überarbeitete Einführungstexte zu den NDR-Sendungen „Am Morgen vorgelesen“ und „Am Abend vorgelesen“ (320 Seiten, Wallstein Verlag, Göttingen 2005, 24 Euro ).
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Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 27. Januar 2006
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NDR Homepage, 2. Januar 2006, Presse aktuell