Das GANZE Werk - Presseschau (Dokumentation)

ZEIT 51/2005, 15. Dezember 2005 (Ausschnitte)

EU-Richtlinie

Fernsehen ohne Grenzen

Brüssel opfert die künstlerische Freiheit zugunsten der Werbung

Von Götz Hamann

Im Namen der Freiheit ist schon viel geschehen. Jetzt beruft sich Viviane Reding darauf, die EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien. Sie hat eine Richtlinie entworfen, die es erlaubt, Filme, TV-Serien und sogar Ratgebersendungen mit Werbung zu vermischen.

Seifen, Luxusautos oder etwa Reisebüros sollen gegen Bares ins Drehbuch eingebaut werden dürfen. Ein Skandal wie in der ARD-Serie Marienhof wäre keiner mehr, solange ein Sender im Vorspann ausweist, wer gerade zahlt. So macht man aus „Schleichwerbung“ ein legales „Product-Placement“ und aus dubiosen Geschäftemachern ehrbare Kaufleute. Nur Nachrichten, Sendungen übers Zeitgeschehen und das Kinderprogramm will Reding schonen.

Die Kommissarin nennt das zeitgemäße „Flexibilität“. Aber wie viel Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit bleibt Journalisten, die in Ratgebersendungen über Wirtschaftsthemen berichten, wenn sie demnächst von diversen Industrien finanziert werden? Angenommen, ein Pharmakonzern bezahlte einen Beitrag. Und im Anschluss wären die Journalisten frei genug, um ein Medikament oder eine Therapie desselben Unternehmens zu kritisieren? (...)

Um Sendern wie RTL oder ProSieben zu helfen, verübt Reding jetzt aber einen Anschlag auf die künstlerische Freiheit von Drehbuchautoren und Produzenten, Schauspielern und Regisseuren. Sie sagt, sie folge dem Vorbild der USA, wo sich die TV-Industrie in großem Umfang mit Product-Placement finanziere. Sie hat ja Recht. Nur zieht sie die falschen Schlüsse. (...) Amerikanischen Drehbuchautoren (...): „Wir werden genötigt, als Werbetexter zu arbeiten, aber so zu tun, als würden wir Geschichten erzählen.“

Zum vollständigen Artikel: ZEIT 51/2005