Das GANZE Werk - Presseschau
Kulturinformationszentrum (kiz),
Meldung der neuen musikzeitung (nmz), Redaktion Leipzig, 24. November 2005
8. Kulturbarometer des Zentrums für Kulturforschung (ZfK) Bonn in Kooperation mit der Deutschen Orchestervereinigung (DOV)
Kontinuierliche „Veralterung“ der Klassik- und Opernbesucher geht einher mit einer zunehmenden Intellektualisierung
„Ein Hauptthema der nächsten Zeit wird die alters- und zielgruppengemäße Musikvermittlung sein“ (Gerald Mertens)
Als kulturelles Erlebnis ist die Musik neben dem Film die beliebteste kulturelle Sparte. 42 % der Bundesbürger haben in den letzten 12 Monaten mindestens eine Musiktheateraufführung und/oder klassisches Konzert besucht. Das sind 18 % mehr Besucher als noch vor 20 Jahren. Gleichzeitig ist eine zunehmende Veralterung und Intellektualisierung des Publikums festzustellen. Dies sind einige der wichtigsten Ergebnisse des aktuellen Kulturbarometers, das vom Zentrum für Kulturforschung (ZfK) Bonn in Kooperation mit der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) erhoben wurde.
Der Höhepunkt der Zunahme des Klassik-Publikums, bezogen auf die letzten 20 Jahre, lag vor 10 Jahren. Seitdem ist ein leichter Rückgang festzustellen. Alarmierend ist der zunehmende Wegfall von Besuchergruppen mittleren Alters und jüngeren Senioren. Dies hat Auswirkungen auch auf die Jugend, die heute wesentlich seltener über das Elternhaus an die Klassik herangeführt wird als früher. 1965 gingen noch 58 % der Bevölkerung im Alter bis 40 Jahre mindestens einmal jährlich in die Oper, heute sind es nur noch 26 %.
Die kontinuierliche „Veralterung“ der Klassik- und vor allem der Opernbesucher geht einher mit einer zunehmenden Intellektualisierung des Publikums. Dies gilt jedoch nicht nur für die klassische Musik, sondern für alle Kultursparten. Die Ursachen liegen in der wachsenden bildungsbedingten Spaltung der Gesellschaft, die auch die PISA-Studie diagnostiziert. Das Ideal „Kultur für alle“ ist damit heute immer stärker auch von bildungspolitischen Maßnahmen abhängig.
75 % aller Bundesbürger sind unabhängig von der eigenen Nutzung kultureller Einrichtungen und Angebote der Überzeugung, dass die großen Kulturinstitutionen gefördert werden sollten. Auch halten 68 % der Eltern mit Kindern unter 25 Jahren es für wichtig bzw. sehr wichtig, dass ihre Kinder mindestens einmal ein Kulturangebot, ein Museum, Theater oder Konzert, besucht haben. Selbst 60 % der Eltern, die sich nach eigenen Angaben wenig für Kultur interessieren, tun dies.
Um die große Akzeptanz für Hochkultur zumindest bei einem Teil der Bevölkerung in persönliches Interesse und private Freizeitgestaltung umzuwandeln, sind die Kultureinrichtungen mit entsprechenden Initiativen gefordert. Eine Schlüsselaufgabe hierbei kommt nach den Erkenntnissen der Studie der Betonung des sinnlichen Erlebnisses, das mit einem Konzertbesuch verbunden ist, zu. Denn die Atmosphäre der Veranstaltung wird neben guter Unterhaltung von den Befragten als besonders wichtig eingestuft.
Für DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens sind die Konsequenzen aus dem Kulturbarometer klar: „Opernhäuser und Orchester müssen regelmäßiger Angebote für die ganze Familie machen. Konzertsäle und Musiktheater sollten sich um ein attraktiveres Ambiente, z.B. durch Treffpunkte mit Gastronomie vor und nach der Veranstaltung bemühen. Den unverändert bestehenden Berührungsängsten mit klassischer oder moderner Musik kann man durch neue Konzertformen, wie z.B. moderierten Konzerten, begegnen.“
„Ein Hauptthema der nächsten Zeit wird die alters- und zielgruppengemäße Musikvermittlung sein. Außerdem müssen Kultureinrichtungen ihre Angebote untereinander stärker vernetzen: Wer ins Museum geht, kann auch für Konzert und Oper interessiert werden und umgekehrt“, so Mertens weiter.
Nach Auffassung der DOV kann die Zukunft der klassischen Musik jedoch nicht allein durch die Orchester und Opernhäuser gesichert werden. Diese können die Kinder und Jugendliche zwar ab einem bestimmten Zeitpunkt betreuen, doch die Grundlagen müssen Bildungs- und Kulturpolitik durch die Einrichtung eines regelmäßigen Instrumentalunterrichts an den Schulen legen. Dies ist auch angesichts der schwindenden musischen Erziehung im Elternhaus notwendig. Nur im Verbund von Bildungspolitik, Kulturpolitik und Kulturträgern kann die große Herausforderung, klassische Musik auch für nachfolgende Generationen zu erhalten und zugänglich zu machen, zum Erfolg geführt werden.
V.i.S.d.P.
Gerald Mertens