Das GANZE Werk - Presseschau (Dokumentation)
epd medien Nr. 72/2005, 14. September 2005 (Ausschnitte)
epd-medien berichtet von der Kundenliste für die Jahre 2002 bis 2005, die die ARD am 13. September in Stuttgart veröffentlichte
• Der Wunsch von Musikliebhabern, dass der Sender NDR Kultur, „der als öffentlich-rechtlicher Sender einen Bildungs- und Kulturauftrag hat“, tagsüber in einer Dauer von mindestens vier Stunden ganze Werke mit einer kompetenten Moderation und ohne NDR-Eigen- und Partnerwerbung sendet (Resolution der Initiative Das GANZE Werk), wird bisher schlichtweg übergangen.
• Die Schleichwerbung und integrierte Propaganda von bestimmten Unternehmerverbänden soll aber „dem Bildungs- und Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ entsprochen haben und „von der ARD uneingeschränkt mitgetragen“ worden sein... (ISNM-Geschäftsführer Dieter Rath)
Beides ist nicht zu akzeptieren.
Programmintegrierte Werbung
Schleichwerbe-Fälle, die in die Inhalte des Programms eingreifen
• Serienfigur „Corinna“: Sprachrohr der Versicherungswirtschaft
• „Selbstmedikation“: Rezept von Arzneimittel-Herstellern und Apothekerverbänden
• „Wirtschaft, schlanker Staat, Steuern“: Propaganda von Unternehmerverbänden
• Serienfigur „Luna“: Sprachrohr „Existenzgründung durch Förderung des Bundes“
Stuttgart (epd). In der ARD-Serie „Marienhof“ haben vor allem Interessenverbände schleichwerben lassen. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) habe mit 208.607 Euro den höchsten Einzelbeitrag gezahlt, geht aus einer Kundenliste für die Jahre 2002 bis 2005 hervor, die die ARD am 13. September in Stuttgart veröffentlichte. Demnach ließ der Verband in der Fernsehserie verschiedene Versicherungsfälle mittels der Serienfigur „Corinna“ im Dialog thematisieren.
Stammkunde im „Marienhof“ war der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller in Verbindung mit der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Beide zusammen zahlten nach Feststellung von beauftragten Wirtschaftsprüfern im Jahr 2002 173.839 Euro, damit Apotheken in der Serie als „fachkompetent“ herausgestellt und den Zuschauern die „Selbstmedikation“, also der Kauf apotheken-, nicht aber verschreibungspflichtiger Arzneimittel, nahe gebracht wurde. Im vergangenen Jahr waren die beiden Verbände den Feststellungen zufolge nochmals dabei und engagierten sich mit 93.500 Euro. Selbst im laufenden Jahr wurden laut Prüfbericht noch fünf Apotheken-Placements für 46.750 Euro untergebracht, bevor die verbotene programmintegrierte Werbung durch einen epd-Bericht aufgedeckt wurde. (...)
INSM: ein „Marienhof“-Thema für 58.670 Euro
Auch die neoliberale „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) zählte zu den Placement-Kunden der Bavaria Film und der vorgeschalteten Agentur Kultur+Werbung bzw. H.+S. Unternehmensberatung. Laut ARD-Liste wurde das Thema „Neue soziale Marktwirtschaft“ im Jahr 2002 sieben Mal für 58.670 Euro platziert. Thematisch soll es dabei um „Wirtschaft, schlanker Staat, Steuern etc.“ gegangen sein. „Kooperationspartner nicht bekannt“, heißt es ergänzend im internen ARD-Bericht, der den Intendanten der Rundfunkanstalten bei ihrer jüngsten Sitzung in Stuttgart vorlag. ISNM-Geschäftsführer Dieter Rath bestätigte dem epd am 13. September, dass es sich dabei um die Initiative gehandelt habe. Die Themenauswahl habe „dem Bildungs- und Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ entsprochen. Die beauftragte Agentur habe versichert, die Kooperation werde „von der ARD uneingeschränkt mitgetragen“.
Möglicherweise flossen auch Steuergelder in die Schleichwerbegeschäfte der Bavaria Film. Für das Jahr 2004 ist ein Vorgang dokumentiert, bei dem 46.750 Euro für die Idee der „Existenzgründung durch Förderung des Bundes“ gezahlt wurden. Dies sei mittels der Serienfigur „Luna“, die für die Eröffnung eines Fitnessstudios ein Existenzgründerdarlehen erhielt, umgesetzt worden. „Kooperationspartner nicht bekannt“, notierte die ARD-Clearingstelle für die Trennung von Programm und Werbung dazu...
Zur Information - „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM)
Über die Initiative - Wer ist die Initiative?
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist eine branchen- und parteiübergreifende Plattform und ausdrücklich offen für alle, die sich dem Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft verbunden fühlen. Sie wird derzeit mit rund 8,8 Mio. Euro jährlich, nach Abzug von Steuern, von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanziell getragen und von weiteren führenden Wirtschaftsverbänden unterstützt. Wissenschaftlich begleitet wird die Initiative vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Sie wird repräsentiert von einem Kuratorium mit dem früheren Bundesbankpräsidenten Prof. Dr. Hans Tietmeyer an der Spitze. Zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik engagieren sich als Botschafter der Sozialen Marktwirtschaft für die Initiative.