Das GANZE Werk - Presseschau

Hamburger Morgenpost, 14. Juni 2005

Medien

ARD klagt in Karlsruhe gegen Gebührenverfahren

Nach Schleichwerbung in der „Marienhof“-Serie: Gründliche Schulung aller verantwortlichen Redakteure - ARD zeigt dort Beispielfilm mit vermutetem so genannten Themen-Placement

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Bremen - Die ARD-Anstalten wollen wegen des Eingreifens der Länderregierungschefs bei der jüngsten Erhöhung der Rundfunkgebühren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klagen. Dies hätten die neun Intendanten einstimmig beschlossen, sagte der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber nach einer Intendanten-Tagung in Bremen. „Es geht um den Grundwert der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“ Zugleich bot die ARD den Ministerpräsidenten nochmals Gespräche an, um den Streit vor einer Verfassungsklage in letzter Minute politisch zu lösen.

Die Regierungschefs hatten die Empfehlung der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) erheblich reduziert. Statt am 1. Januar 2005 um 1,09 Euro auf 17,24 Euro erhöhten sie die Rundfunkgebühr erst am 1. April um lediglich 0,88 auf 17,03 Euro.

Die Intendanten erklärten, das Verfahren weise Defizite auf, die nicht hingenommen werden könnten. Die ARD wolle in Karlsruhe feststellen lassen, dass es nicht verfassungsgemäß gewesen sei, sagte Gruber. „Es geht um die Zukunft. Es geht uns nicht ums Geld.“ Den ARD-Sendern sei klar, dass das bei der jüngsten Gebührenerhöhung verloren gegangene Geld nicht wieder zu bekommen sei.

Die Intendanten beschlossen zudem, die sechs Politmagazine und das Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ vom kommenden Jahr an zu verkürzen. Die Sendungen „Report Mainz“, „Report München“, „Monitor“, „Fakt“, „Panorama“ und „Kontraste“ werden künftig nicht mehr 45, sondern 30 Minuten dauern, „Plusminus“ statt 35 noch 30 Minuten. Dies ist aus ARD-Sicht nötig, weil die Nachrichtensendung „Tagesthemen“ von Montag bis Donnerstag von 22.30 auf 22.15 Uhr vorgezogen werden soll.

„22.30 Uhr für die zweite große Nachrichtensendung des Tages ist zu spät“, sagte Programmdirektor Günter Struve. Die Programmänderung stärke die Position der ARD als wichtigstem Informationssender. „Zwischen 22.15 und 22.30 Uhr verabschieden sich nachweislich drei Millionen Zuschauer ins Bett.“ Die Magazin-Redaktionen forderten die Intendanten auf, keine weiteren Reduzierungen mehr vorzunehmen.

Nach dem Bekanntwerden von Schleichwerbung in der Fernsehserie „Marienhof“ kündigte Struve eine gründliche Schulung aller verantwortlichen Redakteure an. Dazu werde ein Beispielfilm aus Filmen und Serien erstellt, bei denen die ARD vermute, dass so genanntes Themen-Placement stattgefunden habe. Dieses sei sehr viel schwieriger zu erkennen als Produkt-Placement. „Man muss diejenigen, die vor Ort die Freigabe und damit die Sendefähigkeit feststellen, in den Stand versetzen, auch sehr Subtiles und sehr Hinterhältiges herauszufiltern.“

Im Gebührenstreit sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) in Mainz, er sehe der Auseinandersetzung in Karlsruhe gelassen entgegen: „Ich bin zuversichtlich, dass der Staatsvertrag nicht verworfen werden wird.“ Die Ministerpräsidenten würden über das Thema am 23. Juni in Berlin beraten.

Der Verband privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) erhofft sich von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts „eine Entrümpelung öffentlich-rechtlicher Freibriefe und Privilegien“.

Im Gegensatz zur ARD hatte sich ZDF-Intendant Markus Schächter gegen eine Klage seines Senders in Karlsruhe entschieden und für eine „politische Lösung“ plädiert. Der ARD-Vorsitzende Gruber betonte: „Wir sind entschieden, dass wir klagen. Wenn es allerdings gelingt, die Probleme ohne Klage zu lösen, dann ist uns das sehr recht.“ Die Ideen der Intendanten seien „gar nicht so weit entfernt“ von Überlegungen der Länderchefs.