Das GANZE Werk - Presseschau
DIE WELT, 26. Mai 2005
Zweifacher Griff in die Beck-Schatulle
Die Vergangenheit hat einen langen Schatten
Kultursenatorin Karin von Welck stellt den neuen Musikhallen-Geschäftsführer vor: Gereon Röckrath
von Katja Engler
Für einen vorzeitig abgesprungenen Mann einen guten Nachfolger zu finden, ist immer eine undankbare Aufgabe. Im Falle der Nachfolge des bisherigen Musikhallen-Geschäftsführers Benedikt Stampa, der Mitte September zum Konzerthaus Dortmund wechselt, geriet die Suche zu einem Drahtseilakt für Kultursenatorin Karin von Welck. Denn die Position Stampas ist so kompliziert wie die auf vielfache Weise verflochtene Hamburger Musikszene. Einerseits ist die Musikhalle Abspielort für alle Orchester und Veranstalter der Stadt, andererseits soll sie sich, auch im Hinblick auf den geplanten Bau der Elbphilharmonie, durch eigene Veranstaltungen profilieren. Professor Gereon Röckrath (45), und Dr. Christian Kuhnt (38), die gestern auf einer Pressekonferenz als die neuen Männer für die Musikhalle vorgestellt wurden, sind ohne Zweifel kompetent und erfahren: Röckrath, der in Zukunft Geschäftsführer der Musikhalle wird, war neun Jahre Verwaltungsdirektor beim Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) und zuvor an der Hamburgischen Staatsoper. Ihm zur Seite steht als künstlerischer Berater der Musikwissenschaftler Christian Kuhnt, seit 1999 Dramaturg und seit 2002 stellvertretender Intendant und künstlerischer Planer beim SHMF. Um den Übergang zur Generalintendanz von Musikhalle und Elbphilharmonie zu erleichtern, hat Röckrath ungewöhnlicherweise einen Vertrag bis 2013 - der zukünftige Generalintendant wird seinen Geschäftsführer, eine sehr vertrauensvolle Position, dann also nicht selbst wählen können. Kuhnt soll bis 2006 das von Stampa mit großer Energie aufgebaute künstlerische Profil der Musikhalle weiterentwickeln.
Einen Faktor gilt es mit der Entscheidung für Röckrath/Kuhnt sehr kritisch zu prüfen: Rolf Beck, als SHMF-Intendant und zugleich NDR-Klangkörper-Chef bereits jetzt mit großer Macht ausgestattet, hat nun zwei seiner langjährigen Mitarbeiter im Nervenzentrum des musikalischen Lebens postiert. Auf der Pressekonferenz führte das zu ungewohnt heftigen Diskussionen.
"Es geht uns allen um die Sache, nicht um Machtfragen", versuchte die Senatorin abzuwiegeln. Kuhnt sagte: "Ich sehe nicht den großen Interessenkonflikt." Und Röckrath, der erst Ende des Jahres aus seinem SHMF-Vertrag herauskommt, konterte: "Ich nehme doch nicht das Hemd und das Logo mit! Sie dürfen mir zutrauen, daß ich da auch einen eigenen Weg finde."
Sicher scheint: Rolf Beck, der für das NDR Sinfonieorchester ja auch gute Aufführungstermine braucht, hat sich einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Und: Es wird der Tag kommen, an dem er sich um denselben Künstler bemüht wie Christian Kuhnt. Wer läßt dann dem anderen den Vortritt? "Ich gehe von einer friedlichen Koexistenz aus", so Röckraths frommer Wunsch.
In Hamburg freut man sich offiziell über die Neu-Besetzung der Musikhallen-Leitung. Simone Young, Daniel Kühnel, Hans-Werner Funke, Klaus Wollny - sie alle wünschen den beiden viel Glück.
Hinter den Kulissen aber rumort es. Die gerade erst von der Kultursenatorin entfachte neue Begeisterung bei allen am Musikleben Beteiligten hat mit dem Griff in die Beck-Schatulle einen Dämpfer erhalten.
Das sogenannte "System Beck"
Artikel in der WELT vom 26. Mai 2005:
Die Vergangenheit hat einen langen Schatten
Kultursenatorin Karin von Welck stellt den neuen Musikhallen-Geschäftsführer vor: Gereon Röckrath
Der Kommentar von Katja Engler
Beck messen
System oder reiner Zufall?
Ein Leserbrief von Inge Kossebau:
Satzweise präsentieren
Vorschlag an Herrn Beck: NDR-Kultur-Konzept bei Konzerten der NDR-Sinfoniker übernehmen
Lesen Sie auch den ausführlichen Artikel von Joachim Mischke:
Rolf Beck - viele Jobs, viel Macht
Ämterfülle: Der Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals
zieht an vielen Strippen
Hamburger Abendblatt, 19. Juli 2004