Das GANZE Werk - Presseschau

WELT am SONNTAG (WamS), 10. April 2005

Premiere-Chef Kofler will den Öffentlich-Rechtlichen eine Schlankheitskur für den "Idealzustand" verschreiben

Die Fakten und die Quoten

Ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen überfinanziert - oder besser denn je?
Ein Ausschnitt aus dem Streitgespräch zur aktuellen Debatte

Das Gespräch moderierten Volker Corsten und Adriano Sack

(...)

Streiten über TV-Gebühren:
ZDF-Intendant Markus
Schächter (l.) und Premiere-
Chef Georg Kofler
Foto: dpa

WamS: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, das sind 23 TV-Kanäle, 61 Radio-Programme, 5,52 Millionen Sendeminuten im Jahr und - vor der Gebührenerhöhung - ein Gebührenaufkommen von 7,5 Milliarden Euro. Wird Ihnen da übel, Herr Kofler?

Schächter: ... das war nun aber eine Steilvorlage ...

Kofler: Natürlich mache ich mir große Sorgen bei diesem Verdrängungspotential. Sie haben hier eine Zahl vergessen: Nämlich die Pensionsgroßzügigkeit bei den Öffentlich-Rechtlichen. Mich hat es aber umgehauen, daß die ARD mehr als 4,4 Milliarden Euro Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen gebildet hat. Bei Premiere sind da null Euro auf der Bank.

Schächter: Dafür zahlen Sie deutlich höhere Gehälter.

Kofler: Das weiß ich nicht.

WamS: Was wäre Ihre ideale Vorstellung des deutschen Fernsehmarkes, Herr Kofler?

Kofler: Der Idealzustand wäre ein öffentlich-rechtliches Fernsehen, das sich auf seine Aufgaben besinnt. Ein Wettbewerb, der vornehmlich unter Privaten mit vergleichbaren Maßstäben ausgetragen wird. Eine Rundfunkgebühr, die bei zehn Euro liegt. Das wären vier Milliarden Euro Jahreseinnahmen für die Grundversorgung - ein Riesenbudget für ein phantastisches Kultur-, Informations- und Unterhaltungsangebot. Und ich wünschte mir nicht 23 öffentlich-rechtliche TV-Sender, sondern zwei nationale und zusätzlich fünf oder sechs regionale Kanäle und vielleicht den einen oder anderen Kulturkanal. Wir reden nicht von der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, sondern von der Rückführung auf ein gesundes Verhältnis.

WamS: Was ist denn Ihre Idealvorstellung, Herr Schächter?

Schächter: Jedenfalls nicht, daß aus Wettbewerbsüberlegungen definiert wird, was das öffentlich-rechtliche Fernsehen darf. Wir haben hier in Deutschland mit das beste Fernsehsystem der Welt. Und das kommt durch die Stärke von ARD und ZDF. Diese Qualität entwickeln wir fort. Uns geht es um die Belange der Gesellschaft, den Kommerziellen geht es um die der Gesellschafter. Das ist der Unterschied.

Kofler: Das ist doch eine billige Polemik. Wir haben in Deutschland immer noch ein politisches System mit marktwirtschaftlicher Grundausrichtung. Für Herrn Schächter aber müssen alle zahlen, auch wenn sie seine Programme nicht anschauen. Für die privaten Free-TV-Programme niemand, und für Premiere nur diejenigen, die Premiere auch schauen. Deswegen sind wir beide in keinem fairen Wettbewerb.

Schächter: Der Gesetzgeber will das Duale System, und damit stehen wir im Wettbewerb, ob Sie das wollen oder nicht.

WamS: Was tun Sie denn selbst, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Schächter: Wir haben beim ZDF 35 Prozent des Personals eingespart in den letzten zehn Jahren, wir sind von 25 Prozent Personalkosten auf 15 Prozent zurückgegangen ...

Kofler: Wo geben Sie dann ihr Geld aus? Die Gebühren sind schließlich gestiegen.

Schächter: Wir geben es für das Programm aus, und es weiter zu optimieren. Und wir tilgen die Schulden, die wir in den 90er Jahren machen mußten, als die Privaten uns mit ihrer aggressiven Preispolitik in eine Situation brachten, die wir erst heute bereinigen können ...

Kofler: ... und bekommen immer neues Geld zugeführt. Sonst müßten Sie längst zum Konkursrichter laufen.

(...)

Schächter: Es gab neue Aufgaben für ARD und ZDF. Es gibt eine digitale Welt ...

Kofler: Nein, die neuen Aufgaben haben Sie sich selbst gesucht. Es steht doch nicht im Vertrag über die Grundversorgung drin, daß Sie digitale Kanäle eröffnen müssen.

WamS: Es gibt die digitalen Angebote ARD Plus (EinsPlus, EinsExtra, EinsFestival) und ZDF Vision (Theaterkanal, Dokukanal, Infokanal). Warum brauchen Sie diese Kanäle?

Schächter: Wir haben einen weitreichenden Programm- und Entwicklungsauftrag, der weitreichende Entwicklungswege einschließt. Wir müssen Information, Kultur und Unterhaltung als Gesamtkonzept präsentieren und dabei die Möglichkeit der Digitalisierung nutzen. Ein Feuilleton-Redakteur darf doch eigentlich nicht nach der Bedeutung des Theaterkanals fragen.