Das GANZE Werk - Presseschau
Braunschweiger Zeitung, 6. Januar 2005
Ein Artikel mit großer Resonanz im Raum Braunschweig
Norddeutsche Häppchen-Diät
Ein Jahr nach der Programmreform ist die Kritik an NDR-Kultur nicht verstummt
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Von Harald Likus
Dagegen wird selbst der schärfste Kritiker des NDR keine Einwände erheben: Am 30. Januar, 20.05 Uhr, sendet NDR-Kultur Mahlers "Kindertotenlieder" mit Thomas Hampson. Foto: dpa |
Doch die Gruppe der Programm-Kritiker ist kein kleines Häuflein Resignierender: 1375 Mitglieder hat die von dem rastlosen Hamburger Theodor Clostermann angeführte Initiative "Das ganze Werk". "Ja, wir sind hartnäckig", sagt Clostermann unserer Zeitung. Und hofft, dass der Programmausschuss des Rundfunkrates am 21. Januar einen Beschluss fassen möge, der die "Durchformatierung" des Programms zumindest teilweise zurückzieht, das heißt: die Übertragung längerer Musikstücke nicht nur abends, sondern auch am Tage wieder möglich macht.
Im Ganzen lässt sich die Kritik, der sich auch aus unserer Region einige Musikfreunde anschließen, auf drei Punkte zusammenfassen:
Verengung des Repertoires
"Es werden viel zu oft dieselben Stücke gespielt. Ein Rondo von Mozart oder Weber, der Kopfsatz eines Bach- oder Vivaldi-Konzerts, Moldau, Bolero und so fort. Ich bin kein Klassik-Snob, aber ich meine schon, dass mehr Vielfalt angebracht wäre."
Oberflächlichkeit der Moderation
"Mir gefällt dieser munter beliebige Ton der neuen Moderatoren nicht", sagt der Braunschweiger Komponist und Organist Hans-Dieter Karras. "Oft hat man den Eindruck, das Publikum wird für blöd gehalten. Und häufig sind die kurzen Bemerkungen zur Musik übrigens auch noch unrichtig. Ja, ich glaube, dass der NDR von allen vergleichbaren Klassik-Sendern das schwächste Programm hat."
Das Häppchen-Prinzip
"Ich halte die Idee, fast nur noch einzelne Sätze von Musikstücken zu spielen, für fatal", sagt Professor Dr. Jörg Calließ vom Historischen Seminar der TU Braunschweig. "Das hört sich oft hübsch an, aber es geht um die Zerstörung von Sinnzusammenhängen. Ich beschäftige mich seit langem mit der Frage, inwieweit Musikstücke als historische Quellen verstanden werden dürfen. Und fest steht: Wenn, dann nur als Ganzes."
Natürlich ist es fraglich, ob solche Bedenken beim Sender auch nur erwogen werden. Romanns Satz "Die Programmveränderungen erfahren im Sendegebiet eine sehr große Zustimmung und sind damit erwiesenermaßen der richtige Schritt" klingt eher nicht danach. Und sein Argument, dass die Zahl der täglichen Hörer um fast ein Viertel auf 203.000 gesteigert wurde, dürfte in Zeiten aufflammender Gebühren-Debatten nicht ohne Wirkung sein.
Trübe Aussichten also für Hörer mit gehobenen Ansprüchen. Doch selbst aus der Tristesse kann man ja hübsche Sprachspiele machen. Wie es nun der ehemalige Hamburger Kunsthallen-Direktor Werner Hofmann im "Zeit"-Artikel "Geistesdiät auf NDR" vormachte. Aus "En-de-er Kultur", meinte er, lässt sich das Ende der Kultur prima heraushören.
"Die Veränderungen erfahren im Sendegebiet große Zustimmung." | "Es werden viel zu oft dieselben Stücke gespielt." |
"Oft hat man den Eindruck, das Publikum wird für blöd gehalten." |
Gernot Romann, Hörfunk-Chef |
Clemens Trautmann, Klarinettist |
Hans-Dieter Karras, Komponist |
Dazu ein Romannbrief und vier Leserbriefe (11. Januar 2005)
Herr Romann: Autor übernimmt Bewertung der Kritiker
Vier Leserbriefschreiber: Hörer haben Anspruch auf Kultur
Noch ein Leserbrief (13. Januar 2005): NDR-Kultur hat gutes Programm
Ein weiterer Leserbrief (21. Januar 2005): Titel werden nicht genannt