Das GANZE Werk - Presseschau
Berliner Morgenpost, 1. Dezember 2004
Interview mit Wilhelm Matejka
„Kultur hört nicht an der Operntür auf“
„(Im letzten Winter) haben wir sehr viel öffentliche Prügel bekommen. Heute stellen wir aber fest, daß die Reaktionen nicht von Kritik und Tadel geprägt sind.“
Berliner Morgenpost: Das Kulturradio wurde vor einem Jahr unter viel Kritik geboren. Würden Sie eine Fusion zweier Wellen noch einmal durchführen?
Matejka: Geburten sind immer schmerzhaft. Aber Kulturradio ist etwas Neues, keine Fusion unserer früheren Kulturprogramme.
Ihr Fazit nach einem Jahr?
Manch ein Hörer schreibt uns heute: „Übrigens, ich habe Sie im letzten Dezember noch beschimpft und jetzt finde ich Ihr Programm doch ganz gut.“ Der letzte Winter war eine heftige Zeit für uns. Wir haben sehr viel öffentliche Prügel bekommen. Heute stellen wir aber fest, daß die Reaktionen nicht von Kritik und Tadel geprägt sind.
Haben Sie neue Hörer gewonnen?
Wer Radio macht, benötigt Geduld. Die ersten aussagefähigen Zahlen werden im März vorliegen. Viele Hörer stellen uns Fragen, geben uns Rückmeldungen zum Programm. Dafür müssen sie uns zunächst gehört haben. Daraus schließen wir vorläufig, daß es uns gelingen könnte, die Hörerschaften von Radio 3 und RadioKultur grosso modo auch für unser Kulturradio zu gewinnen.
Wie schwer ist es, Menschen für Beiträge zu interessieren, die länger als drei oder vier Minuten sind?
Eine Glosse, die nicht in zwei Minuten am Punkt ist, ist keine Glosse und reißt auch niemanden vom Hocker. Viele Hörer sind in der Tat kaum für längere Beiträge zu interessieren. Wir pflegen aber auch lange Formen, die Leseprobe oder das Gespräch mit jeweils 10 Minuten. Und für die Lesung um 14.30 Uhr müssen Sie sich schon eine halbe Stunde Zeit nehmen.
Kurze Formen bedeuten Vielfalt. Doch manchmal wundert man sich über die Themen. Ist der CDU-Vorschlag zur Gesundheitsreform im Hörerstreit ein typisches Kulturthema?
Wir bleiben dabei: Große Themen, die alle Menschen betreffen, sollen auch im Kulturradio vorkommen. Für Einzelheiten und Hintergrund gibt es unser Inforadio. Aber die Kultur umschließt alle Bereiche des Lebens und hört nicht an der Operntür auf.
Der Hessische Rundfunk geht mittlerweile von seinem „Häppchenprogramm“ wieder ab. Werden Sie ihm folgen?
Nein. Ich setze auf Abwechslungsreichtum. Ich gehöre nicht zu denen, die das als „Schredderei“ oder „Häppchenprogramm“ verdammen. Damit wird man auch den Hörern nicht gerecht, die diese Form des Radios schätzen. Kleinteiligkeit ist ein anderes Wort für Abwechslungsreichtum. Mit Kulturradio haben wir hier einen neuen Typus geschaffen und ich glaube, daß wir auf der richtigen Spur sind, weil Radio von heute so ist.
Wo ist das Alleinstellungsmerkmal des Kulturradios?
Musik und Kultur. Bei keinem anderen Sender in Berlin und Brandenburg hören Sie von 6 bis 19 Uhr nur klassische Musik. Damit gehört unser Sender zu den wenigen, die Sie sofort erkennen, wenn Sie an Ihrem Radio drehen. Daneben steht die Kultur. Einen Hörerstreit über das Konzept des Berliner Kultursenators zur Orchesterlandschaft werden Sie in keinem anderen Programm finden.
Das Interview führte Michael Link