Das GANZE Werk - Presseschau

Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 10. September 2004

Bericht über die Veranstaltung am 8. September 2004:

Hannover

Diese Häppchen schmecken nicht

Hörer von „NDR Kultur“ kämpfen für „das ganze Werk“. Der Sender spielt nicht mehr ganze Symphonien, sondern nur die Hit-Sätze - und das reicht dem Publikum nun auch in Hannover nicht mehr.

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Von Rainer Wagner

Das Motto des Abends war doppeldeutig: „Auch noch so kleine Zwerge können sehr wirkungsvoll sein.“ Damit meinte Theodor Clostermann die Arbeit der Hörerinitiative gegen die Neugestaltung des Hörfunkprogramms NDR Kultur. Er zitierte die „Liliputsche Chaconne“ aus der „Gulliver-Suite“ von Georg Philipp Telemann. Und die Hamburger Telemann-Gesellschaft, deren Vorsitzender Clostermann ist, war die Keimzelle des Protests „gegen die Monokultur auf NDR Kultur“.

Jetzt versammelten sich knapp vier Dutzend Interessierte im Leibnizsaal der Neustädter Kirche, um zu beraten, was zu tun sei. Wehren will man sich dagegen, dass nach der Programmreform von den Kompositionen meist nur ein Satz gespielt werde und anscheinend einige Sätze als „Highlights“ besonders oft gesendet würden. Als Ärgernis gilt der Gruppe, dass die „Informationen zu den Kompositionen so spärlich oder zu allgemein sind“. Vor allem aber fordert der Kreis, dass NDR Kultur täglich zwischen 6 und 19 Uhr „mindestens vier Stunden lang Musiksendungen bringt, die Kompositionen soweit wie möglich vollständig erklingen lassen“. Weshalb sich die Initiative auch „Das ganze Werk“ nennt.

Versprochen hatte man denn auch eine Diskussionslänge von der Dauer der ganzen 3. Mahlersinfonie (90 Minuten), erreicht wurde „Rheingold“-Format“ (zweieinviertel Stunden). In dieser Zeit demonstrierte Clostermann den Internetauftritt (www.dasganzewerk.de). Der eingeladene Schriftsteller und ehemalige NDR-Redakteur Eike Christian Hirsch bewies, wie man mit der Aussage, nichts sagen zu wollen, viel sagen kann. Er sagte, er wolle kein Lafontaine des NDR werden – und ging. Am Ende wurde es noch spannend, weil Michael Plöger von der NDR Programmdirektion Hörfunk sich einschaltete und die Hamburger Sicht erläuterte. Und was kam heraus? Wenn der NDR glaubt, dass es für die von der Initative gewünschte Programmform keinen Markt gebe, müssen die protestierenden Hörer beweisen, dass sie der Markt sind. Und wenn der NDR sich so gerne darauf beruft, ein „hierarchisch organisiertes Unternehmen“ zu sein, kann man mit der Hierarchie arbeiten und den Rundfunkrat mobilisieren. Das Beispiel der Bremer „Interessengemeinschaft für Radiokultur“ kann ermutigen. Deren Name: „Hörsturz“. Es muss ja nicht gleich Umsturz sein.