Das GANZE Werk - Presseschau
Kieler Nachrichten, 7. Januar 2004
3. Mozart-Konzert mit dem Kieler Kammerorchester
Das Ehrenmitglied und die Musiker aus Leidenschaft
Von Christian Strehk
Aus Liebhaberorchestern ist vor gut 100 Jahren die einzigartige deutsche Musiklandschaft hervorgegangen. Und gerade der Verein der Musikfreunde Kiel (VdM), der einst aus einem Liebhaberorchester die Kieler Philharmoniker entwickelte, tut bestimmt gut daran, in seinen an sich ja auf professionelle Ensembles zugeschnittenen Mozart-Konzerten weiter dem Kieler Kammerorchester (KKO) ein besonderes Forum zu bieten.
Dass solches Engagement für die Breite anspruchsvoller musikalischer Aktivitäten an der Kieler Förde möglich war und ist, kann sich nicht zuletzt Ekkehard Prieß hoch anrechnen lassen, der über Jahrzehnte mit Gespür für das künstlerisch Sinnvolle an der Seite des gewieften Managers Wolfgang Schmöe die Geschicke des VdM im Vorstand bestimmt hatte. Dass er maßgeblich an der Erschließung der Petrus-Kirche als Konzertstätte und der Einrichtung der beliebten Mozart-Konzerte beteiligt war, gab seiner Nachfolgerin Susanne Aschenbrandt am Montag beste Gelegenheit, ihn ebendort mit der Ehrenmitgliedschaft auszuzeichnen.
Das nicht minder dankbare Kieler Kammerorchester sorgte dieweil für mehr als einen warmherzigen künstlerischen Rahmen. Dem Dirigenten Imre Sallay gelingt es offenbar mehr und mehr, seinen Mitstreitern einen Klangsinn zu entlocken, der über ein bloß lustvolles Notenspielen hinausgeht. Schon die bedächtig aufgefächerte Don Giovanni-Ouvertüre zeigte eine angemessen düstere Farbe: mehr „Dramma“ als „giocoso“. Paul F. Böhnke, hinzugebetener Solo-Cellist der Kieler Philharmoniker, durfte sich in Franz Danzis hübschen Don Giovanni-Variationen und Anton Dvoráks gewichtigerem g-Moll-Rondo op. 94 in aller Vorsicht getragen fühlen. Das war auch gut so, denn er setzte keineswegs auf eine weit ausladende, auftrumpfende Solisten-Attitüde, sondern ließ sein Instrument Legato singen: klassisch-elegant hier, graziös-tänzerisch oder romantisch-versonnen dort.
Carl Maria von Webers C-Dur-Sinfonie op. 19 forderte dem Orchester schließlich die Geistesgegenwart ab, sich rasch auf deren geradezu sprunghaft wechselnde Stimmungen einzulassen. Zwar flackerte das geforderte Feuer im Kopfsatz auf Sparflamme, blieb die wildwüchsige Jugendlichkeit des Werks insgesamt unterbelichtet, doch gelang es Sallay auch hier, etliche schöne klangliche Akzente zu setzen (zum Beispiel im herrlich ausgeblendeten Schluss des Andante). Besondere Erwähnung verdienen zumal die vielen gelungenen Holzbläser-Sätze und -Soli.
Zwar bietet das Digitalzeitalter, wo selbst der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Kultursender zu fahrstuhlkompatiblen Musikschnipsel-Automaten kaputtreformiert, ständig Hochglanzpoliertes, muss man nun wieder über manche Unebenheit hinweghören lernen. Doch gibt das KKO auch viel zurück. In der Repertoirewahl etwa: Wer engagiert sich denn sonst einmal für Carl Maria von Webers ersten sinfonischen Selbstversuch? Oder in der auch von Prieß in seinen Dankesworten anklingenden Erkenntnis, dass die versammelten Leidenschaftsmusiker ein weit reicheres, nachweislich „sozialkompetenteres“ Leben führen, als all die Heranwachsenden, denen nicht einmal mehr das Minimum an Musikunterricht geboten wird.
Dem langen Atem des Beifalls folgte der frisch bereinigte Schluss der Weber-Sinfonie, der zuvor aus dem Lot geraten war, als Zugabe. Liebhaberorchester sind sich für selbstkritische Korrekturen eben nie zu schade.
Hervorhebung: www.dasganzewerk.de
Leserbrief
Sender entwickelt sich zum „belanglosen Dudelfunk“
Zur Konzertkritik: Musiker aus Leidenschaft In seiner Kritik des Mozart-Konzerts geht Christian Strehk beiläufig auf den Niedergang des trotz aller Vorbehalte einst hoch gelobten Hörfunkprogramms NDR 3 ein. Tatsächlich ist das Programm zum belanglosen Dudelfunk verkommen, seit es sich Anfang 2003 zu „NDR-Kultur“ wandelte. Inzwischen werden uns ohne professionelle An- und Absage Einzelsätze um die Ohren gehauen, und der Eindruck, daß viele Redakteure Komponistennamen und musikalische Fachausdrücke nicht korrekt aussprechen können, verfestigt sich immer mehr. Wer denkt da nicht an die Zeit zurück, als Profis wie Wolfgang Knauer, Brigitte Riese oder Uwe Röhl ein ebenso lehrreiches wie unterhaltsames Programm auf die Beine stellten.
Durch die Nachahmung des Kuddelmuddels im kommerziellen „Klassik-Radio“ macht sich „NDR-Kultur“ selbst überflüssig. Auf diese Weise wird der NDR seinem kulturellen Bildungsauftrag nicht mehr gerecht. Sollten die Ministerpräsidenten ihren Plan, die Vielzahl der Radioprogramme zu reduzieren, erneut aufgreifen, so dürfte NDR 3 sicher zur Disposition stehen.
Eckart Jeglin, Hofholzallee 48, 24109 Kiel