Das GANZE Werk - Presseschau
Berliner Zeitung, 2. Juli 2003
Das Konzept für das künftige Kulturradio des RBB ist umstritten
Eins für alle
RBB-Hörfunkchefin Steer: „Solch eine Tagesbegleitung ist doch nicht automatisch Dudelfunk!“
Von Torsten Wahl
Der Zusammenschluss von ORB und SFB zum RBB ist im Radio bisher nicht hörbar. Das muss auch nicht sein. Denn schon seit Jahren kooperieren die fusionierten Sender bei Programmen wie Fritz, Radio Eins und Inforadio recht erfolgreich, auch parallele Angebote wie die Schlagerwellen 88acht und Antenne Brandenburg sind beliebt. Nur auf einem Feld sollte die Fusion endlich etwas Neues, Besseres bringen: bei den Kulturwellen.
Hier ist die Lage seit Jahren unbefriedigend. Denn mit Radio Kultur und Radio Drei laufen im RBB zwei Programme, die sich in ihrer ähnlichen Ausrichtung gegenseitig Konkurrenz machen und jeweils nicht mal ein Prozent der Hörer erreichen. Eine spürbare Reaktion zeigten die Hörer nur vor zwei Jahren: Da fand sich eine Initiative zusammen, die sich wochenlang über die Abschaffung von Magazinen bei Radio Kultur beschwerte. Doch die Wellenleitung unter Wilhelm Matejka ignorierte alle Proteste.
Nun sollen die beiden konkurrierenden Sender Radio Kultur und Radio Drei zu einer neuen Kulturwelle vereinigt werden. Die Berliner Mitarbeiter unter Matejka und die Potsdamer Radio-Drei-Mannschaft unter Jörg Hildebrandt, insgesamt 40 Redakteure, gestalten künftig gemeinsam ein neues Programm. Arbeitsgruppen tagten, Papiere wurden beschrieben. Doch das Konzept, das Ende letzter Woche erneut mit den Mitarbeitern diskutiert wurde, ist heftig umstritten. Schon die Art und Weise, wie das Papier zu Stande kam, irritierte viele. „Die Arbeitsgruppen waren nur Beschäftigungstherapie“, erklärt ein Redakteur, der nicht genannt sein möchte. Auch andere fühlen sich verschaukelt und reden von „Scheindemokratie“, weil doch zugesichert worden war, dass das Programm gemeinsam entworfen werde.
Doch die stärkste interne Kritik gilt dem Inhalt: Das neue Kulturradio soll nämlich ein durchhörbares „Tagesbegleitprogramm“ mit dem „Markenkern“ klassische Musik werden. Das klingt in den Ohren vieler Redakteure verdächtig nach einem klassischen Dudelfunk, wie ihn etwa das private Klassikradio bietet und damit in Berlin-Brandenburg immerhin ein größeres Publikum als Radio Kultur und Radio Drei zusammen erreicht.
Ein solches Tagesbegleitprogramm wäre in der ARD nichts Neues. Auch andere Kulturwellen werden umformatiert. So will NDR Kultur nur noch an den Abenden Wort- und Musikangebote zum gezielten Einschalten machen und tagsüber durchgängig populäre Klassik spielen. „Wir wollen doch alle kulturinteressierten Hörer ansprechen - und nicht nur die Klassikliebhaber. Doch so sind wir nicht die Vorreiter, sondern bloß die Nachhut“, erklärt eine enttäuschte Mitarbeiterin.
RBB-Hörfunkchefin Hannelore Steer gibt zu, dass derzeit sehr heftig diskutiert werde: „Aber das ist ganz normal.“ Einwände, das neue Konzept ziele nur auf das traditionelle ältere Publikum, lässt sie aber nicht gelten. „Im Gegenteil - wir wollen neue Hörerschichten gewinnen und nicht stehen bleiben bei einem tradierten Kulturbegriff. Aber wir müssen uns endlich einstellen auf die Hörgewohnheiten der unter 50-Jährigen. Sie schalten nicht ein, weil um elf Uhr eine bestimmte Sendung kommt, sie wollen ein Radio, das sich in ihren Alltag einfügt. Solch eine Tagesbegleitung ist doch nicht automatisch Dudelfunk!“ Die Festlegung auf die vorherrschende Musikrichtung Klassik lasse im Übrigen genügend Platz für Musikstile, die mit der Klassik harmonisieren, etwa Swing, Jazz und Chanson.
Das Verhältnis von Musik und Wort soll laut Hannelore Steer etwa 60:40 betragen und sich damit deutlich vom privaten Klassikradio absetzen. Wortbeiträge sollen mehr Esprit als bisher haben - also statt einer einstündigen Lesung eher ein Kurzfeature, eine Glosse oder eine witzige Klangcollage. Hauptsache „intelligent, anregend und vergnüglich“, wünscht sich Hannelore Steer. Bis Mitte August wird ein grobes Programmschema erarbeitet, am 1. Dezember soll das neue Programm flächendeckend auf Sendung gehen - ein anregender Name wird noch gesucht.
Erste Informationen über ein geplantes Kulturradio des RBB:
• Das neue Kulturradio des RBB startet am 1. Dezember 2003
Anregen und entspannen - „Tagsüber Häppchen, abends Menü“
Der Tagesspiegel, 28. Juni 2003
• Eins für alle
Das Konzept für das künftige Kulturradio des RBB ist umstritten - RBB-Hörfunkchefin Steer: „Solch eine Tagesbegleitung ist doch nicht automatisch Dudelfunk!“
Berliner Zeitung, 2. Juli 2003