Moderation auf NDR Kultur

NDR Kultur, 19. Januar 2008, 6.00 bis 19.00 Uhr (Tagesbegleitprogramm)

Aufgespießte Einlagen

Die Vermessung der Kultur

16 NDR-Kultur-Fehlgriffe an einem einzigen Sendetag - 3 Moderatoren-Patzer werden sogar bejubelt: „NDR Kultur, hören und genießen.“

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06.55 Uhr - Märchenstunde plus Albernheit auf NDR Kultur

Moderator von NDR Kultur: „Burkhard Glaetzner und der Mitteldeutsche Bach Konvent, Allegro aus dem Oboenkonzert F-dur von Johann Sebastian Bach auf NDR Kultur um 5 vor sieben. Heute ist der 19. Januar, heute vor 184 Jahren wurde die Konservendose erfunden von Thomas Kensett, das war 1825. Komponist Louis Spohr war damals 41 Jahre alt, für Männer ein gutes Konservendosenalter.“ [Es folgt ein Sinfoniesatz von Louis Spohr.]

Nachschlag von Wikipedia („Konservendose“): „Die entscheidende Idee, Nahrungsmittel in luftdicht verschlossenen Behältnissen zu erhitzen und dadurch zu konservieren, kam dem Pariser Konditor und Zuckerbäcker Nicolas Appert. Allerdings verwendete er dazu Glasflaschen. Erst der britische Kaufmann Peter Durand kam 1810 auf die Idee, die Methode von Appert mit Blechkanistern durchzuführen und erfand damit die Konservendose. Diese Erfindung wurde am 25. April 1810 patentiert. Durand selbst befasste sich nicht mit der Produktion, dies geschah erstmals durch die Engländer Bryan Donkin und John Hall, die 1813 eine Konservenfabrik eröffneten und damit die britische Armee versorgten.“ Der Nordamerikaner Thomas Kensett erfand 1825 nur „den Begriff ‚Büchsenkonserve‘ und ließ sich die Konserve in Amerika patentieren“ (technikjournalismus.net). Da liegt auch ein Informationsdienst Tagesvorschau für den 19.1.2009 falsch, in dem unter „History“ an erster Stelle steht: „Erfindungen: 1825 (heute vor 184 Jahren) Thomas Kensett bekommt das Patent für die von ihm erfundene Konservendose“.

Übrigens: Am 19. Januar 1919 - vor 90 Jahren - wurde die Weimarer Nationalversammlung gewählt und damit ein neues Kapitel der deutschen Geschichte aufgeschlagen (siehe: Wikipedia). Das wäre einen umfassenden Beitrag - und nicht nur einen Wissenshauch von 3 Minuten - wert gewesen.

07:28 Uhr - „Hinein“ in den Montag „mit NDR Kultur“ und einem Marsch!

Moderator von NDR Kultur: „Gleich wirds halb acht. Hinein in eine neue Woche mit NDR Kultur und in diesen neuen Tag, ein Montag: Ungarischer Marsch von Hector Berlioz!“ [Musik]

07:38 Uhr - „Natürlich geht die Sonne heute auf“

Moderator von NDR Kultur: „Das Takács-Quartett spielte das Finale, den 4. Satz, aus dem Streichquartett op. 76 Nr. 4 von Joseph Haydn, genannt Sonnenaufgang. Natürlich geht die Sonne heute auf, aber sie zeigt sich nur ganz selten, Sonnenscheindauer heute in Norddeutschland null bis zwei Stunden, dafür die Niederschlagswahrscheinlichkeit bei 80 %, und die gefühlte Temperatur liegt zwischen null und minus vier Grad. Das windig-nasse Wetter geht also weiter. Gleich wirds zwanzig vor acht. Passend zum Wind das Ensemble Tempesta di Mare. Sie spielen Musik von Johann Friedrich Fasch.“ [„Konzert für Orchester D-Dur“, daraus: Allegro (3. Satz)]

09.40 Uhr - „Vom Klavier zum Ball“, einmaliger Kultursender-Service

Moderatorin 1 von NDR Kultur: „Das war der 3. Satz aus dem Klavierkonzert B-dur, KV 450, von Wolfgang Amadeus Mozart, gespielt von Alfred Brendel und der Academy of St. Martin-in-the-Fields unter Neville Marriner. Vom Klavier zum Ball: Fußballnationalspieler Lukas Podolski von Bayern München hat heute seine Rückkehr zu seinem Stammverein 1. FC Köln ab der kommenden Saison bestätigt. Mehr dazu hören Sie bei uns in den Nachrichten hier auf NDR Kultur.“ [Keine Musikinformation zu einem Ouvertürensatz von Johann Sebastian Bach]

10.08 Uhr - „Wir verlosen gleich das neue Buch ‚Ruhm‘ nach Musik von...“

Moderatorin 1 von NDR Kultur: „Bestsellerautor Daniel Kehlmann ist heute zu Gast in unserer Sendung Klassik à la carte und wir verlosen gleich sein neues Buch ‚Ruhm‘ nach Musik von Giuseppe Verdi.“

10.25 Uhr - Nein. „Wir verlosen jetzt Karten“ für eine Lesung in Göttingen

Moderatorin 1 von NDR Kultur: „Der Schriftsteller Daniel Kehlmann ist heute zu Gast in unserer Sendung Klassik à la carte gleich nach den 13-Uhr-Nachrichten, und da verrät er unter anderem, dass er elf Jahre lang Klavierunterricht hatte, aber dennoch nur mit Mühe den Flohwalzer spielen kann. (...) Aus seinem neuen Buch ‚Ruhm‘ liest Daniel Kehlmann unter anderem übrigens auch am 19. Februar in Göttingen in der Stadthalle, und für diese Lesung können Sie jetzt bei uns Karten gewinnen, wenn Sie uns anrufen unter [Telefonnummer] (...) Am 19. Februar liest Daniel Kehlmann aus ... [zwei Versprecher] seinem neuen Buch ‚Ruhm‘ in der Stadthalle in Göttingen, und wir verlosen jetzt Karten dafür, [Telefonnummer] für 14 Cent pro Minute.“

Zwei Anmerkungen:
1. Der Initiator und Veranstalter der Göttinger Lesung, das Literaturzentrum Göttingen (siehe Newsletter) wird konsequent verschwiegen.
2. Bis 19 Uhr wird mit keinem Wort darüber informiert, ob denn eine Verlosung - sei es eines Buches, seien es Eintrittskarten zu der Lesung - stattgefunden hat.

11.23 Uhr - „Einstimmung“ auf den Frühling mit der Frühlingssinfonie

Moderatorin 1 von NDR Kultur: [Direkt nach der Musik] „Am 20. März beginnt für uns hier auf der Nordhalbkugel der Frühling in diesem Jahr, das sind noch genau 60 Tage. Zur Einstimmung gab es schon einmal den 4. Satz aus der Frühlingssinfonie, der Ersten, in B-Dur von Robert Schumann hier auf NDR Kultur.“ [Zugunsten der 60 Tage bis zum Frühling gibt es keine Informationen zu den Interpreten. Es folgt ohne Ankündigung die nächste Musik, von Luigi Boccherini.]

12.21 Uhr - Zeitorientierung: „gleich, um halb zwölf, ähh, um halb eins“

Moderatorin 1 von NDR Kultur: „Edgar Allan Poe, Virtuose des Grauens, der Sohn zweier Schauspieler, wurde allerdings erst vier Jahre vor seinem Tod berühmt. Heute feiern wir seinen 200. Geburtstag und stellen Ihnen gleich eine neu erschienene Sammlung seiner Werke vor, um halb zwölf, ähh, um halb eins.“ [Jingle und „NDR Kultur, hören und genießen.“]

12.54 Uhr - Ermüdungserscheinung: „opus drei numero fohnf“

Moderatorin 1 von NDR Kultur: „The English Concert spielte das Concerto grosso B-Dur opus drei numero fohnf von Francesco Geminiani.“ [Dauer: 6 Sekunden. Gleich danach: Walzer aus der Maskerade von Aram Chatschaturjan]

Anmerkung: Nur Mut, noch sechs Minuten, ein Auftritt.

14.38 Uhr - „Jetzt echte Winterträume von Peter Tschaikowsky“

Moderatorin 2 von NDR Kultur: „Das Wetter, das wird wieder deutlich besser, aber es lässt sich nicht dran rütteln, Winter ist immer noch. Und hier auf NDR Kultur bescheren wir Ihnen jetzt echte Winterträume von Peter Tschaikowsky.“

14.48 Uhr - „Schöner Untertitel Winterträume“ ...

Moderatorin 2 von NDR Kultur: „Das war der 3. Satz aus der Sinfonie Nr. 1 in g-Moll von Peter Tschaikowsky, die den schönen Untertitel Winterträume trägt, Antal Dorati leitete das London Symphony Orchestra.“ [Es war das Scherzo. - Jingle und „NDR Kultur, hören und genießen.“ - Musik siehe nächste Moderation]

14.54 Uhr - ... die Matthäus-Passion, „geht vielleicht gerade noch durch“

Moderatorin 2 von NDR Kultur: „Passte vielleicht nicht ganz zur Jahreszeit, ist aber trotzdem wunderschön und geht als Bearbeitung ja vielleicht so gerade noch durch, das war aus der Matthäus-Passion ‚Erbarme dich‘, bearbeitet für Oboe, Violine und Orchester. Die Solisten waren Nigel Kennedy und Albrecht Mayer, und sie wurden von der Sinfonia Varsovia begleitet.“

15.44 Uhr - „Der Hamburger Hafen, der idealtypische Austragungsort“...

Moderatorin 2 von NDR Kultur: „Harbour Front, das klingt erstmal wie ein Hollywood-Streifen, wird aber Hamburgs neues Literaturfestival. (...)/[Details] Der Hafen, der (für [Wort ausgelassen, Versprecher]) sich alleingenommen schon ein Zentrum der verschiedenen Sprachen und Kulturen und damit Spiegelbild dessen ist, was Literatur weltweit darstellt, ist der idealtypische Austragungsort für ein Literaturfestival. Das sagte heute der Initiator Nikolaus Hansen in Hamburg. Na, denn man tau! [Jingle und "NDR Kultur, hören und genießen.“ [Musik siehe nächste Moderation]

15.52 Uhr - ... hat nichts mit einer Steppe in Mittelasien zu tun

Moderatorin 2 von NDR Kultur: „Eine Steppenskizze aus Mittelasien von Alexander Borodin, Walerij Gergiew dirigierte das Kirow-Orchester“ [St. Petersburg]

16.59.37 Uhr - Sendepause wie zu alten Zeiten

Keine Moderatorin, kein knallender Trailer und noch kein Jingle, 16.59.37 - 16.59.52 Uhr, absolute Stille, der Sende-Computer hat sich verrechnet, 15 Sekunden lang herrscht Sendepause wie in den 60er Jahren. Es fehlt nur noch das B-A-C-H-Sendezeichen.

18.19 Uhr - Wer ist denn hier ahnungslos, etwa das Publikum?

Moderatorin 2 von NDR Kultur: „Der Walzer aus dem Schwanensee von Peter Tschaikowsky. (...) - Wenn man in das Museum geht, also in irgendeins, und staunend vor den Meisterwerken dieser Welt steht, da kann man ja oft zu den Bildern gar nicht mehr sagen als: gefällt mir oder gefällt mir nicht. Jetzt ist eine DVD-Edition erschienen, die das zumindest partiell ändern kann. Mehr dazu erfahren Sie hier auf NDR Kultur nach Musik von Ludwig August Lebrun.“ [Gemeint ist eine Reproduktion der früheren ARD Reihe „1000 Meisterwerke“ auf DVDs]

Wir stellen fest und fragen:

Statt den Kulturauftrag zu erfüllen, wird dem Trivialen gehuldigt.
Statt öffentlich-rechtliche Qualität zu bieten, werden Ressourcen vergeudet.
Was passiert hier eigentlich mit unseren Gebühren?

Zusammenstellung: Theodor Clostermann, 24. Januar 2009