Das Image von NDR Kultur
NDR Info, 17. September 2008, 21.05 bis 22 Uhr: Redezeit
Mit frischem Elan ins „Premiumprogramm“
NDR Kultur poliert sein Image
Von Ludolf Baucke
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Unlängst wurde NDR Kultur vom neuen Hörfunkdirektor des NDR als „Premiumprogramm“ eingestuft und darf sich nun mit dieser Einschätzung erneut an den von anderen Kulturprogrammen aufgestellten und eingehaltenen Qualitätsmaßstäben messen lassen.
„Premium“ oder „doch gar nicht so schlecht“?
Die Wertung des WDR-Hörfunkchefs (siehe FAZ vom 11. April 2008), das Kulturprogramm des NDR sei „doch gar nicht so schlecht“, harmoniert zwar nicht mit der aus Hamburg verbreiteten Premiumklassifizierung. Das aber kann als verbaler Ausrutscher eines Funkhauses im Westen abgetan werden, das weder Jingles, Claims noch die gebetsmühlenartig in die Moderationen eingeflochtene Floskel „hier auf NDR Kultur“ kennt und selbst nach der Anfang des Monats durchgeführten Programmreform noch durch sein Nachmittagsmagazin „Tonart“ einen roten Faden zieht.
NDR Kultur hat diese Gediegenheit verlassen und setzt über weite Strecken des Vor- und Nachmittags auf Kurzatmigkeit. Die als „Wissensoffensive“ gefeierte Sendereihe „Deutschland hören“ schafft es, in dreieinhalb Minuten über Martin Luther und andere Fixpunkte der deutschen Kulturgeschichte zu informieren. Das gelegentlich holperig in die Sätze eingefügte „hier auf NDR Kultur“ lässt sich noch steigern und verwandelt sich an einem Sonntagnachmittag zu einem „hier bei uns auf NDR Kultur“. Da wundert's nicht mehr, dass den Hörerinnen und Hörern nur wenige Minuten später ein „glücklicher Sonntag“ gewünscht wird.
Ein Beispiel für Nicht-Premium- oder Premium-Qualität: CD-Vorstellung
Schnelligkeit und Kurzatmigkeit freilich laufen nicht nur dem Leib und Seele fördernden Atemholen zuwider. Sie reduzieren auch die gesendete Musik auf Schnappschussqualitäten.
Dafür ein besonderes Beispiel. Die Geigerin Carolin Widmann und der ungarische Pianist Dénes Varjon haben jüngst Robert Schumanns drei Violinsonaten eingespielt.
NDR Kultur stellte die Neuerscheinung nur wenige Tage nach dem Veröffentlichungstermin (29. August) schon am 1. September vor, gönnte sich dafür im Wortbeitrag genau 3:35 Minuten und sendete anschließend den 4. Satz der zweiten Sonate (9:17 Minuten). Im Bericht wurde dem Hörer die Einspielung mit Spotlights bekannt gemacht.
Es geht anders. Das bewies nicht nur die FAZ mit ihrer vierspaltigen Rezension „Wahrheit statt Wahnsinn“ vom 6. September. Auch die noch nicht als Premiumprogramme eingestuften, doch diesem Anspruch auch ohne PR-Getöse genügenden Kulturprogramme Bayern 4 Klassik, HR 2 und SWR 2 gönnten ihren Hörern und sich mehr Zeit für die Rezension. Die 55-minütige SWR-Sendung „Neues vom Klassikmarkt“ am Sonnabend, 13. September, stellte die Schumann-Edition als eine von fünf Neuerscheinungen vor. Die beiden anderen Kulturprogramme präsentierten die CD am 17. September - der Hessische Rundfunk zu Beginn der „Klassikzeit“ zwischen 15.05 und 15.40 Uhr und der Bayerische Rundfunk etwa gleich lang innerhalb des „Leporello“-Magazins ab 18.20 Uhr.
Da gab es Zeit für mehrere komplette Sätze, während NDR Kultur sich mit Einblendungen weniger Takte und einem Beispielsatz begnügte. Ist das wirklich Premium-Qualität?
Fazit
Schön wäre es, wenn NDR Kultur wirklich das Aushängeschild der NDR-Hörfunksender wäre. Für das Etikett „Premiumqualität“ reicht ein Vergleich innerhalb der eigenen Hörfunkfamilie nicht aus.
verfasst am 22. September 2008