NDR Kultur - Moderation
NDR Kultur, Mittwoch, 27. Dezember 2006, Matinee, 12.20 - 12.57 Uhr
Aufgeschnappt
Live erlebt: Fehler über Fehler...
1.: Zwei verschiedene Stücke gesendet - die Absage ist dieselbe
2.: Ein Stück angekündigt - zwei Stücke folgen
3.: NDR Kultur kürt mal wieder einen „deutschen Bach-Papst“
4.: Ein Sinfoniesatz hört mit einer Kadenz auf - Satz 2 folgt 23 Stunden später (PS)
Originalmusikliste von NDR Kultur, 12 - 13 Uhr (Pdf) |
„Um 12.20 Uhr schalte ich das Autoradio ein und höre das Ende einer Musik mit Solostimmen für Klarinetten, Hörner und Fagott. Ein Satz aus einer Sinfonia concertante von Johann Christian Bach? frage ich mich. Nein. Die Moderatorin: ‚Sie hörten den 1. Satz des Cellokonzertes B-Dur von Luigi Boccherini, es spielten Maurice Gendron und das Orchestre des Concerts Lamoureux Paris, die Leitung hatte Pablo Casals.‘ Na...
Dann berichtet die Moderatorin von einem neuen wichtigen Buch. ‚Mehr dazu nach dem nächsten‘ Musikstück (oder ähnlich).
12.24 Uhr: Das ‚nächste‘ Musikstück - ein Allegro aus einer Ouvertüre Veracinis - ist verklungen. Kommt jetzt schon, statt um 12.30 Uhr, die Buchvorstellung? Nein. NDR Kultur macht - ohne Zwischenmoderation - munter weiter mit dem Alla-Turca-Klaviersonatensatz von Wolfgang Amadeus Mozart.
12.27.30 Uhr: Folgt jetzt noch ein dritter ‚nächster‘ Satz? Nein. Die Buchvorstellung beginnt 2 1/2 Minuten zu früh. Wird das der neue Maßstab für die zukünftigen IC-Abfahrszeiten?
Katzen in Gottes Himmel, die Katzen fressen Mäuse, Gott mit gelben Augen findet das gut, weil sich die Gegensätze aufheben usw. ... Der Buchbericht enthielt so viel Absurditäten, wie es die Autorin auch selbst bemerkte, dass ich mich frage, wie der Bericht die NDR-Kultur-Zensur zur Erzielung von Volkstümlichkeit passieren konnte. Er war wohl ein Fremdprodukt.
Nach dem Dauerschlager auf NDR Kultur ‚Jupiter‘ von Gustav Holst - Hat Holst nur diesen einen Satz geschrieben? - kündigt die Moderatorin ‚Musik von Luigi Boccherini‘ an. Hatten wir das nicht schon?
Orchesterklang. Dann: ein Violoncello solo. Moment, war da nicht?
Genau. 12.45 Uhr, Die Moderatorin: ‚Sie hörten den 1. Satz des Cellokonzertes B-Dur von Luigi Boccherini, es spielten Maurice Gendron und das Orchestre des Concerts Lamoureux Paris, die Leitung hatte Pablo Casals.‘ Aha, keine Entschuldigung für die offensichtliche Panne.
Dann spricht sie vom ‚Deutschlands Bach-Papst‘[] Helmuth Rilling, den NDR Kultur zum Gespräch eingeladen hat, weil er eine neue CD herausgebracht hat. Nun wird NDR Kultur selbst absurd. Hat die deutsche Bach-Gemeinde zwei unfehlbare ‚Heilige Väter‘ hervorgebracht, erst Karl Richter und dann Helmuth Rilling? Gibt es da nicht auch noch den Direktor des Bach-Archivs Leipzig, Christoph Wolff, mit dieser Auszeichnung? Verträgt es sich mit einem weiteren ‚Bach-Papst‘, dem Niederländer Ton Koopman? Sind Johann Sebastian Bach und Helmuth Rilling als Protestanten dafür überhaupt geeignet? Sollte eine ‚pejorativ-ironische Bezeichnung‘ wie die des ‚Literaturpapstes‘ für Marcel Reich-Ranicki nach Belieben weiterbenutzt werden? Oder ist es einfach nur eine Super-Superlativ-Variation im Stil von NDR Kultur?
Wie auch immer, es wird gongmäßig besiegelt: Jingle, ‚NDR Kultur - hören und genießen‘. Wieso das denn? frage ich mich jetzt entsetzt und herausgefordert, von einem ‚Genuss‘ habe ich bisher in der knappen halben Stunde bei diesem ‚Chaos‘ (das Stichwort fiel im Buchbericht) nichts gespürt, es tut mir leid, es war wohl eher ein Verdruss ohne Ende, für den ich auch noch Gebühren zahle.
Es geht weiter. Unpassend im Zusammenhang eine Arie aus Hoffmans Erzählungen, um Roberto Alagna, einen Opernpartner von Anna Netrebko, ins Spiel zu bringen, ins Gedächtnis zu rufen und im Geschäft zu halten. Na ja.
Dann satte Streichermusik und unisono zwei Oboen. Die Musik ist schon nicht mehr von Händel. Was ist das? Ein Satz, dann noch eine Kadenz mit kurzem Violinsolo. Wie geht es weiter? Schnitt, Ende.
12.57.30 Uhr, die Moderatorin: ‚Sie hörten den 1. Satz der Sinfonie Nr. 2 von William Boyce, es spielte das Württembergisches Kammerorchester Heilbronn unter Jörg Faerbers Leitung‘ (oder ähnlich).
Nach 1 Minute und 5 Sekunden wäre der Folgesatz, zu dem die Kadenz führt, zu Ende gewesen, nach 2 Minuten und 30 Sekunden das ganze Werk. Musikabschneider! denke ich, während irgendeine von NDR Kultur nicht nachgewiesene Überbrückungsmusik zu den Nachrichten führt, die nur noch 5 Sekunden zu früh beginnen.
In der Broschüre ‚Kulturwellen im Nord-Süd-Profil‘ zeigen wir, dass es in Deutschland ernsthafte Alternativen gibt.“
Theodor Clostermann, 27. Dezember 2007
PS: Der weggeschnittene und unterschlagene 2. Satz der 2. Sinfonie von William Boyce wurde von NDR Kultur 23 Stunden später, am 28. Dezember 2006 um 11.59 Uhr, so wie angegeben in einer Minute, „bis zu den Nachrichten“ nachgeholt. Ohne die einleitende Kadenz...