kulturradio vom rbb - Moderation
kulturradiorbb, 24.06.2008 zwischen 8.15 Uhr und 8.30 Uhr
Wolfgang Amadé Mozart, ein einzigartiges Genie - oder nicht?
Zweifache Namensgleichsetzung wurde mit keinem Wort erklärt
Im kulturradiorbb wurden am 24. Juni 2008 im „Kulturradio am Morgen“ die folgenden Musikstücke nacheinander gespielt und angesagt:
Tonträger | Werk | Dauer |
Phoenix Edition Best.-Nr. 101 | Joseph Martin Kraus Ouvertüre aus der Schauspielmusik zu ‚Olympie‘ (1792) L'Arte del Mondo Leitung: Werner Ehrhardt | 06:49 min |
Joseph Martin Kraus (1756–1792) wurde dabei als „schwedischer Mozart“ bezeichnet; man kennt ihn auch als „Mozart aus dem Odenwald“ (so im Sonntagskonzert des RBB am 28.10.2007 um 11.24 Uhr). |
Avenira Best.-Nr. 276017 | Joseph de Boulogne, Chevalier de Saint-George Symphonie Concertante C-Dur für 2 Violinen & Orchester op.9 No.1 2.Satz: Rondeau Jiří Malát & Michal Pospišil, Violinen Philharmonisches Orchester Pilsen Leitung: František Preisler junior | 04:49 min |
Joseph Boulogne, Chevalier de Saint-George (1739 – 1799) wurde dabei als „französischer Mozart“ bezeichnet. |
Anschließend folgte Musk des „echten“ Mozart: | ||
Decca LC 00171 Best.-Nr. 458928-2 |
Wolfgang Amadeus Mozart „Là ci darem la mano - Reich mir die Hand, mein Leben“ Duett Zerlina & Giovanni aus dem 1. Akt der Oper „Don Giovanni“ Cecilia Bartoli, Mezzosopran; Bryn Terfel, Bass-Bariton Orchestra dell‘Accademia Nazionale di Santa Cecilia Leitung: Myung-Wung Chung | 03:09 min |
Quelle: http://www.kulturradio.de/programm/titel.jsp?key=playlist_20080624_0605
Auch andere „Mozarts“ sind im Rundfunk zu hören:
• Juan Crisóstomo de Arriaga (1806 – 1826) als „spanischer Mozart“, z.B. am 22.02.2008 gegen 7.54 Uhr in „Kulturradio am Morgen“ des RBB
• Alessandro Scarlatti (1660 – 1725) „der seinerzeit als Mozart aus Valencia gefeiert wurde“, am 17.09.2007 um 13.05 Uhr in „Kulturradio am Mittag“ des RBB.
Während die anderen Vergleiche auch in der Musikliteratur vorkommen, finden wir für Scarlatti keine sinnvolle Erklärung. Gespielt wurde laut Musikliste:
Tonträger | Werk | Dauer |
Atma LC n.v. Best.-Nr. 2 2321 |
Alessandro Scarlatti Toccata - Fuga - Minuetto G-Dur Alexander Weimann, Cembalo | 3:53 min |
Weder aus der CD noch aus dem Lebenslauf dieses Komponisten oder seiner Verwandten geht etwas hervor, was einen Bezug zu Mozart oder Valencia erklären könnte; dieser Vergleich bleibt rätselhaft.
Worauf wollen uns die Moderatoren mit solchen Vergleichen hinweisen?
• Vielleicht werden sie ebenso als musikalisches Wunderkind gesehen wie Mozart. Dann sollte man Erich Wolfgang Korngold (1897 – 1957) als österreichischen Mozart oder Daniel Barenboim (* 1942) als argentinischen Mozart bezeichnen.
• Vielleicht geht es um musikalische Talente, die früh verstorben sind. Dann sollte man Franz Schubert (1797 – 1828) den „Mozart aus Wien“ oder Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) den „Mozart aus Berlin“ benennen.
• Vielleicht haben sie das Komponieren in ähnlicher Weise vorangebracht. Dann wäre Michael Glinka (1804 – 1857) als Schöpfer der klassischen Musik Russlands ein „russischer Mozart“ oder Giacomo Meyerbeer (1791 – 1864) wegen seiner Bedeutung für die Pariser Oper ein „französischer Mozart“.
• Oder sollte man aus dem gleichen Grund nicht eher Mozart als „Salzburger Händel“ oder als „Salzburger Bach“ bezeichnen?
Solche Schlagworte lassen jedenfalls offen, was ein Moderator seinen Hörern sagen will. Es mag ja sein, dass mit einem Hinweis wie „schwedischer Mozart“ die Hörer aufmerksam gemacht werden sollen: „Achtung: jetzt kommt Musik, der man wie bei Mozart zuhören sollte.“ Leider gibt es keinerlei Erklärungen, inwiefern Kraus oder Arriaga mit Mozart verglichen werden oder welche besondere Bedeutung ihre Musik hat. Das führt dann wie bei Scarlatti zu einem abwegigen Vergleich. Der Hörer wird nur marktschreierisch gereizt, gewinnt aber keinerlei zusätzliche Erkenntnisse über die gespielte Musik oder den Komponisten.
Dies ist eine Bestätigung unserer Einschätzung, dass der Sender zuwenig Informationen über Musik und Komponisten bringt. Es ist für einen Sender, dem es um Kultur geht, unwürdig.
In letzter Zeit werden zwar beim kulturradiorbb zu den gespielten Musikschnipseln vermehrt Erläuterungen über das Werk, den Komponisten und seine Zeit, die Interpreten gebracht. Aber nicht erklärte Vergleiche sind wertlos und missachten den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Jürgen Thomas, abgeschlossen am 30. Juli 2008