NDR-Programmausschuss
...erstmals wieder als Menschen geachtet und respektiert, nicht mehr als Sonderlinge abqualifiziert und aus dem Hörfunk vertrieben
VORSCHLG
A Ein Sender bringt ausschließlich Musikwerke aus allen Epochen...
B Ein oder zwei Kultursender vertiefen ein Kulturinteresse bewusst...
C Alle anderen Sender (auch die privaten) werden verpflichtet...
H. Feldheim | 14. 1. 2005 |
An die NDR-Hörfunk-Chefs und Mitglieder des Rundfunkrates
Betr.: NDR Kultur und Hörfunk allgemein
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der augenblicklichen Situation kann ich - auch im Namen aller Freunde - nur die Initiative "Das ganze Werk" entschieden unterstützen. Ihre Argumente scheinen mir fast durchweg sehr stichhaltig, und das Unbehagen am jetzigen Stil von NDR Kultur ist überall groß.
Langfristig scheinen mir jedoch prinzipielle Änderungen im Hörfunk notwendig. Die Hauptgründe sind aus dem Text selbst erkenntlich, den ich hiermit in die Diskussion einbringen möchte. Im Interesse von Korrekturen, Vebesserungen und Ergänzungen wäre ich für Stellungnahmen jeder Art dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
gez. H. Feldheim
E-Mail: heinrich.feldheim@gmx.de
VORSCHLAG FÜR STRUKTURELLE
VERÄNDERUNGEN IM HÖRFUNK
Vorbemerkungen
Die vorgeschlagenen Änderungen sind äußerst maßvoll. Sie ließen sich ohne Kostenaufwand schnell verwirklichen. Trotzdem beseitigten sie die wesentlichsten Mängel des heutigen Hörfunks und hätten (psychologisch) starke Wirkung.
Nötig wäre dafür nur ein klares, eindeutiges Bekenntnis aller Politiker zu dem hohen (und unleugbaren!) Wert
a) unserer größten und friedlichsten weltgeschichtlichen Leistungen
b) der Menschen, die sich an ihnen orientieren, die unermüdlich nach dem Besten suchen und dadurch auch das meiste für die Gesellschaft leisten können
c) unserer Jugend, die keineswegs desinteressiert, faul, vergnügungssüchtig oder einseitig ist, sondern nur guter Anregungen bedarf.
Kurzer Gesamtüberblick
A Ein Sender bringt ausschließlich Musikwerke aus allen Epochen, die unumstritten erstrangig sind (in der Regel vollständig). Dazwischen stehen nur korrekt-sachliche An- und Absagen. Alles, was sämtliche anderen Sender bieten (auch Nachrichten aller Art) entfällt hier völlig; ebenso jedes Zeitschema. Das Programm wird (mit Zeitangaben) genau bekanntgegeben.
B Ein oder zwei Kultursender vertiefen ein Kulturinteresse bewusst, das bereits besteht oder aus Anregungen anderer Sender entstanden ist; in ähnlicher Weise, wie das noch vor einigen Jahren üblich war und z. T. noch ist. Hier haben neben Gipfelwerken der Musik auch seltener gespielte ihren Platz. Hinzu kommen Interpretenvergleiche usw. und Textsendungen verschiedenster Art (Kulturnachrichten, Besprechung von Büchern, Filmen, Theateraufführungen, Museumsausstellungen, Interviews, Lesungen, Hörspiele, Meinungsäußerungen usw.
Sendertyp A und B sind eindeutig auf konzentriertes Zuhören für jeweils kurze Zeit ausgerichtet. Deshalb sind sie zu möglichst genauer Programmangabe verpflichtet. Dies gebietet die Achtung vor Menschen, die sehr sorgsam mit ihrer Zeit umgehen. Diesen ermöglicht es maximalen Nutzen; dem Sender, Rezensionen usw. wirklich informativ zu gestalten, statt sie im Interesse von Hörermehrheiten, die sie nur widerwillig ertragen, auf oft sinnlose Kürze zu bringen.
C Alle anderen Sender (auch die privaten) werden durch ein neues Rundfunkgesetz verpflichtet, in ihre Tagesprogramme (von 6-22 Uhr) mindestens 180 Minuten klassischer Musik und 30 Minuten konzentrierter Kurztexte von zeitüberdauerndem Wert einzufügen (also Nachdenkliches, Aphorismen, Lebensweisheiten, humorvolle Gedichte usw.); im Charakter kurzzeitiger Anregung, Bereicherung, Horizonterweiterung, Interessenweckung, nicht einer (vielleicht als störend empfundenen) Belästigung. Es gibt in jedem Sender viele kluge und einfühlsame Menschen, die hier (in großer Freiheit!) für ihre Hörer das genau Richtige täten.
Ergänzungen und Begründungen
Zu C
1. Sinn dieser Verfügung ist ausschließlich, jedem Menschen ein einigermaßen richtiges Weltbild zu vermitteln, aus dem heraus sich ganz unterschiedliche Interessen und Gewichtungen ergeben, und unhaltbaren Pauschalurteilen entgegenzuwirken, z.B.: alles Alte sei überholt, jeder sei heute nur noch an oberflächlichster Information und Unterhaltungsmusik interessiert, usw. Durch deren krasse Überbewertung in allen Sendern, durch Mangel an echter Vielfalt sind Werte- und Menschenbild völlig verzerrt, bzw. sehr unvollständig.
2. Den Blick gelegentlich auf Musikstücke oder Kurztexte von besonderem Wert zu richten, schränkt die Freiheit von Sendern und Hörern in keiner Weise ein. Es entspricht ausschließlich der Fürsorgepflicht der Politiker für die Menschen. Sie haben die Pflicht, totaler Verdummung, Einseitigkeiten, psychischen Fehlentwicklungen usw. entgegenzuwirken. Das muss auch jeder Privatsender akzeptieren.
3. Es muss von Kindheit an bewusst werden, dass es neben anspruchslos-alltäglichen Texten und Musikstücken auch solche gibt, die ein gründlicheres, wiederholtes Befassen lohnen, und dass viele Menschen der Vergangenheit gedanklich, künstlerisch und in extrem friedlicher Lebensbewältigung Großartiges leisteten - beispielgebend und anregend auch für uns.
4. Von allen oder von Mehrheiten besonderes Kulturinteresse zu erwarten, wäre unsinnig. Erreichbar und anzustreben ist jedoch ein gewisses Verständnis für Menschen aller Art, auch solche, die sich für kulturelle Gipfelleistungen begeistern und ihnen einen wesentlichen Teil ihrer Kraft, ihres Ideenreichtums und ihres Lebensglücks verdanken. Erreichbar und nötig ist auch Hochachtung für Menschen, die Besonderes leisten wollen, die sich um ein Höchstmaß an Konzentration, Einfühlung, Vertiefung und Urteilsfähigkeit bemühen, die nicht nur irgendwie nach Geld und Vergnügungen streben, sondern über das sinnvollste Tun nachdenken - und zwar als Anreiz für jeden, auch selbst nachzudenken.
5. Aus dieser sachlich unverzichtbaren Grundinformation jeder Jugend ergibt sich ein natürliches Interessensplitting; einige werden sich für das Beste stark interessieren (wie z.B. die echt Kulturbegeisterten), andere gar nicht; die überwältigende Mehrheit steht jedoch dazwischen. Sie ist am stärksten geschädigt, wenn es an vielfältigen und guten Anregungen fehlt und wenn Tendenzen zu Oberflächlichkeit, Unkonzentriertheit und Zersplitterung das Leben so weitgehend bestimmen wie heute üblich.
6. Wenn unter 25 Sendern zwei oder drei sich voll den Menschen widmen, die zu Konzentration, Einfühlung, Vertiefung, Qualitätsuche, Nachdenklichkeit tendieren, wenn die übrigen Sender hier und da auf Überragendes hinweisen, das näheres Befassen lohnen könnte, so liegt darin nur eine Korrektur bedauerlicher Fehler.
Denn diese hoch bemühten Menschen verdienen jede Förderung und sind jetzt stark vernachlässigt bzw. durch Vorurteile in zu engen Bahnen gehalten. Es sind genau die Menschen, die zu ganz überzeugenden Vorbildern werden und dadurch auch die Schwächeren besonders gut fördern könnten.
Zu A
7. Dieser Sender dokumentiert in erster Linie Hochachtung vor den Genies und vor Menschen, die (meist in jeder Richtung) intensiv nach dem Besten suchen. Er ist vorrangig für Menschen bestimmt, die sehr wenig Zeit haben, aber gelegentlich in einer Stunde der Besinnung etwas wahrhaft Bewundernswertes hören wollen, um daraus Kraft und Lebensmut zu gewinnen. Es wäre brutal, eine solche Besinnung bzw. die Wirkung eines Meisterwerks, die tiefe Freude am Vollkommenen, durch abrupte Themenwechsel und Alltagsgerede zu zerstören.
8. Auch Menschen, die den Sender eher zufällig einschalten, werden durch die Höchstqualität jedes Stücks gefesselt und zu konzentriertem Hören angeregt. Die faszinierende, sinnvolle Vielfalt, die alle (als ein Ganzes konzipierten) Meisterwerke auszeichnet, gehört unbedingt dazu: aus Respekt vor dem Genie, aber auch vor dem Hörer, der Zeit zur Einfühlung braucht. Lenkt nichts davon ab, so werden manche den hohen Wert innerer und äußerer Ruhe wieder entdecken.
9. Grundlage könnten die ARD-Nachtprogramme der verschiedenen Sender sein, die innerhalb des Gesamtkonzepts noch eine gewisse Vielfalt bieten. (Unterschiedliche Darbietungen des gleichen Werks erschließen es dem Hörer besonders gut!) Programmteile oder gar Tagesprogramme könnten oft wiederholt werden, nur gelegentlich durch gute neue Aufnahmen ergänzt. Denn Gipfelwerke häufig zu hören, ist für Anfänger und Erfahrene gleich wertvoll. Um die ersteren nicht zu verschrecken, sollten besonders komplizierte Werke hier Ausnahme sein und eher in den Kultursendern erklingen. Aber alle Epochen, Musikgattungen und großen Komponisten sollten vertreten sein (damit der unerschöpfliche Reichtum an guter Musik bewusst wird), und zwar jeweils durch ihre besten Werke, so dass möglichst nie etwas enttäuscht oder langweilt. (Bei knapper Zeit extrem wichtig!)
10. Außer für die bundesweite Ausstrahlung in guter Empfangsqualität entständen keine Kosten, da alles fertig vorliegt. Es geht allein um die Auswahl erstrangiger Stücke in überzeugender Darbietung und ihre korrekte Ansage ohne Beiwerk.
11. Dieser eine Sender sollte voll auf die Musik beschränkt bleiben
a) als eine jederzeit verlässliche Alternative zu der Unterhaltungsmusik aus 20 anderen Sendern.
b) als Alternative zu politischem, ideologischem oder inhaltsbedingtem Streit und zu Abneigungen, die aus Texten weit häufiger entstehen
c) als ein Inhalt, der nicht nur durch Friedlichkeit und hohe Vollkommenheit besticht und meist spontan anspricht, sondern dessen Aufnahme auch durch Störungen weniger stark beeinträchtigt wird als die von Texten.
12. Konzentration vorausgesetzt, missfallen wirklich gute Musikstücke nur selten, Texte wegen ihrer Inhalte dagegen häufig. Sie waren stets Hauptgrund für relativ geringe Zustimmung zu den Kultursendern, so dass trotz großer Mängel "Klassik-Radio" zu einer Konkurrenz wurde.
13. Die Situation würde sich durch die vorgeschlagenen Änderungen schlagartig ändern. Das gesamte Konzertpublikum und alle Kulturbegeisterten, die Klassik-Radio und jetzt auch NDR Kultur aus ihrem Leben gestrichen haben oder nur gelegentlich unter Ärger hineinhören, würden sich begeistert dem Sender A zuwenden, aber mit derselben Begeisterung auch die Programme des Kultursenders B studieren, um das genau Richtige zu entdecken.
14. Sie fühlten sich (und die Genies) erstmals wieder als Menschen geachtet und respektiert, nicht mehr als Sonderlinge abqualifiziert und aus dem Hörfunk vertrieben, nur weil sie die Gipfelwerke der Menschheit zutiefst lieben und ihre unverfälschte Darbietung im Allgemeininteresse für nötig halten.
15. Ca. 25 Hörfunksender haben sie völlig eliminiert, für 4000 Stunden jedes Tages. Eine Initiative begeisterter Kulturfreunde fordert nun, der einzige "Kultursender" müsse solche Gipfelwerke zumindest in 4 Stunden unverfälscht senden. Das ist eine in der Gesamtsituation extrem geringe Forderung. Es wäre traurig, wenn diese Minimalforderung nicht diskussionslos erfüllt oder im Zeitanteil noch überboten würde.
16. Es ist bereits schlimm und töricht, dass die größten Leistungen unseres Volks und Europas dem Hörfunkpublikum als reines Minderheitshobby dargestellt und nicht mehr präsentiert werden. Unzählige Menschen und Musikstudenten aus aller Welt würdigen sie noch voll und aus tiefster Überzeugung. All diese Menschen als unnormal oder fortschrittsfeindlich abzuqualifizieren und sie jetzt evtl. sogar bei dieser Minimalforderung niederzukämpfen, ist jedoch fast noch schlimmer. Man kann hier nur auf die Vernunft des Rundfunkrats hoffen. Derart einseitig darf eine so wichtige Institution wie der Hörfunk nicht die Oberflächlichsten fördern und wertvolle, respektbetonte, verantwortungsbewusste Menschen in die "Emigration" treiben.
17. Hohe Achtung vor den Menschen (z.B. niemanden durch überzogene Anspruchslosigkeit oder lieblos zusammengemixte Programmteile zu beleidigen), müsste überall bestimmend sein. Darauf zielen (s. Vorbemerkung) alle meine Vorschläge, aber auch die Vorrangmahnung an NDR Kultur, durch präzise Programmangaben wieder Freude auf bestimmte Sendungen zu ermöglichen, statt durch wahlloses Hineinmischen von zu viel Unerwünschten und Banalem fast das gesamte Tagesprogramm unerfreulich zu machen. Musikerfahrene und Unerfahrene brauchen Unterschiedliches. Nur die überzeugende Lebendigkeit und Vielfalt der (nicht zu Unrecht berühmtesten) Gipfelwerke fasziniert beide und müsste im Mittelpunkt stehen - für mehr als 4 von 13 Stunden.
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