Korrespondenz mit NDR Kultur

Ein unbeantwortet gebliebener Brief des Hörers C. R. aus Kiel

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine pädagogische Aufgabe, die nicht Opfer von Einschaltquoten werden sollte

Die Halbierung der einzigartigen Komposition "Peter und der Wolf" am 5. März 2003 war geradezu barbarisch für die armen Kinder, die auf das Ende der Geschichte gespannt waren!

C. R., Kiel

den 7. 3. 2003

Norddeutscher Rundfunk
NDR Kultur
Rotherbaumchaussee
20148 Hamburg

Betr. Programm von NDR Kultur

Sehr geehrte Damen und Herren,

Seit vielen Jahren war das 3. Programm des NDR mit seinen Musiksendungen mein ständiger Begleiter bei Arbeiten am Schreibtisch, am Zeichentisch, im Haushalt und im Auto. Sicherlich ist eine solche Untermalung der täglichen Tätigkeiten durch anspruchsvolle Musik nicht ganz dem konzentrierten Hören im Konzertsaal gleich, doch habe ich meine Kenntnisse der Musik des 16. - 20. Jahrhunderts im wesentlichen dem NDR-Programm und den daraus resultierenden Ankäufen von Platten und CDs zu verdanken. Auch viele Wortsendungen z. B. Gedanken zur Zeit, Musikinformationen und auch der "Reißwolf" sind Grund zur Freude. Nun ist seit Anfang dieses Jahres das langjährige 3. Programm durch NDR Kultur ersetzt. Gestatten Sie mir zu dieser Veränderung folgende Anmerkungen:

1. Die Qualität der klassischen Musikstücke ist schon durch die m. E. sehr rigorose Beschränkung auf wenige hochqualifizierte und bekannte Interpreten (Academy of St. Martin's in the Fields, Vituosi Saxoniae etc.) geblieben. Jedoch habe ich den Eindruck, dass man noch mehr als früher das Experiment scheut, neben vertrauten und populären vielgespielten Stücken des Barock, der Klassik und der Romantik auch unbekanntere Werke, auch unbekannterer Meister sowie Werke des 20. Jahrhunderts zu senden. Das Wagnis moderner Musik wird offenbar höchstens zur Nachtstunde unternommen. Dabei hat hier m. E. der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Gegensatz zu kommerziellen Privatsendern auch eine pädagogische Aufgabe, die nicht Opfer von Einschaltquoten werden sollte.

2. Noch mehr als früher werden zumindest tagsüber Sinfonien, Konzerte, Quartette und Sonaten dem offenbar heute schneller ermüdenden Hörer nur noch satzweise gestückelt geboten. Bei sehr großen Werken mit Aufführungsdauer von über einer halben Stunde ist das verständlich, warum aber aus einer nur 15-20minütigen Mozart- oder Haydn-Sinfonie nur einzelne Sätze, herausgerissen aus dem Zusammenhang gesendet werden, damit sich dann wieder andere, andersartige kurze Stücke anschließen, vielleicht noch unter Einschub einer an dieser Stelle nur störenden Kulturnachricht, ist schwer einzusehen. (Die Halbierung der einzigartigen Komposition "Peter und der Wolf" in der Prokoffiew-Gedenksendung am 5. 3. war geradezu barbarisch - die armen Kinder, die auf das Ende der Geschichte gespannt waren!). Oder heißt es heute: "wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen"?

(...).

Im übrigen bin ich weiterhin für jede schöne und anspruchsvolle Musik- und Wortsendung von NDR Kultur dankbar und bitte, diese Zeilen als Feedback eines treuen Hörers aufzufassen, der sich über eine Antwort sehr freuen würde.

Mit freundlichen Grüßen
gez. C. R.

PS: In dem Begleitschreiben vom 17. März 2005 schreibt Herr C. R. an Das GANZE Werk:
Als Zeichen der Zustimmung für Ihre Arbeit erlaube ich mir, Ihnen einen Ausdruck eines schon im Frühjahr 2003 von mir an den Sender geschriebenen Briefes beizufügen, insbesondere hinsichtlich des Punktes 2. (...) Eine Antwort auf mein Schreiben habe ich nie erhalten, geändert hat sich nichts. Hoffentlich haben Sie mehr Erfolg, auch wenn Herr Romann Sie (und mich wahrscheinlich auch) als "Kulturajatollahs" bezeichnet.