Korrespondenz mit NDR Kultur
26. August 2002
Ein inzwischen historischer Brief an Herrn Knauer
Es scheint, als solle die letzte Oase guten musikalischen und sprachlichen Geschmacks in der Wüste des niveau- und atemlosen Gedudels und Geschwätzes versanden.
Dr. Heinrich Otto
2.... Hamburg
Herrn Wolfgang Knauer
NDR-Radio 3
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
26. August 2002
Brief im Original/Drucken (Pdf) |
Sehr geehrter Herr Knauer,
sehr geehrte Damen und Herren von Radio 3,
es scheint, als solle nächstens auch die letzte Oase guten musikalischen und sprachlichen Geschmacks in der Wüste des für das Hamburger Rundfunkangebot notorischen niveau- und atemlosen Gedudels und Geschwätzes versanden. Nach der kürzlich veröffentlichten Mediaanalyse nämlich sieht der NDR "Handlungsbedarf": Radio 3, heisst es, müsse "umgebaut" werden. Auch die modischen Leerformeln für die geplanten "Innovationen", die sich hinter der politisch korrekten Wortwahl Umbau verbergen, sind bereits zur Hand. Mittels "neuer Radioformen", eines "modernen Profils", "kulinarischerer" Musik, vielleicht sogar der "Musikuhr", was immer das ist, und jedenfalls des Angebots von - nun auch hier - "Event-kultur" soll bei Radio 3 der angeblich unumgängliche Weg zum "Nebenbei-Medium" beschriften werden.
Mag sein, dass zur Zeit eine Mehrheit der Radiohörer schon ein gemässigt anspruchsvolles, keineswegs hochgestochenes Zuhörprogramm wie Radio 3 nicht besonders schätzt. Aber wo steht geschrieben, dass eine zwangsgebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt berechtigt oder gar gehalten ist, ihr Niveau uneingeschränkt demjenigen des in bekanntlich hohem Masse bildungsbedürftigen Publikums anzupassen. Die richtig verstandene Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besteht doch, ganz im Gegenteil, auch darin, sich um die Bildung, einschliesslich der musischen Bildung, des Publikums nach Kräften zu bemühen. Und da ist ein Programm mit kulturellem Anspruch unter mehreren, anderen Zwecken dienenden Programmen das nicht zu unterschreitende Minimum.
Auch ein gutes Programm lässt sich natürlich verbessern. Doch möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Knauer, und Ihre engagierten Kolleginnen und Kollegen, denen zuzuhören bisher stets Vergnügen und Gewinn bedeutet, ermutigen, soweit das im mächtigen Räderwerk des NDR möglich ist, dem jetzt offenbar auch Ihren Hörern drohenden infantilen Häppchenradio zu widerstehen.
Mit freundlichen Grüssen
gez. Dr. Heinrich Otto