Das GANZE Werk - Presseschau

tageszeitung (taz), 15. Januar 2008

NDR-Intendant Plog geht in Rente

Der Strippenzieher

Von Rainer Braun

Er war länger Intendant als Kohl Kanzler, hat den NDR stets vor zu viel Parteieinfluss geschützt und hadert weiter damit, dass Jauch nicht zur ARD zurückkam. Die Ära Jobst Plog ist vorbei.

Charme und Weltläufigkeit sind ihm so wenig fremd wie Selbstbewusstsein - außerdem besitzt er eine gehörige Portion Eitelkeit. Denn welcher Senderchef kokettiert schon mit Sätzen wie diesen: „Es gibt viele, die gar nicht mehr wissen, wer vor mir Intendant war.“ So ganz falsch ist diese Einschätzung allerdings nicht. Schließlich hat Jobst Plog gut ein Vierteljahrhundert in der Intendanz des NDR verbracht, ein Jahrzehnt als stellvertretender Intendant und dann 17 Jahre an der Spitze. So lange war nicht einmal Helmut Kohl Bundeskanzler. Seit dieser Woche aber ist die Ära des streitbaren Hannoveraners nun offiziell zu Ende.

Damit sein Lebenswerk nicht allzu schnell in Vergessenheit gerät, durfte Reinhold Beckmann seinen Chef am Wochenende im Ersten noch einmal im milden Licht zeichnen. Das Ergebnis dürfte Plog nicht nur aufgrund des hübschen Titels gefallen haben. Denn als „Grandseigneur und Steuermann“ mochte Plog auch gesehen werden: nicht nur als Intendant in Hamburg, sondern auch als Kunstfreund mit einem Faible für französische Lebensart. Im Film wurde aber auch nicht verschwiegen, wie verletzt Plog immer noch darüber ist, dass RTL-Frontmann Günther Jauch nicht als Nachfolger von Sabine Christiansen verpflichtet werden konnte.

Gleichwohl sparte der Film nicht mit Lob und Anerkennung für das Schaffen des gelernten Anwalts, der schon als Jurist den Lebensweg seines damaligen Kollegen (und Konkurrenten) Gerhard Schröder kreuzte. Beide arbeiteten einst - so erinnert sich der Altkanzler - für die Gazette Einspruch, die damals sanft gegen die konservative Richterschaft polemisierte; nach dem Motto: „Hier beißt das Lamm“, wie Schröder ironisch anmerkt.

Auf einem anderen Blatt steht, ob Plog Beckmanns gebührenfinanzierte Eloge auf sein Werk wirklich nötig gehabt hätte. Doch wie ein Patriarch alten Zuschnitts kam er offensichtlich nicht umhin, sich auch noch die Deutungshoheit über seine eigene Person anzueignen und den Film in Auftrag geben zu lassen. Selbst SWR-Intendant Peter Voß, der sich wie Fritz Pleitgen vom WDR schon im letzten Jahr verabschiedet hatte, war da bescheidener und beließ es zum Ende seiner Karriere bei einem Kurzauftritt als Stuttgarter Polizeipräsident im vorletzten Bienzle-„Tatort“. Und Fritz Pleitgen, der Dritte im Bunde der einstigen ARD-Granden, dreht sowieso lieber selbst Filme.

Doch Plogs Bilanz kann sich sehen lassen. Er machte sich früh einen Namen, als er den NDR aus der Umklammerung der Parteipolitik befreite. Erfolgreich bemühte er die Gerichte und verteidigte damit auch die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, als auf dem Höhepunkt der Großdemonstrationen von Brokdorf die damaligen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht und Gerhard Stoltenberg den Staatsvertrag kündigen und den vermeintlichen „Rotfunk“ zerschlagen wollten.

Der Stachel sitzt bei den Konservativen bis heute tief, auch weil Plog sich 30 Jahre später noch einmal jegliche Einflussnahme der Parteien verbat: Durch eine Indiskretion war 2007 bekannt geworden, dass drei CDU-Ministerpräsidenten sich angeblich auf Volker Herres als Plog-Nachfolger verständigt hätten - nicht nur die NDR-Gremien waren mehr als irritiert und entschieden sich für Lutz Marmor vom WDR.

Plog bot auch einst Leo Kirch Paroli, indem er direkt in Hollywood mit den MGM-Studios verhandelte und dem Rechtemonopolisten ein Filmpaket vor der Nase wegschnappte. Mit WDR-Chef Pleitgen zusammen holte er die Bundesliga zurück in die „Sportschau“. Und er erweiterte am Ende den NDR um das Sendegebiet Mecklenburg-Vorpommern, obwohl der seinerzeit vorliegende Staatsvertrag ein Zusammengehen der Ostseeanrainer mit Berlin und Brandenburg vorsah. Unter Plogs Ägide behielt der NDR ferner sein sichtbares Profil im Bereich der Information („Tagesschau“, „Tagesthemen“, „Panorama“).

Doch auf der anderen Seite verbinden sich mit seinem Namen auch personelle Fehlgriffe (wie Hagen Boßdorf, den Plog zwischenzeitlich zum Sportchef berufen ließ) und der quotenorientierte Umbau des Programms. Er holte Reinhold Beckmann und Jörg Pilawa von der privaten Konkurrenz zurück, verpflichte Sabine Christiansen und später - als klar war, dass er Jauch doch nicht bekommen würde - Anne Will. Dafür blockierte er lange den Wechsel von Frank Plasberg ins Erste und unterstellte dem „Hart, aber fair“-Moderator mangelnde „Starqualitäten“.

Plog überlässt seinem Nachfolger Lutz Marmor, der vor seinem kurzen Kölner Zwischenspiel von 1995 bis 2006 selbst NDR-Verwaltungsdirektor war, fraglos ein solide aufgestelltes Unternehmen. Ob der neue starke Mann im ARD-Norden allerdings den Führungsstil und die Vorlieben seines ehemaligen Chefs adaptiert, darf bezweifelt werden. Denn Plog war als Autokrat, der sich ungern in die eigenen Karten gucken ließ, auch als der Mann der bösen Briefe unter den Intendanten bekannt. Als Anstaltschef, der nachtragend und beleidigt sein konnte, wenn die Dinge sich nicht in seinem Sinne entwickelten. Das aber soll seine Verdienste innerhalb der ARD, der er im Laufe seiner Ära zwei Mal vorstand, nicht schmälern.