Das GANZE Werk - Presseschau

Frankfurter Rundschau, 8. Oktober 2007

Denkmal ohne Schutz

Durch den drohenden Verlust des Studios F von Radio Bremen steht ein ganzes Künstlerdorf vor dem Aus

Von Alexander Schnackenburg

Mit etwas Pech könnte es jetzt ganz schnell gehen. Radio Bremens legendäres Studio F würde nach jahrelangem Tauziehen kurzerhand abgerissen und alle Pläne für ein Künstlerdorf im Herzen der Hansestadt wären damit ebenfalls null und nichtig: Weil der Erhalt des Sendesaals seinem Eigentümer wirtschaftlich nicht zugemutet werden könne, sah sich Bremens Landeskonservator Georg Skalecki jetzt gezwungen, den erst kürzlich feierlich erlassenen Schutz des Tonstudios wieder aufzuheben.

Jetzt klammert sich neben weiten Teilen der Bremer Kulturszene ein ganzer Stadtteil an die schwache Hoffnung, dass das Bauressort des Bremer Senats - aus welchen Gründen auch immer - den (längst beantragten) Abriss des Tonstudios trotzdem irgendwie verhindert.

Zwar wäre der Verlust des Sendesaals allein schon schmerzlich für die Stadt und ihr kulturelles Leben. Es hängt jedoch noch viel mehr an der Existenz des Saals. Sein Schicksal scheint inzwischen untrennbar verbunden zu sein mit der wunderbaren Idee eines gemeinsamen Musikerdorfes für Senioren und Studenten namens MusicVillage. Als Vorbild für das Projekt dient seinen Initiatoren das Hamburger Künstlerdorf NewLivingHome.

Eigentlich wünschen sich fast alle das MusicVillage: die „Freunde des Sendesaals“ um Radio Bremens ehemalige Musikchefs Klaus Bernbacher und Peter Schulze sowieso, doch auch die Anwohner sowie sämtliche politischen Parteien. Uneigentlich gibt es jedoch ein schwerwiegendes Problem: Radio Bremen hat das Gelände, auf welchem der Sendesaal steht, vor eineinhalb Jahren an eine Investorengruppe verkauft, die die Idee eines Künstlerdorfes zwar „niedlich, aber nicht realistisch“ findet.

Wohnhäuser statt Sendesaal

Zur Sache
Radio Bremen legt die Sparten Hörfunk und Fernsehen zusammen und will auf diese Weise jährlich 3,5 Millionen Euro Betriebskosten sparen. Um den Bau des neuen Funkhauses finanzieren zu können, musste der Sender seine bisherigen Standorte aufgeben und hat Grundstücke verkauft.
Der als Studio F bekannte Sendesaal wurde 1952 von dem Architekten Hans Storm konzipiert. Seine Besonderheit ist, dass erstmals ein Gebäude in ein anderes eingehängt wurde - eine Bauweise, die sich als Standard für hochwertige Tonstudios durchsetzte.
www.sendesaal-bremen.de
Dort, wo der Sendesaal steht, wollen sie bis zu viergeschossige Wohnhäuser errichten. Um dennoch das MusicVillage zu realisieren, hätten die Freunde des Sendesaals bis Ende September der Stadt Bremen ein Betreiberkonzept sowie vor allem einen Investor vorstellen müssen, der das Areal seinen jetzigen Besitzern zu einem fairen Preis abgekauft hätte.

Und genau das haben Peter Schulze und seine Mitstreiter getan. Ingo Damaschke heißt der Mann, kein Unbekannter in der bundesdeutschen Bauszene. In jüngerer Vergangenheit hat Damaschke etwa das Wohnquartier „Die Prenzlauer Gärten“ in Berlin finanziert. Damaschkes Finanzierungskonzept für das MusicVillage geht davon aus, dass insgesamt 30 Millionen Euro nötig sein werden, um das Musikerdorf aufzubauen und in die Gewinnzone zu führen. Doch von diesen 30 Millionen fehlen zwei.

Und die Stadt Bremen weigert sich, die Lücke aus öffentlichen Mitteln zu schließen: Der Fall sei zwar „besonders bitter“ und „fachpolitisch sehr bedauerlich“, sagt Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz, angesichts der frappierenden Haushaltsnotlage in Deutschlands kleinstem Bundesland lasse sich aber partout nichts machen. Im Unterschied zur zwölf Jahre lang regierenden Großen Koalition, die buchstäblich massiv auf Investitionen in Beton gesetzt hat, will die neue rot-grüne Landesregierung die Investitionsmittel Bremens der Realität anpassen.

Dass diesem Realitätsgewinn jedoch ausgerechnet der Sendesaal und das MusicVillage zum Opfer fallen sollen, findet Peter Schulze „skandalös“. Der Bremer Senat setze damit ein fatales Zeichen. Nicht nur, weil es einer Bankrotterklärung gleich komme, wenn Stadt und Land Bremen nicht einmal mehr Projekte realisieren könnten, die doch jeder wolle, sondern auch, weil das MusicVillage Bremen einen erheblichen Imagegewinn brächte und langfristig einen ganzen Stadtteil aufwerten könne. Unter diesem Aspekt betrachtet, so Schulze, seien zwei Millionen Euro nicht viel Geld.

Schade nur, dass dieser Aspekt in Bremen so wenig zählt.