Das GANZE Werk - Rettet „Bayern 4 Klassik“ auf UKW

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 14. November 2006

Zitat:
Abgesehen davon, daß es etwas geradezu Obszönes hat, innerhalb einer gebührenfinanzierten Rundfunkanstalt die Quote zum Gradmesser der Existenzberechtigung zu erheben, abgesehen auch davon, daß die öffentlich-rechtlichen Sender durch ihren Kulturauftrag zum Schutz von Minderheitenprogrammen verpflichtet sind, gleicht die Argumentation einer Milchmädchenrechnung.

„Der Fortbestand von Bayern 4 Klassik hängt am seidenen Faden“

Nach der Ablehnung des Plans im Hörfunkausschuss wurde er „kurz darauf in einer Sitzung des Rundfunkrats neu aus dem Hut gezaubert“

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ruft öffentlich zur Unterstützung des Bayerischen Musikrats auf

Anmerkungen zu dem Artikel „Hörersturz“ von Julia Spinola

Zunächst stellt die Autorin anschaulich dar, dass der Plan des Intendanten des Bayerischen Rundfunks, Thomas Gruber, und des Hörfunkdirektors, Johannes Grotzky, an den neuen Hörgewohnheiten der Jugendlichen - ein breit diskutiertes Thema bei allen Rundfunkanstalten - vorbeigeht:

Während den Jugendsendern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks landauf, landab die Hörer davonlaufen, weil sie lieber im Internet surfen, chatten und downloaden, weil sie sich „ihre“ Musik per Kopfhörer vom iPod oder MP3-Gerät in die Ohren jagen, weil sie sich außerdem nicht von irgendwelchen Rundfunkmachern ein fertiges Programm vorsetzen lassen wollen und schließlich sowieso zunehmend seltener wissen, wie ein Radiogerät überhaupt aussieht, während also Sendungen wie „Das Ding“ (SWR), „MDR Sputnik“ oder „Eins Live“ (WDR) müde vor sich hin dümpeln, möchten der Bayerische Rundfunk und sein Hörfunkdirektor Johannes Grotzky nun endlich auch mit einem 24-Stunden-Jugendprogramm groß herauskommen. Das wäre nicht weiter brisant, hinge nicht deswegen der Fortbestand von Bayern 4, dem letzten reinen Klassiksender in Deutschland, am seidenen Faden.

Laut Rundfunkstaatsvertrag stünden dem Bayerischen Rundfunk nicht mehr als fünf UKW-Kanäle zur Verfügung, die alle fest belegt sind. Daher müsse für die geplante junge Welle auf UKW ein Kanal geräumt werden. „Geopfert werden soll, wie stets in solchen Fällen“, der Klassiksender, weil er die kleinste Hörerschaft habe. Zu allen Empfangsmöglichkeiten beschreibt Julia Spinola deutlich die praktischen Folgen für die jetzigen Hörer von Bayern 4 Klassik:

Bayern 4 würde dann vollständig ins digitale Netz (DAB) abwandern und könnte nur noch von einem Bruchteil seines Publikums gehört werden. Verloren würden vermutlich nicht nur jene fünfzig Prozent der Zuhörer, die den Sender über UKW rezipieren, sondern auch noch weitere dreißig Prozent, da bei gestrichener UKW-Frequenz auch der Kabelempfang nicht mehr gesichert wäre. Hinzu kommt, daß der digitale Empfang nur im Freien einigermaßen gewährleistet wäre, da die für den sogenannten in-house-Empfang erforderliche stärkere Frequenz von der Bundeswehr bislang nicht freigegeben wird.

Einschneidend wäre die Abschaffung von Bayern 4 Klassik auf UKW und im Kabel auch für das kulturelle Leben in Bayern:

(Es) wären die Klangkörper - das erst jüngst „gerettete“ Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer, der Chor sowie das ausgezeichnete Symphonieorchester unter Mariss Jansons - bedroht, da diese sich nur über ausreichende Produktionen für den Rundfunk legitimieren.

Aus den grundsätzlichen Einwänden, eine Entscheidung nach der Quote zu treffen und den Kulturauftrag zu leugnen, wird deutlich, dass der Rundfunkrat ganz sicher mit juristischen Einsprüchen rechnen kann, sollte er den Plänen des Intendanten und des Hörfunkdirektors folgen:

Abgesehen davon, daß es etwas geradezu Obszönes hat, innerhalb einer gebührenfinanzierten Rundfunkanstalt die Quote zum Gradmesser der Existenzberechtigung zu erheben, abgesehen auch davon, daß die öffentlich-rechtlichen Sender durch ihren Kulturauftrag zum Schutz von Minderheitenprogrammen verpflichtet sind, gleicht die Argumentation einer Milchmädchenrechnung. So bleibt etwa die SWR-Sendung „Das Ding“ mit einer Quote von 1,4 % hinter jenen 2 % der Hörerschaft, die Bayern 4 erreicht, deutlich zurück.

Die Autorin berichtet zur Vorgeschichte des Plans, dass der BR-Intendant Thomas Gruber „schon seit Mitte der neunziger Jahre, als er noch Hörfunkdirektor war“, „immer mal wieder (...) die Idee einer Jugendwelle“ vortrug. Und zu dem gegenwärtigen ungewöhnlichen Zickzack-Verfahren bei den Gremien des Senders fährt sie fort:

Obwohl sich der Hörfunkausschuß des BR Anfang Oktober explizit gegen die Option ausgesprochen hatte, Bayern 4 zugunsten der geplanten Jugendwelle von der UKW-Frequenz zu nehmen, wurde diese Möglichkeit kurz darauf in einer Sitzung des Rundfunkrats neu aus dem Hut gezaubert. In diesem Gremium soll sie Anfang Dezember noch einmal zum offiziellen Punkt gemacht werden. Das widerspricht durchaus den üblichen Gepflogenheiten, denen gemäß der Rundfunkrat Entscheidungen nur in Personalfragen fällt. So könnte man beinahe den Eindruck gewinnen, Hörfunkdirektor Grotzky, der ein glühender Verfechter der Jugendwelle ist, wolle die weitreichende Entscheidung zwar treffen, selber jedoch nicht dafür geradestehen, sondern sich statt dessen hinter der zu erwartenden Mehrheit im Rundfunkrat verschanzen.

Julia Spinola stellt dann kurz ihr Gespräch mit dem Hörfunkdirektor und seinen oberflächlichen, nichtssagenden Zusicherungen zur Zukunft von Bayern 4 Klassik dar und schließt mit einem wichtigen Gesichtspunkt, den auch der bayerische Kunstminister, Thomas Göppel, in seiner Stellungnahme angesprochen hat:

Danach, ob nicht auch Kinder und Jugendliche ein Recht darauf haben, an den unermeßlichen Erfahrungsschätzen der sogenannten „Klassik“ teilzuhaben, wird gar nicht erst gefragt. Wie groß das Bedürfnis danach bei den jüngsten aller Hörer tatsächlich ist, das beweist nicht zuletzt die immense Resonanz der „Kindertage“ im Sendeprogramm von Bayern 4.

Im Internet wird demonstrativ - zusätzlich zu der gedruckten Ausgabe, wo es technisch nicht möglich ist - gezielt verlinkt auf die Unterschriftenliste des Bayerischen Musikrats hingewiesen.

Wir wissen den Wert und die Bedeutung des Artikels in der jetzigen Situation sehr zu schätzen.

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Aufbereitung des FAZ-Artikels: Theodor Clostermann, Das GANZE Werk, 14. November 2006

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