Das GANZE Werk - Presseschau

Zitate:
Die geladenen Vertreter des NDR, Barbara Mirow und Michael Plöger, hatten ihre Teilnahme wieder abgesagt. Sie hätten sich zwar gern der Debatte über den Kulturauftrag gestellt, hieß es auf Anfrage des Abendblatts, lehnten es aber ab, über die vom „Ganzen Werk“ entwickelten Programmvorschläge zu diskutieren.
„Der NDR will uns mit Kulturhäppchen abspeisen. Das ist unter Niveau“, empörte sich Klein. Baum kritisierte die Neigung zum Entertainment, bloß um den Massengeschmack zu treffen. „Die Minderheiten müssen genauso berücksichtigt werden“, pflichtete Kesting bei. Die Diskutanten waren sich einig: „Der NDR ist dabei, das Kulturradio kulturlos zu machen“ (Geißler).

Hamburger Abendblatt, 10. Juni 2006

NDR Kultur: Quote mit „Häppchen ohne Niveau“?

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HAMBURG – Wird der Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders NDR Kultur noch erfüllt? Diese Frage diskutierten am Donnerstag fünf Podiumsteilnehmer bei der Veranstaltung der Initiative „Das Ganze Werk“ in der Freien Akademie der Künste.

Farid Müller, Medien- und Verfassungsexperte der GAL, moderierte das Gespräch zwischen Gerhart R. Baum (Rechtsanwalt, Bundesminister a. D.), Theo Geißler (Herausgeber der „neuen musikzeitung), Jürgen Kesting (Freier Autor u. a. „FAZ“, „Stern“), Juliane Klein (Komponistin) und Theodor Clostermann („Das Ganze Werk“).

Die geladenen Vertreter des NDR, Barbara Mirow und Michael Plöger, hatten ihre Teilnahme wieder abgesagt. Sie hätten sich zwar gern der Debatte über den Kulturauftrag gestellt, hieß es auf Anfrage des Abendblatts, lehnten es aber ab, über die vom „Ganzen Werk“ entwickelten Programmvorschläge zu diskutieren.

In Kritik geriet zum erneuten Mal die seit 2003 praktizierte Neustrukturierung des Programms: Um die Stammhörer zufriedenzustellen, aber auch einer neuen Generation von Kulturinteressierten entgegenzukommen, folgt der NDR dem neuen Konzept: tagsüber Begleitprogramm, abends Einschaltprogramm.

Das wird seither von der Initiative „Das ganze Werk“ unerbittlich angeprangert: „Der NDR will uns mit Kulturhäppchen abspeisen. Das ist unter Niveau“, empörte sich Klein. Baum kritisierte die Neigung zum Entertainment, bloß um den Massengeschmack zu treffen. „Die Minderheiten müssen genauso berücksichtigt werden“, pflichtete Kesting bei.

Die Diskutanten waren sich einig: „Der NDR ist dabei, das Kulturradio kulturlos zu machen“ (Geißler). Der NDR verweist dagegen auf eine positive Entwicklung der Hörerzahlen – für die Nische „Klassik“ konnte die Höreranzahl allein in Hamburg seit Reform-Beginn mehr als verdreifacht werden.     (coe)

Kommentar: Mit dem Hinweis auf das „Hamburger Radio 3-Loch“ entstellt der NDR die tatsächliche Entwicklung

Die Hörerzahlen von NDR Kultur in Hamburg und im ganzen NDR-Sendegebiet zwischen 2002 und 2006 und im letzten Jahr

Die in dem letzten Satz enthaltene Information:

Der NDR verweist dagegen auf eine positive Entwicklung der Hörerzahlen – für die Nische „Klassik“ konnte die Höreranzahl allein in Hamburg seit Reform-Beginn mehr als verdreifacht werden.

ist zwar sachlich richtig. Merken Sie sich diese Zahl aber als ein besonders gelungenes Beispiel für Manipulation. Der NDR hat sich für den Dreifach-Wert die schlechteste Hörerzahl Hamburgs der letzten Zeit herausgepickt, das war der Wert von 0,7 Prozent im Sommer 2002. Nennen wir dieses Ereignis einmal das „Hamburger Radio 3-Loch“. Diese Zahl hat der NDR dann mit dem aktuellen Wert verglichen, das sind 2,3 Prozent.

Mit diesem Dreifach-Lob macht der NDR sich aber selbst etwas vor und entstellt die tatsächliche Entwicklung. In dem Maße, wie die Hörer in der letzten Zeit negative Erfahrungen mit dem Musik-Wort-Mix-Programm machen und genervt sind, sinken die Zahlen wieder. Nur in Hamburg ist der Höreranteil im letzten halben Jahr um 0,2 Prozent gestiegen, während er in den drei anderen Bundesländern jeweils um 0,1 Prozent gefallen ist.

In Hamburg sind die ermittelten Hörerzahlen von März 2005 auf März 2006 von 2,6 auf 2,3 Prozent gefallen, das ist im letzten Jahr ein Verlust von ca. 3.500 Hörern oder von einem Neuntel der Hörer (eigene Berechnungen bezogen auf die Hamburger Basiszahlen von 1,282 bzw. 1,294 Millionen Erwachsene ab 14 Jahren).

Im ganzen NDR-Sendegebiet gibt es keinen so krassen Zahlenausreißer in negativem Sinne wie den von 0,7 Prozent im Sommer 2002 in Hamburg. Die vergleichbaren Hörerzahlen lauten:

Erhebung von    Höreranteil    absolut
August 20021,3 Prozent147.000 Hörer
März 20052,0 Prozent227.000 Hörer
März 20061,7 Prozent197.000 Hörer

Im ganzen NDR Sendegebiet ist die Zahl der Hörer also seit „Reform-Beginn“ um 25 Prozent bzw. ein Viertel gestiegen. Angesichts der gemachten negativen Erfahrungen in letzter Zeit ist jedoch die Hörerzahl im letzten Jahr um 30.000 bzw. 13,2 Prozent, also um mehr als ein Achtel gefallen.

Am 28. Dezember 2004 hatten wir schon den tiefen Fall in Hamburg von 2,9 Prozent auf 0,7 Prozent in einem Jahr, aufgeteilt auf zwei gleiche Stufen von 1,1 Prozent, als „Merkwürdigkeit“ herausgestellt. Die katastrophale Zahl von 0,7 Prozent in Hamburg diente als Startschuss für die Veränderung von Radio 3 zu NDR Kultur. Die Frage lautet: Wie kam es im Sommer 2002 zu der Zahl von 0,7 Prozent? Weil der NDR so stolz mit dieser Zahl argumentiert, stellt sich diese Frage heute erneut.

geschrieben am 10. Juni 2006 (mit einer Ergänzung am 11. Juni 2006)

Lesen Sie zur Podiumsdiskussion in Hamburg auch:

Peinlicher Rückzug
Wird der Kulturauftrag des NDR damit erfüllt, dass er uns unterfordert?
Leserbrief zu dem Beitrag „Diskutiert wird nicht“ (NDR Kultur) vom 10. Juni 2006
Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 27. Juni 2006
Erweiterte Pressemitteilung: Absage des NDR zur Podiumsdiskussion in Hamburg/
Dokumentation der Korrespondenz Das GANZE Werk - NDR
2. Mai 2006: Eindeutige NDR-Zusage
30. Mai 2006, Programmausschuss des NDR: „Diskussion über die Reform von NDR Kultur endgültig abgeschlossen.
31. Mai 2006, Michael Plöger: „Für eine Diskussion Ihrer ‚Programmvorschläge' stehen weder Frau Mirow noch ich zur Verfügung.“

Nachdem der NDR einen juristischen Einspruch erhoben hatte, stellt der Text in seinem zweiten Teil konkret dar, wie nach unseren Erfahrungen und nach unserem Verständnis der Rückzug des NDR von der Podiumsdiskussion verlaufen ist.

Das GANZE Werk, 11. Juni 2006 (Ersatz der Erkärung vom 8. Juni 2006)
Was bei NDR Kultur geschieht und nicht geschieht, interessiert mittlerweile republikweit
Diskutiert wird nicht
Wie die Chefs von NDR Kultur einen anregenden Abend verpassten
Der Programmausschuss des Senders betrachtet die Diskussion über die Reform als „endgültig abgeschlossen“, doch eine Überprüfung der Programme ist im Rundfunkstaatsvertrag festgelegt - für den NDR ist es Anfang Juli in Hannover so weit.
Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 10. Juni 2006
Der NDR kneift feige - das GANZE WERK wächst weiter
Kompetente Veranstaltung zu den Kernaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
KIZ - Das KulturinformationsZentrum, 9. Juni 2006
NDR verprellt Das GANZE Werk
Über Gründe und Kommunikation des Rückzugs herrschen Uneinigkeit
NDR: Wenn man über die Alternativ-Programmvorschläge des Ganzen Werks diskutiere, sei keine offene Diskussion über die Erfüllung des Kulturauftrags geplant
Das GANZE Werk: Die Alternativ-Programmvorschläge lagen dem NDR schon lange vor. Das Diktum des Programmausschusses ist nicht hinzunehmen, dass die Diskussion über die Reform von NDR Kultur „abgeschlossen“ sei.
die tageszeitung (taz), 9. Juni 2006
Mehr Hochkultur, bitte!
„Das Ganze Werk“ reitet gegen die Windmühlen öffentlich-rechtlicher Programmgestaltung an
Podiumsdiskussion um 19.30 Uhr in der Freien Akademie der Künste Hamburg
die tageszeitung (taz), 8. Juni 2006
NDR Kultur - Wird der Kulturauftrag noch erfüllt? - Ein Streitgespräch
Eine Veranstaltung der Initiative das GANZE Werk, 8. Juni 2006, 19.30 Uhr
Programmvorschläge - Sendeplan von 9 bis 18 Uhr
Ein abwechslungsreiches Programm, das zum Zuhören einlädt - wir erwarten dies für mindestens 4 Stunden, es kann auch länger sein...
Der Sprecherrat des GANZEN Werks, 9. April 2006
Ideensammlung für ein öffentlich-rechtliches NDR-Kulturprogramm
Erläuterungen zum vorgeschlagenen Sendeplan von 9 bis 18 Uhr
Der Sprecherrat des GANZEN Werks, 9. April 2006
Längst hat die Jagd nach der Quote die Qualität gefressen
Verantwortlicher qualitativer Mix im Westen und Süden - fader und inkompetent moderierter Mix auf NDR Kultur
Leitartikel zu der Podiumsdiskussion am 8. Juni 2006 in Hamburg