Das GANZE Werk - Presseschau

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Januar 2006

Leserbrief zum Artikel:
„Populär? – Mit Goebbels: Das Kulturradio schafft sich selbst ab“ (F.A.Z. vom 9. Januar)

Niveauverlust beim öffentlichen Rundfunk

„Auch daß sich die Sendungen von Musik mittlerweile zu einer Art Ratespiel entwickelt haben, bei dem die Auflösung, wenn überhaupt, erst erfolgt, nachdem das Werk gesendet wurde, dokumentiert den Niveauverlust“

Leserbrief in Originalansicht (Pdf)

Zum Beitrag „Populär? – Mit Goebbels: Das Kulturradio schafft sich selbst ab“ von Eleonore Büning (F.A.Z.-Feuilleton vom 9. Januar): Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel über die Situation der Kulturwelle des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) gelesen. Ähnliche Niveaueinbußen lassen sich auch bei anderen Rundfunkanstalten feststellen, die sich die Sendungen von klassischer Musik im weitesten Sinne zur Aufgabe gesetzt haben. Die Anpassungssucht, die Methoden des privaten Klassik-Radios zu übernehmen, verbreitet sich immer mehr. Es gilt nur noch, die populären Sätze aus Symphonien, Sonaten oder anderen mehrsätzigen Werken zu senden, die zum Teil auch noch mit unqualifizierten, in keiner Weise zum gesendeten Werk stehenden Bemerkungen garniert werden. Man könnte manchmal den Verdacht haben, daß gewisse Rundfunkanstalten, wie zum Beispiel beim NDR geschehen, nur über eine eng begrenzte Anzahl von „populären“ Werken verfügen. Mir ist es passiert, daß ich auf einer Fahrt von Norddeutschland nach Westfalen zweimal das gleiche Musikwerk hören konnte. Auch daß sich die Sendungen von Musik mittlerweile zu einer Art Ratespiel entwickelt haben, bei dem die Auflösung, wenn überhaupt, erst erfolgt, nachdem das Werk gesendet wurde, dokumentiert den Niveauverlust und die schwindende Seriosität solcher Programme. Es gelten offenbar nur Einschaltquoten, obwohl doch gerade die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die ja von den Beitragsgeldern der Zuhörer leben, eine kulturbildende Aufgabe übernehmen sollten. Davon sind leider viele Sendeanstalten meilenweit entfernt.

Als wirklich positive Erscheinung sei in diesem Zusammenhang der Hessische Rundfunk erwähnt, der sich in seinen Musiksendungen wohltuend von anderen Rundfunkanstalten abhebt und sich in seinem Kulturprogramm neben den großen klassisch-romantischen, barocken und modernen Werken auch solcher Musikrichtungen annimmt, die nicht nur im Blickpunkt des allgemeinen musikalischen Interesses liegen.

Professor Dr. Werner Czesla, Detmold